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Salzburg-Lok: Hat sich Jesse Marsch vercoacht?

Salzburg-Trainer erklärt Auswechslung von Sekou Koita und Zettel-Causa:

Nach dem etwas enttäuschenden 2:2 des FC Salzburg gegen Lokomotive Moskau zum Auftakt in die Champions League (Spielbericht>>>) gibt es Kritik an Coach Jesse Marsch.

Zum einen schickte der US-Amerikaner sein Team mit einer nicht perfekt auf den Gegner abgestimmten Grundordnung in die Partie und musste mitten in Hälfte eins seine Formation umbauen, zum anderen stießen manche Wechsel-Entscheidungen des Salzburger Trainers den Fans der "Bullen" sauer auf.

Bei der Pressekonferenz nach der Partie klärt Marsch auf, warum er mitten in der beste Phase der Salzburger Sekou Koita runternahm und wieso die erfolgreiche Raute in der Mozartstadt ihre Rückkehr feierte.

Koita musste getröstet werden

Nachdem die "Bullen" den Start in die neue Saison in der "Königsklasse" völlig verschliefen und gegen Lok Moskau schnell in Rückstand gerieten, kämpften sie sich mit Laufe der ersten Halbzeit immer besser rein und kamen durch ein Traumtor von Dominik Szoboszlai unmittelbar vor Seitenwechsel zum Ausgleich. Nach der Pause spielte sich Salzburg in eine Art Rausch, presste wie verrückt an und vergoldete eine der zahlreichen Möglichkeiten durch Zlatko Junuzovic zum Führungstreffer.

Vor allem Sekou Koita, der bei seinem ersten richtigen Champions-League-Einsatz nach einer einminütigen Einwechslung im letzten Herbst, zu Beginn noch etwas seine Nervosität ablegen musste, lief nach Seitenwechsel zu Hochtouren auf. Schon nach wenigen Sekunden verpasste der 20-jährige Malier am Fünfer nur um Haaresbreite einen Treffer, in Minute 52 tanzte er seine russischen Bewacher wunderschön aus und scheiterte nur an der Stange am vorentscheidenden 3:1. Die Kugel sprang über die Linie, Schiedsrichter Serdar Gözübüyük zeigte einen Wechsel an und völlig überraschend schien Koitas Rückennummer 7 in rot auf der Anzeigetafel des vierten Offiziellen auf.

Völlig enttäuscht verließ der Turbodribbler die Partie, nahm auf der Bank Platz und musste dort von Ersatzgoalie Alex Walke getröstet werden. Für Koita kam Mergim Berisha in die Partie, der Deutsche konnte bis auf einen Traumpass auf Daka in der Nachspielzeit aber nicht überzeugen und Salzburgs erst kurz davor gewonnener Spielfluss war wieder dahin. "Es war schade. In dem Moment hatten wir schon die Entscheidung getroffen zu wechseln und dann trifft Sekou den Pfosten. Aber ich glaube, wir haben Mergim in diesem Moment gebraucht", erklärt Jesse Marsch die womöglich spielentscheidende Situation aus seiner Sicht.

"Berisha bringt taktische Disziplin mit"

In Berisha steckt der US-Amerikaner seit Saisonbeginn volles Vertrauen, zu 100 Prozent konnte dieses der deutsche Stürmer, der sich eigentlich hinter den Spitzen besser aufgehoben fühlt, aber noch nicht zurückzahlen. Bis auf zwei Treffer beim 3:1 über die SV Ried ging der 22-Jährige bisher leer aus, zu oft trifft der technisch hochveranlagte Angreifer die falschen Entscheidungen. Auch Marsch muss zugeben, dass die Entscheidung für den frühen Wechsel vom schnellen, konterstarken Koita auf den ballhaltenden und vergleichsweise langsamen Berisha keine einfache war. Ob es nicht doch klüger gewesen wäre, Koita noch ein paar Minuten länger am Feld und den Malier seinen Torhunger stillen zu lassen?

"Schlussendlich vielleicht. Es war auch im Moment nicht so sicher, diese Entscheidung zu treffen. Aber mit der Führung brauchten wir ein bisschen mehr taktische Disziplin auf dem Platz und Mergim bringt das", gibt sich Marsch selbstkritisch. Berisha nimmt der US-Amerikaner aber aus der Schussbahn, der "Bullen"-Coach sah eine gute Leistung seines Schützlings: "Ich analysiere jede Entscheidung auf der Bank und ich war sehr zufrieden mit Mergim. Wir hatten weiter viele Chancen, es war ein bisschen enttäuschend, dass wir nicht mehr getroffen haben."

Marsch gehen die Sechser aus

Auch mit seinem zweiten Wechsel sorgte Marsch für Stirnrunzeln. Beim Stand von 2:1 für die Salzburger nahm der 46-Jährige in Minute 73 - wohl aus Fitness-Gründen - den hochmotivierten Sechser Mohamed Camara nach einer starken Leistung runter und ersetzte den Malier durch Flügelspieler Masaya Okugawa. Nur zwei Minuten später fiel der Ausgleich - ausgerechnet nach einem Ballverlust von Okugawa, der in dieser Situation allerdings ungeahndet gefoult wurde. Fairerweise muss man sagen, dass Marsch auf dieser Position nicht viele Optionen auf der Bank hatte, nachdem sich Antoine Bernede erneut einen Schienbeinbruch zugezogen hat. Einzig Majeed Ashimeru wäre ebenfalls im zentralen Mittelfeld zuhause, der Ghanaer ist aber eher für seine offensiven als defensiven Qualitäten bekannt. Liefering-Durchstarter Nicolas Seiwald, der auch als Sechser auflaufen kann, wurde nicht für den Champions-League-Kader gegen Lok Moskau nominiert.

Überhaupt sorgte Marsch an diesem Abend für die eine oder andere Überraschung. Mit Dominik Szoboszlai und Enock Mwepu auf den Außenpositionen ließ der "Bullen"-Coach Salzburg erstmals in dieser Saison ohne einzigem "richtigen" Flügelspieler auflaufen. Der bereits angesprochene Okugawa sowie Noah Okafor wurden beide erst in der zweiten Halbzeit eingetauscht. Das daraus entstandene 4-2-2-2 spiegelte Lok Moskau im flachen 4-4-2 perfekt, die Russen kochten die "Bullen" zu Beginn gehörig ab.

Rückkehr der Rose-Raute?

"Wir sind von Anfang an im 2-2-2 nicht gut angelaufen, hatten nicht genug Druck für den Gegner und waren nicht aggressiv genug. Dann mussten wir reagieren und auf eine Raute umstellen. Danach hat es gut funktioniert, als wir die Grundordnung gewechselt haben", erklärt Marsch die kuriose Situation, als er mitten des ersten Durchgangs Albert Vallci einen Zettel in die Hand gedrückt und die Systemumstellung so weitergegeben hat. Danach lief die Salzburger Maschinerie vor allem im Pressing deutlich runder, Mwepu und Szoboszlai konnten sich dazu besser in den Zwischenräumen bewegen und mit ihrer Qualität für Gefahr sorgen.

"In den letzten 70 Minuten waren wir viel besser. Es ist schade, dass wir nicht noch zwei Punkte holen konnten. Aber das ist die Champions League, wir müssen 90 Minuten eine Topleistung abrufen, um eine Chance zu haben", betont Marsch. Insgesamt dürfte der US-Amerikaner aber kein allzu großer Freund der Raute sein. Nach seiner Amtsübernahme von Marco Rose, der mit der Mittelfeld-Raute rund um Samassekou, Schlager, Haidara und Wolf Riesen-Erfolge feierte, radierte Marsch diese Grundausrichtung schnell aus. Das letzte Mal, als die Salzburger auf eine Raute zurückgriffen, liegt über ein Jahr zurück. Beim 3:4 gegen Liverpool an der Anfield Road stellte Marsch beim Stand von 0:3 ebenfalls per Ingame Coaching auf die Raute um und wurde mit einem tollen Comeback sowie dem zwischenzeitlichen 3:3 belohnt.

Marschs Flexibilität zeichnet ihn aus, der US-Amerikaner ist in Zukunft aber gut darin beraten, seine Mannschaft von Beginn an perfekt aufzustellen. Gegen Gegner wie die Bayern oder Atletico werden die "Bullen" nicht so schadlos mit taktischen Unsauberkeiten davonkommen.

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