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Ex-Salzburg-Akademieleiter: "Nur Gegenpressing zu wenig"

Percy van Lierop geht die Technik in der Nachwuchsausbildung des FC Red Bull Salzburg ab. Gegen Twente sieht er die "Bullen" dennoch als Favorit.

Ex-Salzburg-Akademieleiter: Foto: © GEPA

Jahrelang hatten Niederländer beim FC Red Bull Salzburg das Sagen.

Mit Co Adriaanse, Huub Stevens und Ricardo Moniz gab sich zwischen 2008 und 2012 ein niederländischer Trainer nach dem nächsten das Trainerzepter in die Hand. Die Mozartstädter Spielweise war damals klar von der niederländischen Fußballschule geprägt.

Und auch bei der Talenteausbildung war es ein Niederländer, dem Dietrich Mateschitz vertraute: Percy van Lierop.

2012 war Salzburgs "orangene" Ära schließlich vorbei, die deutsche Pressingschule von Ralf Rangnick war plötzlich und ist nach wie vor jene, nach der sich die komplette Klubphilosophie ausrichtete. Alle Niederländer mussten den Verein verlassen.

Nun, zwölf Jahre später, ist "Oranje" in mehrfacher Hinsicht zurück in der Mozartstadt. Der Niederländer Pep Lijnders wurde zu dieser Saison als neuer Cheftrainer angeheuert. Passend dazu, bestreiten die "Bullen" ihr Auftaktmatch in der Champions-League-Quali gegen den niederländischen Verein Twente Enschede (Dienstag, 20:45 im LIVE-Ticker>>>).

LAOLA1 hat dies zum Anlass genommen, mit dem letzten Niederländer in Salzburg vor Lijnders zu sprechen. Percy van Lierop spricht über die Fehler in der Salzburger Talenteausbildung, seine Meinung über Pep Lijnders und die Stärken Twente Enschedes:

(Text wird unter dem VIDEO fortgesetzt)

"Spieler nur über das Gegenpressing zu entwickeln, ist schwierig"

Dass so lange kein Niederländer mehr in Salzburg tätig war, ist für van Lierop damit zu erklären, "dass der Fußball für Niederländer eine gewisse Romantik hat. Vielleicht war die in Salzburg in den letzten Jahren weniger vorhanden".

Was er damit genau meint? "Ich denke, dass sie jetzt gesehen haben, dass es - mit allem Respekt - schwierig ist, Spieler nur über Gegenpressing zu entwickeln und so zu erfolgreichen Mannschaften zu kommen. Für uns Holländer geht es nicht nur um das Momentum von heute. Wir glauben, dass man Spieler vor allem entwickeln muss."

Bernhard Seonbuchner (aktuell Sportdirektor in Salzburg) und Percy van Lierop. Der eine war damals Akademie-Trainer, der andere Akademie-Leiter.
Foto: © GEPA

Dies sei Salzburg mit seinen Eigenbauspielern in den letzten Jahren nicht gut genug gelungen. "Sie haben Spieler gekauft, ihnen eine Plattform gegeben und sie verkauft, anstatt, dass die Entwicklung im Vordergrund gestanden ist", so van Lierop.

Lijnders' Verpflichtung könnte laut Meinung des 49-Jährigen ein Schritt in eine neue Richtung, weg vom purem Pressing zu einer mehr am Ballbesitzfußball orientierten Philosophie, sein: "Es geht immer um das Gesamtpaket und ich denke, dass der Pepijn ein Trainer ist, der alle dominanten Phasen vom Spiel in seinem Rucksack hat. Und ich denke auch, dass der Nachwuchs dadurch besser Anschluss findet."

In den Niederlanden habe Lijnders "einen guten Ruf als Entwicklungstrainer", er habe unter Jürgen Klopp "unglaublich viel gelernt".

"Ich gehe ins Stadion, um Rivaldo anzuschauen und nicht den Trainer"

Van Lierop, das muss man über den charismatischen Niederländer wissen, ist ein Mann, der von seiner Idee vom Fußball vollends überzeugt ist. Er steht für eine Talententwicklung ein, die sich vor allem über eine hervorragende technische Ausbildung definiert. "Die Technik wird immer das A und O bleiben", sagt er. Seine Visionen darf er momentan unter anderem als "Direktor der Fußballentwicklung" der sehr ambitionierten DSM Akademie Oststeiermark ausleben.

Was er unter van Lierop im Speziellen mitnahm, wurde Xaver Schlager, der als Elfjährige unter dessen Fittiche genommen wurde, einmal in einem LAOLA1-Interview gefragt: "Technik. Das war extrem wichtig, ich habe gelernt mit dem Ball richtig umzugehen, Pässe zu spielen, verschiedene Passarten und Tricks. Da geht es um effiziente Technik und das war richtig gut."

"Generell würde ich sagen, ist es die Kunst und auch die Aufgabe von Trainern und Sportdirektoren, dass sie dafür sorgen, dass Spieler, die das Publikum sehen möchten, funktionieren."

Percy van Lierop

Mittlerweile stehen in der Red Bull Akademie freilich andere Tugenden im Vordergrund. Dies hat zum einen zur Folge, dass absolute Laufmonster wie Konrad Laimer, Nicolas Seiwald oder eben Xaver Schlager und viele, viele mehr Jahr für Jahr im österreichischen Profifußball aufschlagen, zum anderen aber auch, dass ein Supertalent wie Leon Lalic, den vor allem eine hervorragende Technik auszeichnet, den Verein im Vorjahr in Richtung Manchester City verließ, weil er nicht in die Philosophie passte.

Die Causa Lalic kann und will van Lierop mangels Einblicken nicht beurteilen, nur so viel sagt er dazu: "Generell würde ich sagen, ist es die Kunst und auch die Aufgabe von Trainern und Sportdirektoren, dass sie dafür sorgen, dass Spieler, die das Publikum sehen möchten, funktionieren. Louis van Gaal hat mal gesagt, dass Rivaldo irgendwann Barcelona verlassen müsste. Und ich habe gesagt: 'Ich gehe ins Stadion, um Rivaldo anzuschauen und nicht den Trainer.' (tatsächlich verließ Rivaldo 2002 wegen van Gaal Barcelona, Anm.)".

Kommt die technische Ausbildung in Salzburg zu kurz?

In der Salzburger Akademie werde seiner Meinung nach zu wenig auf die technische Komponente gesetzt, "aber das ist nicht nur in Salzburg so. Ich glaube, dass viele Klubs dem Technischen viel zu wenig Aufmerksamkeit geben".

"Der Spieler, der in der Champions League den Unterschied macht, macht wegen seiner Technik den Unterschied. Viele Spieler treffen eine gute Entscheidungen, können sie aber nicht ausführen. Wenn man eine richtige Entscheidung trifft, ist die Ausführung doch der Schlüssel. Deshalb wird die Technik am Ende das Wichtigste bleiben", so van Lierops Appell an alle Fußballausbildenden.

Baumgartner scheiterte gegen die Türkei nur knapp am Torerfolg
Foto: © getty

Dies sei auch der Grund, warum die stark von der Red-Bull-Schule geprägte ÖFB-Elf bei der EURO 2024 im Achtelfinale gescheitert sei, ist sich van Lierop sicher.

Er habe sich zwar gefreut, dass Österreich, jenes Land, in welches er vor 19 Jahren zog und welches er liebe, so stark performt hat, "aber ich muss auch ehrlich sagen: Wenn du die richtige Entscheidung triffst, aber am Ende des Tages die technische Qualität nicht auf dem Niveau ausführen kannst, dann scheiterst du - das gilt übrigens auch für Holland".

Im Falle Österreichs führt er Christoph Baumgartners vergebene Kopfballchance in der letzten Spielminute gegen die Türkei als Beispiel für seine Argumentationslinie an: "Das ist eine technische Handlung. Ja, es müssen viele Komponenten passen, aber am Ende geht es dann doch um die technische Ausführung."

Auch die Niederlande seien aus ähnlichen Gründen nicht weiter als bis ins Halbfinale gekommen: "Wenn ich Arjen Robben von früher hernehme: Er ist nach innen gegangen und hat das Schlenzer-Tor gemacht, hat so vielleicht 300 Tore geschossen. Heute sehe ich niemanden bei Holland, der alleine die Festheit beim Schuss hat. Auch dort hat die Technik ein bisschen abgebaut."

Das waren Salzburgs bisherige CL-Quali-Anläufe

Twente? "Salzburg wird mehr Qualität haben"

Van Lierop durfte während der EURO bekanntlich auch ein Spiel zwischen seinem Geburtsland und seiner Wahlheimat bestaunen. Das nächste österreichisch-niederländische Duell wartet mit dem Besuch Twente Enschedes in Salzburg schon am Dienstag.

Twente habe in den letzten Jahren den Schlüssel gefunden, um wieder den Anschluss an die Spitze der Eredivisie herzustellen, führt van Lierop aus: "Ruhe im Klub und ein gutes Management."

Dazu kommt mit Joseph Oosting ein Coach, "der ein No-Nonsense-Mann ist. Ein Arbeiter, der aus dem Prozess kommt. Es ist kein Zufall, dass, wenn solche Leute aufeinanderstoßen und den FC Twente zentral stellen, der Erfolg eintritt".

Salzburg habe deutlich größere finanzielle Möglichkeiten als Twente und sei deshalb Favorit, so van Lierop: "Aber Twente wird einen Plan haben. Ich glaube auch, dass die Spieler bei Twente im Team denken können. Es wird, denke ich, ein interessantes Spiel. Aber am Ende glaube ich schon, dass Salzburg mehr Qualität haben wird."


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