Endstand
3:3
1:2, 2:1
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Kommentar: Salzburg ist endlich wieder Salzburg

Die "Bullen" haben unter Pep Lijnders zu ihren alten Tugenden zurückgefunden - mit all den zugehörigen Vorteilen und Nachteilen.

Kommentar: Salzburg ist endlich wieder Salzburg Foto: © GEPA

Es war wild, es war teils naiv und es war bis zum Schluss spannend. Vor allem aber: Es hat Spaß gemacht zuzusehen.

Gemeint ist freilich der Aufstieg des FC Red Bull Salzburg ins Playoff der Champions-League-Qualifikation, der dank eines 3:3-Remis gegen Twente Enschede am Dienstag fixiert wurde (Spielbericht>>>).

Damit liegt das fünfte Pflichtspiel der Ära Pepijn Lijnders hinter uns und es ist Zeit, ein erstes Zwischenfazit der Amtszeit des Niederländers zu ziehen.

(Text wird unter dem VIDEO fortgesetzt)

Lijnders: "Pressing ist die offensivste Idee im Fußball"

Was sich schon jetzt andeutet: Salzburg dürfte mit Lijnders einen Goldgriff getätigt haben.

Die langjährige rechte Hand Jürgen Klopps macht bei seinem zweiten Anlauf als Cheftrainer eines Fußballvereins bisher eine gute Figur - Menschlich, insbesondere aber - und natürlich viel wichtiger - sportlich.

Salzburg hat in der noch jungen Saison gefühlt bereits so viel Spektakel geboten wie in den zwei Jahren des pragmatischen (aber gleichzeitig äußerst erfolgreichen) Matthias Jaissle an der Seitenlinie plus der verkorksten Vorsaison nicht.

Bereits beim Saisonstart im ÖFB-Cup gegen Dornbirn sowie beim Bundesliga-Auftakt gegen den GAK deuteten die "Bullen" an, zu was sie in dieser Saison imstande sein könnten. Das Twente-Doppel sowie die Gala-Vorstellung gegen Blau-Weiß Linz ließen unter den Mozartstädter Anhängern nun aber so richtig Appetit auf die neue Saison aufkommen.

Das Pressing ist wieder ähnlich hoch und aggressiv wie in den Anfangstagen der "Rangnickschen" Red-Bull-Ära, die vor rund einem Jahrzehnt den Gegenpressing-Wahn in ganz Fußball-Österreich losgetreten hat. Ähnlich spektakulär ist das Mozartstädter Auftreten im Ballbesitz: Zielgenaue Kombinationen über mehrere Stationen, Dauerdruck gegen tiefstehende Gegner und technische Gustostückerl der Offensivkräfte gehören aktuell zur Tagesordnung.

"Ich sage immer: Pressing ist die offensivste Idee im Fußball. Wenn wir das mit Ballbesitz hoch in der gegnerischen Hälfte kombinieren, können unsere Spieler ihr Talent und ihren Mut zeigen", erklärt Lijnders nach dem Spiel in Enschede. "Ich mag diese Kombination."

Das waren Salzburgs bisherige CL-Quali-Anläufe

Salzburger wollen "jede Minute attackieren"

Die Partie in Enschede war eine, in der bei weitem nicht alles nach Lijnders' Wunsch lief. Die erzielten Tore taten dies aber sehr wohl.

Treffer Nummer eins und drei passierten jeweils unmittelbar nach einem Ballgewinn; binnen weniger Sekunden und noch weniger Kontakten zappelte der Ball im gegnerischen Netz.  Das Tor zum zwischenzeitlichen 2:0 resultierte hingegen aus einer traumhaften Kombination aus der eigenen Hälfte heraus.

Wie ist diese Leistungssteigerung unter Lijnders zu erklären, Amar Dedic? "Wir sehen einfach, was für eine Qualität das ganze Trainerteam - nicht nur der Trainer - mitbringt. Sie haben einen neuen Spielstil, ein neues Verlangen von uns mitgebracht: Dieses aggressive Spielen, was wir seit dieser Saison jetzt wieder in der Mannschaft trainieren. Ich finde, man sieht das Ergebnis auf dem Platz."

Man wolle "einfach mehr und mehr Tore machen, das ist in unserer DNA. Wir wollen jede Minute attackieren", so der Bosnier.

Was das Beeindruckendste an diesem neuen, gleichzeitig aber auch altbekannten Salzburger Gesicht ist: Lijnders gelang dieses Facelifting bis dato ausschließlich mit Feldspielern, die bereits in der Vorsaison im Kader standen (und dabei teilweise deutlich unter den Erwartungen blieben).

Große Einkäufe blieben bisher aus. "Training ist unser bester Transfer", betont Linders immer wieder. Dies kann man freilich als Floskel abtun, ganz aus der Luft gegriffen ist diese Ansage aber nicht.

"Unglaublich guter" Yeo einer der größten Profiteure

Tatsächlich erreichten gleich mehrere Spieler seit der Trainingsübernahme durch den Niederländer - unter anderem aufgrund der Systemumstellung auf ein 4-3-3 - ein sichtbar höheres Niveau.

Die prominentesten Beispiele dafür heißen Mads Bidstrup, Nene Dorgeles und Adam Daghim. Neuerdings hat sich mit Moussa Yeo noch ein weiterer Kicker in diese Auflistung hinzugesellt.

Scharfschütze Yeo ist einer der Lieblingsschüler Lijnders'
Foto: © GEPA

Dass der Malier eine solch entscheidende Rolle in der "Bullen"-Mannschaft spielen würde, war vor der Saison nicht zwingend abzusehen. Yeo ist "schon" 20 Jahre alt und konnte beim FC Liefering durchaus immer wieder aufzeigen, der Sprung zum Stammspieler in der ersten Salzburger Mannschaft schien aber weit entfernt. Mittlerweile weiß man, dass Yeo bisher stets falsch, nämlich im zentralen Mittelfeld, eingesetzt wurde.

In der offensiven Dreierreihe kommen die Qualitäten des kleingewachsenen Dribblanskis schlicht viel besser zur Geltung. Zunächst wurde Yeo am Flügel aufgeboten, gegen Twente schließlich als falscher Neuner ausprobiert. Im Hinspiel noch als Einwechselspieler, als welcher ihm ein Assist gelang, im Rückspiel schließlich von Beginn an - Tor inklusive.

"Yeo war unglaublich gut. Was für ein Spiel er gespielt hat...", schwärmt Lijnders nach der Partie. Der wochenlange Ausfall von Karim Konate scheint längst in Vergessenheit geraten zu sein.

Der Hurra-Fußball hat auch seine Schattenseiten

"Wir schenken Ecken und Momente her und lassen die Teams so oft zurück ins Spiel."

Pep Lijnders

Kommen wir nun zum Aber. Neben den vielen positiven Aspekten, die die Rückkehr zum "alten" Salzburger Spielstil mit sich bringt, gibt es auch einige negative Punkte zu beanstanden.

Mit dem Spektakel hat auch die defensive Anfälligkeit in der Mozartstadt wieder Einzug gefunden. Nachdem man sich diesbezüglich zuletzt stabilisieren konnte, zeigte man in bisher allen Pflichtspielen (mit Ausnahme des ÖFB-Cups) Schwächen in der Abwehr. Speziell auf der internationalen Bühne könnten diese zum Verhängnis werden.

Mit ihrer naiven Hurra-Herangehensweise scheiterten die Mozartstädter in der Vergangenheit schon oft an abgekochten Gegnern. Basel, Malmö, Roter Stern - die Liste ließe sich endlos fortführen. Auch gegen Twente wurde man beinahe dafür bestraft.

"Sind wir schon dort, wo wir sein wollen? Natürlich nicht, weil sonst hätten wir hier in Enschede nicht gelitten. Wir schenken Ecken und Momente her und lassen die Teams so oft zurück ins Spiel", ist sich Lijnders dieses Umstands bewusst.

Standards erst gar nicht zulassen

Gegen Twente kassierten die Salzburger über beide Spiele hinweg gesehen nicht weniger als als drei Gegentore nach gegnerischen Standards - auch das weckt Erinnerungen an frühere internationale Scheitern.

Wie diese Anfälligkeit bei ruhenden Bällen abgestellt werden soll? Ganz einfach, indem man gegnerische Standards erst gar nicht zulässt: "Wir wollen sie vermeiden. Wir wollen länger in Ballbesitz bleiben, besser pressen und länger in der gegnerischen Hälfte bleiben. Die Hauptidee ist, den Gegner weit von unserem Tor wegzuhalten", so Lijnders.

Kurzum: Was der Niederländer in seiner erst kurzen Amtszeit bisher bewegt hat, ist mehr als beachtlich. Salzburg spielt wieder jenen Fußball, in welchen sich viele Anhänger vor über einem Jahrzehnt verliebten, und welcher zuletzt vermisst wurde.

Perfekt ist der Lijndersche Kick aber bei weitem noch nicht. Bereits in einer Woche wartet mit dem Champions-League-Playoff der nächste richtige Härtetest.

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