Erneut muss nach einer guten Leistung des FC Salzburg im Konzert der ganz Großen über den Schiedsrichter gesprochen werden.
"Es hat für mich heute viele, viele Fifty-Fifty-Momente gegeben, wo bei mir und meiner Mannschaft schon der Eindruck entstanden ist, dass diese zugunsten Inters ausgefallen sind", versucht sich Gerhard Struber nach der knappen Pleite seiner Mozartstädter bei Inter Mailand (Spielbericht>>>) darin, die Leistung vom französischen Schiedsrichter-Team rund um Francois Letexier so zu bewerten, dass es keine Strafe von der UEFA nach sich zieht.
Während des Spiels dürfte sich der Kuchler etwas weniger diplomatisch ausgedrückt haben, als Letexier eine weitere dieser "Fifty-Fifty-Momente" zuungunsten der Mozartstädter Gäste entschied und Struber, nach einem der vielen kleinlichen Foulpfiffe des 34-Jährigen, so lautstark Kritik übte, dass er Gelb sah.
Doch Letexier fiel an diesem Dienstag nicht nur aufgrund seiner Kleinlichkeit auf.
Fiel Salzburg schon wieder um einen Elfmeter um?
"Dann hat es auch eine fragwürdige Szene nach einer Standardsituation gegeben, wo unser Gefühl gewesen wäre, welches auch von den Bildern unterstützt wird, dass ein Spieler gehalten worden ist. Auch hier hätte man möglichweise auch mal eine Elfmeterentscheidung für uns machen können", seufzt Struber.
Konkret geht es dabei um eine Szene in Minute 35, als nach einer Salzburger Ecke gleich zwei "Bullen" zu Boden gingen. Speziell Roko Simic wurde dabei so deutlich von Inter-Verteidiger Alessandro Bastoni zurückgehalten, dass man meinen hätte können, der Italiener hätte seinem Gegenspieler eine innige Umarmung aufzwingen wollen.
"Ich habe den Schiedsrichter gefragt, warum er beim Duell mit Bastoni keinen Elfmeter für uns gegeben hat. Er hat gemeint, dass der Ball nicht zu mir gekommen ist, aber ehrlich gesagt verstehe ich manche Schiedsrichterentscheidungen leider nicht", schüttelt der möglicherweise Gefoulte bei "Sky" den Kopf.
Gegenüber LAOLA1 betont er allerdings: "Er hat mich gehalten, aber der Referee trifft die Entscheidung. Und wenn er nicht Elfmeter pfeift, machen wir einfach weiter und kämpfen bis zum Schluss."
Was man Simic neben dieser reifen Aussage zugute halten musst, ist, dass er nicht theatralisch zu Boden ging, zwar durchaus ein Foulspiel reklamierte, aber grundsätzlich darauf vertraute, dass Letexier gemeinsam mit dem VAR die richtige Entscheidung treffen würde.
Dasselbe lässt sich von Davide Frattesi nicht behaupten. Der italienische Teamspieler von Inter fädelte in Minute 61 geschickt bei Lucas Gourna-Douath ein, ging unter Schreien zu Boden und wälzte sich mit einem Griff auf das Schienbein darauf hin und her. Die Folge war ein Strafstoß, den man geben kann. Aber nicht muss.
Salzburg zu brav für die Champions League?
Der VAR schaltete sich bei beiden Situationen übrigens nicht ein.
Ähnlich ungünstig für Österreichs Meister verliefen die VAR-Checks vor drei Wochen, bei der 0:2-Pleite der Salzburger gegen Real Sociedad, als ein Mozartstädter Elfmeter annulliert wurde, weil Schiedsrichter Bartosz Frankowski beim On-Field-Review die falsche Szene gezeigt wurde, und ein Handspiel von Sociedad-Verteidiger Pacheco im eigenen Sechzehner ohne VAR-Check endete.
Liegt es womöglich auch an den jungen Mozartstädtern selbst, die von der renommierten "Corriere dello Sport" im Vorfeld des Spiels als "Baby Salisburgo" bezeichnet wurden, dass diese VAR-Überprüfungen nicht stattfanden, weil sie zu brav und zu wenig schlitzohrig sind, um diese vehement einzufordern?
"Na klar, das ist sicher ein Punkt. Aber man darf auch nicht vergessen, dass wir sehr, sehr viele junge Spieler haben, die, was solche Dinge betrifft, einfach noch viel lernen müssen", bestätigt Keeper Alexander Schlager, mit 27 Jahren der zweitälteste "Bulle" am Feld.
Mozartstädter Konsens: Es lag nicht am Schiedsrichter
Schnell schiebt der ÖFB-Goalie aber nach: "Aber ich bin der Meinung, dass es nicht an dem gelegen ist. Natürlich kann man und wird man in der ein oder anderen Situation immer Punkte finden, wo man eine andere Entscheidung treffen oder eine klarere Linie finden hätte können. Aber in der Summe hätten wir die Möglichkeiten gehabt, das Spiel anderweitig für uns zu entscheiden."
Zustimmung bekommt er dabei von Luka Sucic. Der Kroate bezeichnet die strittigen Entscheidungen zwar als die Schlüsselszenen des Spiels, will die Schuld aber ebenfalls nicht in die Richtung des Schiedsrichters schieben.
Noch deutlicher wird Maurits Kjaergaard: "Für mich ist nicht der Schiedsrichter schuld. Es lag nur an uns. Wir hätten heute mehr Tore schießen können, und das haben wir nicht gemacht. Ich glaube, dass wir heute drei, vier große Chancen gehabt hätten. Davon müssen wir eine oder zwei machen."
Und auch Coach Struber ist es wichtig zu betonen, "dass ich mich nicht im Ansatz auf den Schiedsrichter rausreden möchte. Das würde der Sache nicht gerecht werden. Meine Jungs haben heute eine richtig gute Performance geliefert. Wir wissen, dass wir in gewissen Details noch zulegen müssen, um auswärts Punkte mitzunehmen. Aber im Grunde ist es heute nicht am Schiedsrichter gelegen, sondern an einer sehr erfahrenen Mannschaft von Inter."
Der Stolz fliegt mit heim
Wenn man hier bei Inter Milano enttäuscht ist, weil man nichts mitnimmt, muss man sehr viel richtig gemacht haben.
Die Mozartstädter verkauften sich gegen den Vorjahrs-CL-Finalisten deutlich teurer, als aufgrund ihrer momentanen Formkrise erwartet und hätten sich - auch abseits der diskutablen Schiedsrichterentscheidungen - einen Punkt verdient gehabt.
Deshalb lautet Strubers Resümee folgendermaßen: "Die Jungs haben es von der ersten bis zur letzten Minute gegen einen sehr starken Gegner richtig gut gemacht. Ich denke, dass mit ein bisschen Matchglück oder bei der ein oder anderen Schiedsrichterentscheidung mehr drinnen gewesen wäre, wenn wir ein bisschen mehr Fortune gehabt hätten."
So steht Salzburg nach Halbzeit der Gruppenphase und trotz eines Traumstarts in Lissabon schon vor dem vorzeitigen Gruppenaus; mit einer Niederlage im Rückspiel gegen Inter in zwei Wochen wären die Aufstiegschancen womöglich schon dahin.
Die Mozartstädter befinden sich außerdem in der ungewohnten Situation, mittlerweile seit vier Pflichtspielen in Folge nicht mehr gewonnen zu haben, nachdem sie auch die Heimreise aus Mailand ohne Sieg im Gepäck antreten. Aber nicht ohne Stolz ob des Geleisteten:
"Wenn man hier bei Inter Milano enttäuscht ist, weil man nichts mitnimmt, muss man sehr viel richtig gemacht haben", so Struber.