Pep Lijnders erster Auftritt in seinem neuen Wohnzimmer endet mit nur einem einzigen jubelnden Holländer - ihm selbst.
Gegen seine Landsmänner von Twente Enschede fährt der 41-Jährige mit seinem FC Red Bull Salzburg einen 2:1-Hinspielsieg in der dritten Runde der Champions-League-Qualifikation ein (Spielbericht>>>) und bringt sich damit in eine gute, aber nicht perfekte Ausgangsposition für einen Einzug ins Playoff.
Die "Bullen" zeigten bei ihrem ersten Heimspiel der neuen Saison viele Tugenden, die von Lijnders bei seinem Amtsantritt versprochen wurden, zollten schlussendlich aber einmal mehr in einem CL-Quali-Spiel ihrer Naivität Tribut.
"Ich habe die ganze Performance geliebt. Es war wirklich, wirklich gut", schwärmt Lijnders gegenüber "ServusTV" nach seiner Heimpremiere.
Dass der Vorsprung für das Rückspiel schlussendlich nicht so groß ist, wie er kurz vor Abpfiff noch war, ist für den Niederländer nebensächlich. "Das absolut Wichtigste ist, dass wir das Spiel gewonnen haben. Das war, was wir gewollt haben. Es hat sich nicht viel geändert", so Lijnders auf der Pressekonferenz nach dem Spiel.
Altbekannte Salzburger Tugenden sind zurück
(Text wird unter dem VIDEO fortgesetzt)
Tatsächlich boten seine Mozartstädter an diesem Salzburger Sommerabend Vieles, was man als jemand, der es mit den Mozartstädtern hält, lieben kann.
Das Gegenpressing wirkte wieder so, wie man es von "früher" kennt - enorm intensiv, unerbittlich und vor allem effektiv. Im Spiel mit dem Ball agierten die Salzburger zudem sehr kreativ; immer wieder brachte man sich in vielversprechende Situationen, die allerdings oftmals zu umständlich gelöst wurden.
"Wir wollten heute zeigen, wer wir sind", so Lijnders: "Über allem steht das Gefühl, dass wir unser Spiel spielen konnten; die Menge der hoch gewonnenen Bälle, wie wir das Spiel aufgebaut haben, wie wir Zweifel beim Gegner kreieren konnten. Ich bin glücklich mit den Jungs, mit ihrer Überzeugung. Das Stadion hat gefühlt, wie sehr es die Jungs wollten. Das war das Wichtigste für mich."
Tatsächlich war es eindrucksvoll, wie sehr die "Bullen" Twente, immerhin Dritter der vergangenen Eredivisie-Saison, über weite Strecken der Partie dominierten.
Erneute defensive Mängel
Über 90 Minuten gelang es ihnen allerdings nicht, die "Tukkers" in Schach zu halten. Speziell in der wilden Anfangsphase, die mit einigen Toren auf beiden Seiten enden hätte können, waren die am Freitag gegen den GAK offenbarten Defensivschwächen erneut deutlich auszumachen.
"Sie haben in den ersten zehn Minuten sofort gegen unsere hohen Außenverteidiger gekontert, als wir unnötige Ballverluste hatten. Aber danach hat man ein Team gesehen, das gezeigt hat, was es will", so Lijnders, der zur Pause den jungen Innenverteidiger Hendry Blank mit Oberschenkelproblemen aus dem Spiel nehmen und durch Kamil Piatkowski ersetzen musste. Danach wirkten die Mozartstädter defensiv deutlich sattelfester.
Dass es schlussendlich doch noch im Kasten von Neo-Kapitän Janis Blaswich klingelte, ist einer unglücklichen, gleichzeitig aber vermeidbaren Situation kurz vor Schlusspfiff anzukreiden.
Die Fehlerkette chronologisch: Nach einem schlecht zur Mitte geklärten hohen Ball durch Aleksa Terzic begeht Amar Dedic ein ungeschicktes Foul kurz vor dem Sechzehner. Der anschließende Freistoß Michel Vlaps landet (wohl nicht unhaltbar) im Tormanneck Blaswichs.
"Die Sicht war etwas versperrt", hadert der Deutsche nach dem Spiel. "Aber sowas passiert, dass man einen frisst. Es ist sehr schade, weil wir die zweite Halbzeit eigentlich unter Kontrolle hatten und wenig bis gar nichts zugelassen haben. Trotzdem ist die Ausgangsposition sehr positiv."
Wiederholt sich die Salzburger CL-Quali-Geschichte?
"Das Stadion wird brennen, die Stimmung wird gut sein. Darauf müssen und werden wir vorbereitet sein."
Als positiv ist die Ausgangsposition tatsächlich zu bezeichnen.
Sie ist aber ähnlich gefährlich wie so manche Ausgangsposition, in welcher sich die Mozartstädter in ihren vielen (missglückten) Versuchen in der Champions-League-Quali schon öfter befunden haben - knapper Heimsieg im Hinspiel trotz völliger Dominanz, Rückspiel in einem Hexenkessel, in welchem schonmal die Nerven zu flattern beginnen können. Stichwort: Malmö.
30.000 fanatische Niederländer werden sich kommenden Dienstag im De Grolsch Veste einfinden und akustisch alles dafür geben, dass Twente und eben nicht Salzburg ins Playoff einzieht. "Das Stadion wird brennen, die Stimmung wird gut sein. Darauf müssen und werden wir vorbereitet sein", warnt Blaswich, der vier Jahre als Eredivisie-Legionär tätig war.
Es ist wohl davon auszugehen, dass Twente vor eigener Kulisse und mit dem Momentum des späten Anschlusstreffers ein deutlich anderes Gesicht als in der Red Bull Arena zeigen wird. Am Dienstag waren die "Tukkers" den jungen "Bullen" doch deutlich unterlegen; es war durchaus ein Klassenunterschied zu erkennen.
Das waren Salzburgs bisherige CL-Quali-Anläufe
"Müssen uns das Recht verdienen, in die nächste Runde einzuziehen"
Unterschätzt werden sie vor dem Rückspiel vonseiten der Salzburger mit Sicherheit aber nicht werden. Dafür sorgt Lijnders höchstpersönlich: "Ich bin zuletzt fünf Mal in der Champions League dabei gewesen und habe dabei gegen viele Teams gespielt, die in vielen Aspekten ähnliche Qualitäten wie Twente haben. Wir müssen sie auf dem höchsten Level respektieren und uns mit allem wappnen, was wir haben."
Er weiß: "Wir müssen uns das Recht verdienen, in die nächste Runde einzuziehen."
Wie das gelingen soll? "Indem wir dort hinfahren und das Spiel in unsere Richtung bringen. Auch mit einem ganzen Stadion gegen uns müssen wir bereit sein für weitere 90 Minuten hochintensiven Fußballs."
Der Beweis dafür, Salzburg "hochintensiv", nach zuletzt drei Saisonen mit einer etwas gemäßigteren Herangehensweise, noch kann, wurde am Dienstag immerhin schonmal geliefert - kein Wunder mit Lijnders an der Seitenlinie, dessen 2022 veröffentlichtes Buch den Titel "Intensity" (zu Deutsch "Intensität") trägt.
Und hochintensiv soll es auch bleiben. "Wir können es nicht erwarten, Fußballspiele zu spielen. Das ist für uns das Wichtigste", brennt der Niederländer bereits auf die nächsten Aufgaben.