Corona hat die Welt voll in ihrem Würgegriff. Jede Freiheit, die man sich gönnt oder gesetzlich ausreizen darf, ist in Zeiten wie diesen purer Luxus.
Ein Privileg ist es – zumindest in den meisten Sportarten mittlerweile wieder – für die Profi-Sportler. Sie werden regelmäßig getestet, reisen um die halbe Welt und spielen vorbehaltlich der Sicherheits-Konzepte sogar vor tausenden Fans oder nach US-Vorbild in einer "Bubble".
Der gewohnte Alltag ist in einer gewissen Art und Weise - natürlich mit Abstrichen - irgendwie greifbar. Vom Privileg zum Problem wird es allerdings, wenn man trotz aller Warnhinweise einem unnötigen Risiko ausgesetzt wird, wie es derzeit bei Red Bull Salzburgs Auswärtsreise nach Tel Aviv zum Playoff der Champions League der Fall ist. Deshalb drängt sich die Frage auf: Geht's noch? Ist es das wirklich wert, UEFA?
Zum Vergleich: Das Champions-League-Finalturnier der Saison 2019/20 wurde an einem zentralen, sicheren Ort ausgetragen – dieses fand erst vor einem Monat statt. Die Qualifikation für den neuen Bewerb 2020/21 wurde nicht nur aufgrund des dichten Zeitplans in einer einzigen Partie ausgespielt, sondern auch, um Teams nicht zusätzlichen Reisen auszusetzen.
Und nun bestand die UEFA darauf, dass Salzburg trotz Lockdowns in das ansonsten für Normalsterbliche abgeschottete Israel mit 5.000 bis 6.000 Neu-Infektionen pro Tag reisen musste, um sich dort auf das Millionen-Spiel gegen Maccabi zu konzentrieren. Da sind wir schon beim richtigen Stichwort: Sobald das liebe Geld ins Spiel kommt, wird meist eine unpopuläre Lösung gefunden – definitiv nicht im Sinne der Sportler.
Dabei wurde noch gar nicht erwähnt, dass zusätzlich zum Lockdown in Israel auch noch ein Gegner wartet, der unmittelbar vor dem Duell 16 positive Fälle vorzuweisen hatte. Aber solange ein Team über 13 einsatzbereite, negativ getestete Spieler verfüge, sei alles in Ordnung – so besagen es zumindest die UEFA-Regularien.
In Ordnung ist dabei jedoch gar nichts! Dass Salzburg gut behütet unter allen Sicherheitsvorkehrungen abgeschirmt wird, sich im Hotel abschottet und keinem extra Risiko ausgesetzt wird, steht außer Frage. Ausschließen kann man jedoch nichts.
Demnach war es nur menschlich, dass Trainer Jesse Marsch öffentlich Bedenken äußerte und zugab: "Ich persönlich möchte nicht in Israel spielen. Dort ist es gefährlich momentan, es ist gefährlich für unsere ganze Gruppe." Auch Salzburgs Sportdirektor Christoph Freund meinte: "Wir verstehen es nicht, müssen es aber annehmen." Und Geschäftsführer Stephan Reiter ging sogar so weit zu behaupten: "Es ist eine politische Skurrilität, dass ein Land im Lockdown ist und eine Ausnahmegenehmigung für den Fußball ausschreibt."
Also wird trotzdem gespielt! Weil zu viel auf dem Spiel steht! Es geht um Millionen, es geht um ein Ticket für den ruhmreichsten Bewerb im europäischen Klub-Fußball. Ein Rückzug hätte zudem wohl eine Strafe zur Folge, in dieser Hinsicht fehlt ein Präzedenzfall, ein Team, das sich diese Vorgehensweisen nicht bieten lässt.
Laut Freund könne Salzburg nur davon ausgehen, dass die Sicherheit gewährleistet ist – obwohl sogar Ausweich-Stadien in Griechenland oder Zypern bereitgestanden wären. Deshalb muss es RBS so nehmen, wie es ist. Bei der Abschluss-Pressekonferenz war der Schalter bereits umgelegt, die Bedenken zumindest äußerlich in positive Energie umgewandelt. So stellte Marsch klar: "Wir haben keine Angst vor Corona und sind bereit."
So ganz kauft man das den Beteiligten aber nicht ab. Jedoch mit Angst in ein Spiel zu gehen, die risikoreiche Reise auf sich zu nehmen und dann auch noch sportlich aufgrund der Bedenken zu versagen, wäre die falsche Herangehensweise.
Auf Maccabi Tel Aviv hat das Virus unmittelbar Einfluss auf das Team, gehandicapt geht man mit einem Rumpf-Kader in die Partie. Für RB Salzburg wird es eher eine mentale Herausforderung, wie man damit umgeht. Im Hinterkopf wird die Corona-Krise mit Sicherheit eine Rolle spielen.
Die Frage, die bleibt, ist: Ist es das wirklich wert, UEFA?