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"Unverdient!" Salzburg nach Pleite mehr stolz als traurig

Die Mozartstädter agierten gegen ein Weltklasse-Team aus London in einer wichtigen Statistik auf Augenhöhe. Einzig zwei Traumtore machten den Unterschied.

Foto: © GEPA

Beim FC Salzburg ist man sich nach der knappen Heimpleite am fünften Spieltag der UEFA Champions League gegen den FC Chelsea (Spielbericht>>>) uneinig.

"Am Ende haben wir das Spiel in unseren Händen gehabt. Schlussendlich muss man sagen: Unverdient verloren", findet etwa Noah Okafor.

Teamkollege Strahinja Pavlovic ist konträrer Meinung: "Chelsea hat das Spiel kontrolliert, hatte mehr Chancen. Wir haben versucht, ihnen weh zu tun, aber heute haben sie es verdient zu gewinnen."

Die Wahrheit dürfte irgendwo dazwischen liegen. Fakt ist nämlich, dass die "Blues" die Partie in der Red Bull Arena mit 71 Prozent Ballbesitz sowie fast fünf Mal mehr angebrachten Pässen dominierten und in Halbzeit eins gleich mehrere Sitzer liegen ließen.

Die oftmals deutlich aussagekräftigere Statistik der Expected Goals wirft allerdings ein anderes Licht auf das Spiel: Mit 1,30 zu 1,30 an erwarteten Toren hätte die Partie eigentlich mit einem Unentschieden enden müssen - allerdings gilt es auch zu erwähnen, dass der Expected-Goals-Wert von Chelsea auch deshalb so niedrig ist, weil beide Londoner Treffer aus Abschlusspositionen fielen, aus denen statistisch normalerweise wenige Tore zu erwarten sind.

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"Halbzeit eins nicht komplett schlecht"

Auch Matthias Jaissle spricht auf der Pressekonferenz nach der Partie von "einer engen Partie, das zeigen auch die Statistiken. Ich glaube, solche Spiele wie heute haben wir in der Vergangenheit immer wieder gezeigt und konnten dabei zumindest mit einem Punkt nachhause fahren."

Entscheidender Nachsatz: "Aber wir hatten halt diese Phase in Halbzeit eins, die nicht so gut war."

Dabei begann die Partie für die Mozartstädter eigentlich vielversprechend. Jaissle baute die erste Pressinglinie seiner Salzburger als Antwort auf die Dreierkette von Chelsea so um, dass die drei Londoner Innenverteidiger Chalobah (von Kjaegaard angelaufen), Thiago Silva (Okafor) und Cucarella (Adamu) jeweils einen direkten Gegenspieler vor der Nase hatten, der sie mit hohem Tempo anpresste.

So konnten die Mozartstädter in den ersten 20 Minuten gleich mehrere tiefe Ballgewinne verbuchen, einzig die Umschaltmomente hauten nicht immer so wie geplant hin.

"Ich würde die erste Halbzeit gar nicht als komplett schlecht bewerten, bis zum Gegentor war das gut. Wir hatten viele frühe Ballgewinne, aber leider haben wir es dann nicht geschafft, den Mut und die Aggressivität auf der hohen Pressinglinie über die komplette Halbzeit beizubehalten. Demzufolge haben wir Chelsea Dominanz generieren lassen", spricht Jaissle das an, was nach den 20 starken Anfangsminuten geschah.

Kovacic-Traumtor leitete Chelsea-Powerplay ein

Salzburg bekam in der 23. Minute einen hohen Ball auch im wiederholten Versuche nicht aus dem Sechzehner geklärt, Max Wöber tackelte das Spielgerät genau so weg, dass es vor den Beinen von Mateo Kovacic landete und der gebürtige Linzer brachte die Kugel so exakt mit seinem schwächeren linken Fuß im Eck unter, wie es ihm von dieser Position wahrscheinlich noch nie gelang und auch nicht mehr gelingen wird.

Chelsea zog daraufhin ein Powerplay auf und schnürte die Mozartstädter im eigenen Strafraum ein. Auch Großchancen blieben nicht aus, Salzburg-Schlussmann Philipp Köhn vereitelte aber gleich vier davon und rettete Salzburg so in die Pause. Nach Seitenwechsel zogen die "Bullen" schließlich ein komplett neues Gesicht auf.

"Was wir in der zweiten Halbzeit gezeigt haben, macht uns stolz. Weil die Jungs einfach sehen konnten, dass, wenn sie Mut haben und so ein Weltklasse-Team anpressen, selbst solche Spieler mit dieser individuellen Qualität Probleme bekommen", zieht Jaissle den Hut.

Jaissle: "Waren nach dem 1:1 am Drücker"

Die jungen "Bullen", die am Dienstag zu Beginn des Spiels durchschnittlich nur 22 Jahre und zehn Tage jung und damit die fünftjüngste Mannschaft der Champions-League-Geschichte waren, bereiteten den im Schnitt über sechs Jahre älteren Londonern im zweiten Durchgang gehörige Probleme und kamen folgerichtig durch Junior Adamu zum Ausgleich.

Allerdings hielt das 1:1 nicht lange, da diesmal Kai Havertz einen Kunststoß ins Kreuzeck produzierte und Chelsea so schlussendlich zum Auswärtssieg schoss.

Jaissle knirscht: "Dass die Tore zu dem Zeitpunkt fallen, an dem sie gefallen sind, ist unglücklich, weil das diese Minuten waren, in denen wir gut in der Partie waren. Gerade nach dem 1:1 waren wir echt am Drücker, da war das Momentum auf unserer Seite."

Für unvermeidbar hielt der Deutsche die beiden Weltklasse-Treffer allerdings nicht: "Wenn du ein Tor kriegt, kannst du es immer irgendwo besser machen. Aber man muss auch anerkennen, dass da individuelle Klasse am Platz steht, die nicht viele Mannschaften in Europa haben. Damit, dass dann einer mal einen ansatzlos in den Knick haut, musst du halt leben."

Sucic: "Können uns nichts vorwerfen"

Überhaupt zeigt der 34-Jährige großen Respekt vor dem wiedererstarkten FC Chelsea. Seine erste Heimpleite als Salzburg-Coach überhaupt und das Ende der seit Dezember 2020 anhaltenden Ungeschlagenen-Serie der Mozartstädter in der Red Bull Arena bekamen die "Bullen" von einem "unglaublich starken Gegner" eingeschenkt, so Jaissle.

Und Luka Sucic findet: "Wir können uns nichts vorwerfen. Mit so einer jungen Truppe gegen so eine Topmannschaft zu verlieren, ist keine Schande. Natürlich schmerzt es, weil es ein ausgeglichenes Spiel war. Aber im Großen und Ganzen sind wir nicht traurig, dass wir gegen so eine Topmannschaft verloren haben."

Jaissle sieht das ähnlich: "Ich bin stolz auf meine Mannschaft, weil sie über 90 Minuten Paroli bieten konnte. Speziell die zweite Halbzeit hat gezeigt, dass wir als jüngste Mannschaft des Bewerbs auch so einen Gegner vor Probleme stellen können, wenn wir unseren Fußball auf den Platz bringen und Mut haben. Das stimmt mich positiv für die Zukunft."

Sieg gegen Milan Pflicht! "Wird ein Alles-oder-Nichts-Spiel"

Diese Zukunft führt die "Bullen" nächste Woche nach Mailand, ins legendäre San Siro. Nur mit einem Sieg können die Mozartstädter zum zweiten Mal in der Klubgeschichte ins Champions-League-Achtelfinale einziehen, bei einem Remis wäre unabhängig vom Parallelspiel zumindest der Europa-League-Umstieg fix.

"Das wird ein Alles-oder-Nichts-Spiel. Wir fahren natürlich hin, um unseren Fußball wieder auf den Platz zu bringen – hoffentlich diesmal über 90 Minuten. Dann schauen wir, was am Ende dabei rauskommt", blickt Jaissle dem nächstwöchigen Mittwoch mit Vorfreude entgegen.

Kann Salzburg sein Gesicht aus der zweiten Halbzeit aus dem Chelsea-Spiel aufziehen, stehen die Chancen jedenfalls nicht schlecht, dass auch im Frühjahr 2023 die Champions-League-Hymne in der Red Bull Arena erklingt - und damit auch der am Dienstag mit einer Jubelminute geehrte Dietrich Mateschitz nochmal stolz herunter schauen darf.

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