Die Analysten von Opta und Co. waren sich sicher: Elf Punkte werden im neuen Champions-League-Format auf jeden Fall zum Weiterkommen reichen.
Tja, falsch prognostiziert. Dinamo Zagreb schied mit eben dieser Punkteanzahl als 25. aus.
Was die diversen Simulationsmodelle nämlich nicht miteinberechnet haben: Wie groß die Kluft innerhalb der "Königsklasse" mittlerweile geworden ist; wie viel weniger Unentschieden passieren würden, weil der Qualitäts-Unterschied zwischen den einzelnen Teams aus unterschiedlichen Ligen so riesig wie nie zuvor ist.
Vorneweg: Dieser Kommentar soll nicht den veränderten Europacup-Modus an sich beurteilen; das neue Format hat mit Sicherheit seine Vorzüge und brachte viel Spannung am letzten Spieltag rein.
Alleine die vielen Internet-Memes, die rund um die am Mittwoch 18 gleichzeitig stattfindenden Spiele entstanden sind, waren es wert.
Meinen liebsten Gag dazu habe ich übrigens auf X gelesen, er ging ungefähr so: "Du hast Bitcoin 2008 verpasst. Du hast die Facebook-Aktie 2012 verpasst. Du hast die Tesla-Aktie 2018 verpasst. Du darfst nicht die Kombiwette am 29. Jänner verpassen."
Lustig fand ich den Tweet (oder heißt das jetzt gar nicht mehr Tweet?) auch deshalb, weil er so weit von der Realität entfernt ist. Ich habe kurz vor Anpfiff ausprobiert, was passiert, wenn man eine Kombiwette auf alle 18 Spiele auf den Ausgang mit der jeweils niedrigsten Quote setzt. Man bekommt gerade mal das rund 3.700-fache seines Einsatzes zurück. Da lohnt sich ja TOTO spielen deutlich mehr.
Elitäre Top-24
(Text wird unterhalb fortgesetzt)
Aber zurück zum Kern dieses Kommentars: Wie sehr die Champions League bereits zu einer Art Super League geworden ist, ohne, dass uns die UEFA es merken lassen will.
So krass, wie die Schere zwischen den Teams aus den Top-Ligen Europas und jenen darunter momentan auseinandergeht, ist präzedenzlos. Klar, die Entwicklung im Fußball generell ging schon länger in diese Richtung; auch in der jüngeren Vergangenheit taten sich die Klubs aus kleineren Ligen schwer, ins Achtelfinale vorzustoßen.
"Das neue Champions-League-Format ist maßgeschneidert auf die Bedürfnisse der großen Ligen Europas."
Durch den neuen Modus hat es die UEFA Mannschaften aus Ligen ähnlicher Kragenweite zu Österreich aber nochmal unverhältnismäßig viel schwerer gemacht, weiterzukommen.
Natürlich sind ein paar Überraschungen in der Endtabelle dabei. Diese betreffen aber fast ausschließlich Klubs aus Top-5-Ligen-Europas. Von den großen Namen des Klubfußballs schied schlussendlich kein einziger aus, auch wenn deutlich mehr von ihnen die Top Acht verpassten, als erwartet.
Das einzige weitergekommene Team, welches nicht aus einer Liga, die momentan laut 5-Jahreswertung zu den besten Acht Europas gehört, kommt, ist Celtic auf Platz 21.
Und die Schotten benötigten dafür fast historisches Losglück. Die durchschnittliche Endplatzierung ihrer acht Ligaphasen-Gegner betrug letztendlich 22,375.
Wenn wir schon bei durchschnittlichen Endplatzierungen sind, möchte ich auch noch folgende Zahlen präsentieren. Den durchschnittlichen Rang in der aktuellen 5-Jahreswertung der Liga jedes Teams, aufgeschlüsselt auf die unterschiedlichen Segmente der Tabelle:
- Platz 1-8 der Champions-League-Tabelle: Vereine aus Ligen mit durchschnittlichem Rang 2,5 in der 5-Jahreswertung
- Platz 9-24 der Champions-League-Tabelle: Vereine aus Ligen mit durchschnittlichem Rang 5,125 in der 5-Jahreswertung
- Platz 25-36 der Champions-League-Tabelle: Vereine aus Ligen mit durchschnittlichem Rang ~12,42 in der 5-Jahreswertung
Kurzum: Das neue Champions-League-Format ist maßgeschneidert auf die Bedürfnisse der großen Ligen Europas.
Nur die Großen dürfen überhaupt mitspielen
Die UEFA schraubte in den letzten Jahrzehnten die Anzahl an über den Meisterweg zu erspielenden Tickets für die "Königsklasse", sprich jenen Weg, über den sich die Klubs außerhalb der Top Ten der 5-Jahreswertung für die Champions League qualifizieren können, kontinuierlich zurück, um den großen Ligen mehr Fixplätze zu garantieren.
Durch die Aufstockung auf 36 Teams gibt es immerhin wieder einen Platz mehr über den Meisterweg zu ergattern, die anderen drei zusätzlichen Plätze werden aber faktisch wieder an die Großen verteilt.
Die zwei Tickets für die Ligaphase, die nämlich seit dieser Saison an jene beiden Ligen mit der punktereichsten Vorsaison in der 5-Jahreswertung vergeben werden, werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Zukunft ausschließlich an Top-5-Ligen gehen.
Dafür hat die UEFA mit der drastischen Erhöhung der Bonuspunkte in der Champions League gesorgt – also ein sich selbst erhaltender Kreis, in den Nationen außerhalb der Fußball-Elite Europas nicht eindringen werden können. Die Zeiten, in denen Nationen wie die Niederlande oder die Ukraine zum punktestärksten Duo gehört, wie es vor nicht allzu langer Zeit der Fall war, sind vorbei.
Riesige Nachteile für kleinere Klubs durch das neue Format
Auch die beiden neu eingeführten Jänner-Termine spielen freilich ausschließlich den großen Klubs in die Hände.
Teams, die aus Ligen kommen, die keine oder kaum eine Winterpause im Kalender ansetzen, haben riesige Vorteile gegenüber jenen, die in der "Königsklasse" quasi einen Kaltstart hinlegen müssen.
Es steht natürlich im Sinne der sportlichen Fairness, dass Winterneuzugänge bei den beiden Jänner-Terminen noch nicht eingesetzt werden dürfen, damit finanzkräftige Klubs nach einem schwachen Herbst nicht einfach nochmal für die finalen beiden Ligaphasen-Spiele aufrüsten können. Tatsache ist aber, dass vor allem kleinere Vereine unter dieser Regelung leiden.
Diese sind häufig schon im Winter von einem Ausverkauf betroffen, während die Top-Vereine die Mittel haben, schwerwiegende Abgänge einfach abzublocken.
Als aktuellstes Beispiel hierfür sei der SK Sturm genannt, der im Winter gleich drei wichtige Spieler verlor und deshalb für die beiden abschließenden Champions-League-Spiele auf der ein oder anderen Position kreativ werden musste.
Eine Art Super League light
Mein Schlussfazit lautet: Auch wenn sich die UEFA gerne als heroischer Bekämpfer der Super League darstellt, hat sie mit ihren letzten Reformen dafür gesorgt, dass die Champions League mittlerweile so etwas wie die Super League light wurde.
In der Theorie kann jede Fußball-Mannschaft Europas die "Königsklasse" gewinnen, praktisch haben aber nur die Vereine aus den ganz großen Ligen auch die Chance, etwas zu reißen.
Die Ligaphase kann als so etwas wie die Vorrunde angesehen werden, wo die schwächeren, weniger attraktiven Teams ausgesiebt werden. Spätestens ab dem Achtelfinale werden mit ganz wenigen Ausnahmen nur mehr Vereine vertreten sein, deren Teilnahme auch in der Super League vorgesehen gewesen wäre.
Die UEFA musste diese Schritte wohl setzen, um sich für eben diese Vereine weiterhin attraktiv zu halten. Schade um den europäischen Klubfußball und seine ursprünglichen Visionen ist es trotzdem.