Der FC Salzburg steht wieder mit leeren Händen da!
Statt fünf Punkten aus drei Spielen in der Champions League, die mit einem Sieg gegen Lok Moskau und jeweils einem Remis gegen Atletico und die Bayern locker möglich gewesen wären, liegen die "Bullen" mit nur einem Zähler nach drei Runden am Ende der Tabelle der Gruppe A und stehen nach der Halbzeit vor dem Aus in der "Königsklasse".
Die Gründe für die schwache Ausbeute sind vielschichtig und auch selbstverschuldet, nach drei Runden muss man aber festhalten: Salzburg wurde zumindest teilweise verpfiffen.
Nach der 2:6-Niederlage gegen die Bayern (Spielbericht>>>) hat "Bullen"-Coach Jesse Marsch die Schnauze voll und redet sich angesprochen auf die Schiedsrichter-Leistung in Rage.
Marsch tobt wegen Schiedsrichterleistung
"Es ist das gleiche wie letztes Jahr auch. Wir sind klein, wir müssen uns mehr verdienen - das weiß ich. Aber wenn wir in den entscheidenden Momenten keine Entscheidungen für uns bekommen, macht es viele Dinge schwieriger. Ich habe in meiner ganzen Zeit hier nichts über Schiedsrichter gesagt. Nichts! Aber heute muss man sagen, es war nicht gut", tobt der US-Amerikaner bei "Sky".
Doch was war geschehen? Von Anfang an: Bereits beim Auftakt gegen Lok Moskau mussten die "Bullen" eine zumindest strittige Schiedsrichter-Entscheidung hinnehmen. Referee Serdar Gözübüyük - ein genau so wie Danny Makkelie, der die Partie der Salzburger gegen die Bayern gepfiffen hat, junger, international eher unerfahrener holländischer Schiedsrichter - übersah einen Tritt gegen das Schienbein von Masaya Okugawa von Lok-Angreifer Francois Kamano vor dem 2:2 und konnte sich auch nicht überwinden, sich die Situation am Bildschirm an der Seitenlinie nochmal anzusehen.
"Wir sind klein und Bayern ist groß"
"Ich weiß, wir sind ein kleiner Verein und Bayern ist ein großer Verein, aber es war das gleiche gegen Lok Moskau. Es war ein Foul an Masaya Okugawa vor dem zweiten Gegentor", hat Marsch die Partie von vor zwei Wochen noch immer nicht verdaut. Auch in der Vorwoche in Madrid gab es zumindest eine diskussionswürdige Szene: Dem 1:0 der Madrilenen durch Marcos Llorente ging ein Aufstützen von Stefan Savic gegen Mergim Berisha voraus. Erneut griff der VAR nicht ein.
Das Fass zum Überlaufen brachte schließlich die Partie gegen die Bayern. Marschs Schimpftiraden auf das holländische Schiedsrichter-Gespann waren aufgrund der Geisterkulisse bis in den Oberrang zu hören, immer wieder musste der US-Amerikaner in seine Coaching-Zone zurückgebeten werden. Mit einer Gelben Karte wurde der emotionale "Bullen"-Coach im Gegensatz zum Vorjahr, als er in den ersten drei Runden jeweils einmal verwarnt wurde, in dieser Saison noch nicht bedacht - auch wenn er gegen die Bayern darum bettelte.
Wurde Salzburg Elfer und Überzahl vorenthalten?
"Ganz ehrlich, ich habe alles versucht für eine Gelbe Karte", gibt Marsch selbst zu. Ein Dorn im Auge waren ihm ganz speziell zwei Szenen: Zum einen eine Aktion von Corentin Tolisso, der nach einer Szoboszlai-Ecke in Minute 24 die Kugel im Strafaum an den ausgestreckten Arm bekam. Zum anderen ein Vergehen an Sekou Koita in Minute 42 von Benjamin Pavard, der nach einer Fast-Notbremse an Dominik Szoboszlai bereits Gelb-verwarnt war. Der Bayern-Rechtsverteidiger senste den malischen Angreifer bei einer Klärungsaktion mit aufgestellter Sohle nieder. Schiedsrichter Makkelie erkannte das Foul an, traute sich aber nicht über die Ampelkarte für den französischen Weltmeister drüber und gab "nur" Vorteil für Salzburg.
"Ich glaube, Pavard kann eine zweite Gelbe bekommen und ich glaube, das (Tolissos Handspiel, Anm.) ist ein Elfmeter", findet Marsch. Auch die Situation vor dem 2:1 der Bayern durch ein Kristensen-Eigentor stand zur Diskussion. In der Halbzeit-Analyse bei "Sky Deutschland" wurde eine Linie eingeblendet, die Robert Lewandowski in der Entstehung im Abseits zeigte.
Marschs Taktik: Zwischen Genie und Wahnsinn
Doch Marsch kann die Schuld an der Niederlage nicht so einfach auf den Schiedsrichter abwälzen, eine taktische Maßnahme des US-Amerikaners kurz vor Schluss könnte den "Bullen" womöglich einen Punktgewinn gegen die Bayern gekostet haben. Zu Spielbeginn griff Marsch, der immer wieder mit verschiedenen Systemen experimentiert, einmal mehr ganz tief in die Trickkiste.
Zum ersten Mal seit seiner Übernahme in der Mozartstadt ließ er die "Bullen" in einem 4-3-3 auflaufen, wobei Sekou Koita den Stoßstürmer gab und mit Läufen in die Tiefe für Gefahr sorgen sollte. Hinter dem Malier waren Mergim Berisha und Dominik Szoboszlai als engstehende Flügel angedacht, die Bälle abschirmen, verarbeiten und Koita in Szene bringen sollten. Das Dreier-Mittelfeld dahinter bildeten außen Zlatko Junuzovic und Enock Mwepu und auf der Sechs Mohamed Camara. Junuzovic und Mwepu wichen dabei in der Rückwärtsbewegung weit auf die Außenpositionen aus und sollten Andreas Ulmer und Rasmus Kristensen beim Verteidigen der gefährlichen Bayern-Flügel Serge Gnabry und Kingsley Coman unterstützen.
Dieser Kniff ging Marsch voll auf, durch die neue Ordnung fanden die "Bullen" dank der technischen Fähigkeiten von Berisha und Szoboszlai viele Räume vor. Zudem konnte Koita mit seiner Geschwindigkeit viele Lücken reißen und die Bayern so vor große Probleme stellen. Auch defensiv sah das Mozartstädter Spiel lange sauber aus, auf Außen wurde stark verteidigt. Innen konnten die Salzburger Linien, die so noch nie miteinander agiert haben, allerdings nicht immer alle Löcher stopfen, weshalb die Münchner vor allem durch die Mitte immer wieder äußerst gefährlich wurden.
Marsch gibt Coaching-Fehler zu
Weniger rühmlich war hingegen Marschs Idee, kurz vor Schluss auf Dreierkette umzubauen und mit Jerome Onguene für Berisha einen Verteidiger anstelle eines Stürmers zum Nach-Hause-Spielen des Unentschiedens zu bringen. "In diesem Moment war das 2:2 ein gutes Ergebnis für uns besonders mit dem Ergebnis von Lok und Atletico. Wir hatten eine Führung gegen Lok und haben ein Gegentor in der zweiten Halbzeit bekommen. Dann hatten wir gegen Atletico eine Führung und haben ein spätes Gegentor bekommen. Wir haben nach diesen zwei Spielen ein bisschen analysiert und uns gedacht: Was, wenn wir noch einen Verteidiger auf den Platz stellen, die Situation so schützen, vielleicht so besser Standards verteidigen und vielleicht auch besser umschalten, wenn wir besser verteidigen", schildert Marsch auf der Pressekonferenz nach dem Spiel die Situation an der Seitenlinie in der 76. Minute.
Dieser Einfall ging so richtig in die Hose: Salzburg verlor im 5-3-2 völlig die defensive Ordnung, was sich bei einem Eckball nur drei Minuten später sofort rächen sollte. Kristensen deckte Jerome Boateng nicht richtig und der Bayern-Hüne köpfte zum 3:2 ein. Marsch versuchte seinen Fehler sofort zu beheben und stellte umgehend auf Viererkette zurück, doch spätestens mit dem 4:2 der Bayern durch Sane war die Moral der Salzburger, die bis dahin aufopferungsvoll kämpften, gebrochen. Beim 5:2 und 6:2 waren die "Bullen" gedanklich schon in der Kabine.
"Das war unsere Strategie dieses Mal und geht total in die andere Richtung. Ich bin nicht zufrieden mit diesem Wechsel. Das dritte Gegentor wieder von einer Ecke zu bekommen, tut uns weh. Das war der entscheidende Moment in diesem Spiel", zieht Marsch eine bittere Champions-League-Schlussanalyse - schon wieder.