Das war sie also, die erste Champions-League-Saison des FC Salzburg.
Jahrelang konnte man nur darüber grübeln, ob die "Bullen" auch im Konzert der ganz Großen mithalten können. Jetzt weiß man: Sie können!
Auch wenn es bei der "Königsklassen"-Premiere nicht für das Achtelfinale gerreicht hat, können sich die Mozartstädter auf die Fahnen schreiben, mit dem FC Liverpool die aktuell wohl beste Klub-Mannschaft der Welt zumindest phasenweise um den Gruppen-Aufstieg zittern gelassen zu haben.
In einem offenen Schlagabtausch in Hälfte eins der attraktiven Partie in der Red Bull Arena (Spielbericht>>>) hätten die Salzburger gut und gerne in Führung gehen können.
"Das Spiel war auf Augenhöhe, wir haben viele Chancen gehabt", trauert Max Wöber einer durchaus möglich Führung nach und erklärt, was schlussendlich den Unterschied gemacht hat:
"Stankovic hat uns in der Partie gehalten"
Den Anpfiff in der Red Bull Arena deuteten die Salzburger als Aufruf zur vollen Attacke. In den ersten Spielminuten überrumpelten die "Bullen" den Premier-League-Leader fast mit ihrer enormen Aggressivität, ließen die "Reds" kaum aus der eigenen Hälfte - und fingen sich nach fünf Minuten fast den ersten Gegentreffer durch Mo Salah.
Cican Stankovic konnte den Abschluss des durchbrechenden Ägypters mit Mühe zur Ecke lenken, es sollte nicht die einzige gelunge Parade des ÖFB-Goalies in diesem Durchgang bleiben. "Cic hat unglaublich gehalten und uns so in der Partie gehalten", weiß auch Wöber.
"Wer in Führung geht, gewinnt"
Aber auch die Salzburger spielten sich immer wieder gefällig vor das Tor, einzig die finalen Entscheidungen im letzten Drittel wurden nicht immer korrekt und mit der notwendigen Überzeugung getroffen. "Es war möglich heute. Wir haben einen unglaublichen Tag gehabt, genau so wie Liverpool, die heute ihren besten Fußball gezeigt haben", findet Wöber.
Der Rekordtransfer der Salzburger glaubt: "Wenn wir 1:0 in Führung gehen, schaut das ganz anders aus. Heute war es so eine klassische Partie, in der die Mannschaft, die das erste Tor macht, gewinnt. Das waren leider nicht wir."
Sein Coach Jesse Marsch stimmt ihm dabei zu: "Das Spiel läuft denke ich anders, wenn wir das erste Tor erzielen."
Marsch: "Besser geht es nicht"
Der US-Amerikaner, der die Partie als "Heavyweight-Fight" beschreibt, sah eine "Superleistung von uns. Ich denke, wir können nicht besser spielen als in der ersten Halbzeit. Nach Genk habe ich der Mannschaft gesagt, wir haben jetzt einen neuen Standard, den müssen wir halten. Und jetzt denke ich, haben wir wieder einen neuen Standard."
"Das was unsere beste Leistung - bis zum Gegentor", spricht Marsch aber auch den Knackpunkt der Partie an.
Bis zur 57. Minute war der feste Glaube der Mannschaft, den für den Aufstieg obligaten Sieg zu erringen, bis in die hinterste Reihe des Oberrangs zu spüren.
"Doppelschlag" bricht Salzburg das Genick
Nach Naby Keitas Führungstreffer und Mo Salahs Todesstoß nur 99 Sekunden später war dieser Glaube gebrochen und mit ihm die Intensität des Salzburger Spiels.
"Dann kommt der Doppelschlag und dann fühlt es sich so an, als ob der Traum einem abhandenkommt. Wir haben es nochmal probiert, aber es ist leider nichts gegangen", beschreibt Wöber diese schwierigen Minuten.
Ab diesem Zeitpunkt rannten die "Bullen" quasi nur mehr hinterher, erst dann war der Klassenunterschied zwischen dem englischen und dem österreichischen Tabellenführer klar ersichtlich.
Der feine Unterschied
Das ist die beste Mannschaft der Welt, die dieses Jahr die Champions League gewonnen hat. Wenn man da nicht einen kleinen Unterschied merkt, würde was falsch laufen.
"Das ist die beste Mannschaft der Welt, die dieses Jahr die Champions League gewonnen hat. Wenn man da nicht einen kleinen Unterschied merkt, würde was falsch laufen. Beide Mannschaften haben heute das absolut Beste zeigen müssen", hält der Innenverteidiger fest.
Nicht umsonst verdienen mit Virgil van Dijk, Sadio Mane und Mo Salah gleich drei der fünf höchstgewerteten Spieler bei der diesjährigen Verleihung des Ballon d'Or ihre Brötchen in Liverpool.
Für Wöber völlig zurecht: "Es sind dann immer wieder diese individuellen Aktionen von den Weltklasse-Spielern, die irrsinnig schwierig zu verteidigen sind. Ein Haken, ein Sprint, eine perfekte Flanke und der Ball ist drinnen. Da kann man sehr wenig machen. Das zweimal – und dann ist der Traum einfach vorbei."
"Raute von Anfield" wurde reaktiviert
Vor allem Mane und Salah stellten die Salzburger vor wenigen Wochen im Hinspiel auf der Insel vor große Probleme und sorgten mit ihrem explosiven Flügelspiel dafür, dass die Anzeigetafel an der Anfield Road nach 36 Minuten 3:0 anzeigte. Marsch reagierte damals mit Ingame-Coaching, überreichte Takumi Minamino einen Zettel und verwandelte das Salzburger System von einem flachen 4-4-2 zu einer Raute im Mittelfeld.
Der Ausgang der Geschichte ist bekannt, Salzburg konnte den Rücktstand noch wettmachen, musste sich am Ende aber dennoch mit 3:4 geschlagen geben. Im Rückspiel in Salzburg stellte Marsch seine "Bullen" von Beginn an in der Raute auf und stellte die "Reds" so vor gehörige Probleme im Spielaufbau.
"Unser Matchplan war heute sehr gut und die Jungs haben diesen auch sehr gut umgesetzt. Gegen die besten Gegner müssen wir immer die Fähigkeit haben, über den ganzen Platz zu laufen und in jeder Situation Druck machen. Mit der Raute funktioniert das ganz gut. Ich denke, heute Abend war die Raute gegen den Ball super", gibt der taktisch extrem versierte 46-Jährige Einblick.
Haaland: "Beste Stimmung, die ich je erlebt habe"
In der mit 29.500 vollbesetzten Red Bull Arena kam die taktische Einstellung der Salzburger auf jeden Fall gut an. Noch drei weitere Male hätte das Stadion in Wals-Siezenheim ausverkauft werden können, vor dem Spiel standen zahlreiche Menschen mit "Suche Karten"-Schildern herum. Auf dem Schwarzmarkt wurden diese zum Teil zu Wucherpreisen von über 500 Euro angeboten.
Und auch während des Spiels war die elektrisierte Stimmung spürbar, vor allem in der ersten Halbzeit wurde wohl ein neuer Lautstärke-Pegel in der Red Bull Arena erreicht.
"Die Stimmung war die beste, die ich jemals erlebt habe", findet auch Erling Haaland. Eines ist jedenfalls klar: Das Salzburger Publikum könnte sich an Spiele gegen die besten Teams der Welt gewöhnen - vor allem wenn diese auf Augenhöhe stattfinden.