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Höjlund: Vom unterschätzten "Keller-Kicker" ins Old Trafford

Als Jugendspieler war Rasmus Höjlund laut seines damaligen Trainers nichts Besonderes. Heute wird der Ex-Sturm-Profi mit Erling Haaland verglichen.

Höjlund: Vom unterschätzten Foto: © getty

"Er war nichts Besonderes. Es gab genug Spieler in seinem Alter, die gleich gut waren. Es gab keinen Moment, wo wir dachten, er wird ein Star", so Christian Mourox, Rasmus Höjlunds Jugendtrainer bei Hörsholm Usseröd IK, zur "Daily Mail".

So kann man sich täuschen. Dem 20-jährigen Dänen gelang in den letzten beiden Jahren ein gigantischer Sprung in der Karriereleiter. "Seine Entwicklung war verrückt, es ging sehr schnell beim ihm", bringt es Landsmann und Sturm-Akteur William Böving gegenüber LAOLA1 auf den Punkt.

Von Kopenhagen aus über Graz und Bergamo landete der Angreifer im Sommer im Theatre of Dreams von Manchester United.

Satte 74 Millionen Euro war er den "Red Devils" wert. LAOLA1 beleuchtet die Geschichte des United-Stars, dessen kometenhafter Aufstieg so manchen überraschte.


Brüder sollen noch "talentierter" sein

Rasmus Höjlund wurde nämlich nie das große Talent nachgesagt. Sein Jugendtrainer Christian Mourox empfand seine beiden zwei Jahre jüngeren Zwillingsbrüder Oscar und Emil als deutlich talentierter.

Auch sie schafften den Sprung in das Profigeschafft. Die 18-Jährigen stehen beim FC Kopenhagen unter Vertrag, jenem Klub, der am Mittwoch in der Champions League Rasmus Höjlund und Manchester United empfängt (ab 21 Uhr im LIVE-Ticker).

Oscar Höjlund könnte am Mittwoch in der Champions League auf Bruder Rasmus treffen
Foto: © getty

Oscar verbuchte für Kopenhagens Profis als Mittelfeldspieler zuletzt immer wieder Kurzeinsätze, wurde sogar im Hinspiel gegen Manchester United im Old Trafford in der 90. Minute eingewechselt.

Er nahm in der kurzen Zeit bereits Einfluss aufs Spiel. Während sein Bruder Rasmus beim Gegner bereits ausgewechselt war, sorgte er mit einer mustergültigen Ablage nach Ecke dafür, dass McTominay gegen Elyounoussi einen Elfmeter verursachte (90+5.). Einen Strafstoß, den Jordan Larrson aber nicht verwertete, und so einen Punktgewinn Oscars gegen seinen Bruder verhinderte.

Ein magischer Champions-League-Abend für die Familie Höjlund. Das veranlasste Rasmus sogar, ein Mixed-Zone-Interview mit seinem Bruder zu crashen um dort zu verkünden: "Es ist unglaublich, dass ich auf demselben Platz wie mein Bruder gespielt habe, und das nicht in einem normalen Stadion in Dänemark, sondern in einem der besten Stadien der Welt."

Auch Oscars Zwillingsbruder Emil, der wie Rasmus Stürmer ist, kam bereits zum Profidebüt, musste zuletzt aber vorwiegend wieder in der U19 ran. Dort glänzt er aber so richtig. Aus sechs Spielen in Meisterschaft und Youth League erzielte er starke sechs Treffer, und hat damit auch einen Anteil daran, dass der FC Kopenhagen im U19-Bewerb der UEFA sich ohne Punktverlust vor Manchester United, Bayern und Galatasaray befindet.

Es dürfte vor allem harte Arbeit sein, welche den Gebrüdern den Weg zum Fußballprofi geebnet hat. Papa Anders, der in den 90er-Jahren in Dänemark Profi war, trainierte seine Söhne intensiv. "Ohne ihn und sein Individualtraining, nachdem alle anderen schon heimgegangen waren, hätte es keiner der drei Brüder geschafft", ist sich Mouroux sicher.

"Fußball war fast alles in unserem Leben, einige haben gesagt, es war zu viel. Aber es hat uns mit unseren Kindern verbunden. Es war die Leidenschaft von jedem", so Papa Anders gegenüber "The Athletic".

Umbau im Keller für die Gebrüder Höjlund

"Manchmal trainierte er eine Stunde lang einen Sohn, kam dann mit dem zweiten zurück und schließlich mit dem dritten. Ein Höjlund war bei uns immer auf dem Platz", erzählt Mouroux.

Der gelernte Tischler Anders Höjlund baute extra sogar den Keller zum Indoor-Fußballplatz um, damit seine Söhne auch bei Schlechtwetter trainieren konnten. Ein gesunde Rivalität zwischen den Gebrüdern dürfte dabei vorhanden sein. So sieht es zumindest der U19-Trainer Kopenhagens Alfred Johannsen, der alle drei unter seinen Fittichen hatte.

"Rasmus würde sagen, er ist derjenige, der ihnen alles beigebracht hat. Sie würden dasselbe über ihn sagen. So sind sie", so der ehemalige Coach der Höjlund-Brüder gegenüber "The Athletic". Im Hause Höjlund soll es immer zu hart umkämpften Spielen untereinander gekommen sein.

Trotz des Ehrgeizes sollen die drei Brüder untereinander eine gute Beziehung pflegen. "Sie lieben es, wenn ein anderer etwas gut macht. Sie unterstützen sich gegenseitig", erzählt Johansson. Vor allem Rasmus habe auf seine jüngeren Brüder immer aufgepasst.

Das ermöglichte wohl auch Rasmus als erstem einen Profivertrag beim FC Kopenhagen. Nach seinem Debüt im Oktober 2020 kam er dort aber nie richtig in Tritt, verbuchte meist nur Einsätze als Wechselspieler. Als angehendes Mega-Talent sahen ihn die Dänen nie wirklich. Ein Umstand, der Papa Anders nach wie vor nicht gefällt. Er ist der Meinung, Rasmus hätte in Kopenhagen nie die Chance bekommen, die er sich verdient hätte. 

Die geringe Spielzeit veranlasste den damals 18-jährigen Rasmus schlussendlich zum Abgang. Kurz vor seinem 19. Geburtstag im Jänner 2022 entschloss er sich zu einem Wechsel zum SK Sturm Graz

Vergleiche mit Idol Erling Haaland

Der Schritt nach Österreich sollte sich lohnen. In der steirischen Landeshauptstadt wusste er zu überzeugen, glänzte bei Sturm, das brachte ihm einen irren Vergleich ein.

"Man kann Rasmus mit Erling Haaland vergleichen. In einigen Eigenschaften sind sie ähnlich. Beide sind sehr schnell, sie teilen auch die Entschlossenheit und den Wunsch, immer ein Tor zu erzielen", lobte Sturm-Trainer Ilzer seinen damaligen Schützling gegenüber "TuttoMercato“.

"Höjlund ist schon der dänische Haaland. Der Vergleich hat ihm nie geschadet.“

Sturm-Sportdirektor Andreas Schicker

Haaland ist auch das große Vorbild Höjlunds. Die blonden Haare, die robuste Art, die Schnelligkeit und der Torinstinkt erinnern stark an den Star von Manchester City.

"Haaland ist natürlich etwas älter und bringt schon mehr Erfahrung mit, aber ich traue Rasmus sehr viel zu", stimmt Sturm-Sportdirektor Schicker gegenüber "Sport1" dem Vergleich zu. "Höjlund ist schon der dänische Haaland. Der Vergleich hat ihm nie geschadet“.

Selbstbewusst und bodenständig

Schon in Graz galt der Angreifer trotz seines jungen Alters als enorm reif. "Als ich Rasmus das erste Mal in Graz gesehen habe, ist mir aufgefallen, dass er als 18-Jähriger schon wie ein 25-Jähriger auftrat. Er hatte ein gesundes Selbstbewusstsein", so Schicker.

Gregory Wüthrich erlebte Höjlund in Graz als bodenständigen Mitspieler
Foto: © GEPA

Ein Selbstvertrauen, das nie an Arroganz streifte.  "Er ist ein sehr guter Junge, sehr bodenständig. Er hat immer hart an sich gearbeitet und sich das alles wirklich verdient", lobt ihn sein Ex-Mitspieler Gregory Wüthrich auf LAOLA1-Nachfrage.

Der steile Weg Höjlunds sei für den Schweizer keine Überraschung gewesen. "Man hat gesehen, dass er einfach anders, dass er speziell ist", so der Abwehrmann.

Bei den "Schwoazn" hielt es den Dänen nach starken Vorstellungen nicht lange. Weniger als sieben Monate nach seiner Ankunft ging es in eine Topliga. Atalanta Bergamo investierte im Sommer 2022 20 Millionen Euro, um sich die Dienste des Youngsters zu sichern.

"Die Gerüchte haben ihm den Kopf verdreht, die Komplimente haben ihn ein wenig geblendet."

Atalata-Bergamo-Coach Gian Piero Gasperini über Höjlund

So leicht hatte er es in Italien aber von Beginn an nicht. Trainer Gasperini setzte den talentierten Neuzugang gerade am Anfang immer wieder auf die Bank, Höjlund kam im Herbst nie über 90 Minuten.

Spätestens im Jänner konnte der bullige Stürmer aber seinen Coach überzeugen. Dort traf er nach zuvor nur einem Treffer in 11 Spielen wettbewerbsübergreifend in vier Spielen in Folge. "Rasmus ist eines der besten, wenn nicht das beste, aufstrebende Talent in Europa als Stürmer", schwärmte der Bergamo-Coach gegenüber "Sky Italia".

Ein Umstand, welcher den Spieler in den Fokus zahlreicher Topklubs brachte. Nicht unbedingt zur Freude Gasperinis. "Die Gerüchte haben ihm den Kopf verdreht, die Komplimente haben ihn ein wenig geblendet", erklärt der Coach.

Das sollte auch eine Erklärung sein, warum es zum Ende hin nicht mehr ganz so gut lief. In den letzten neun Spielen durfte Höjlund "nur" zwei Mal zum Torjubel abdrehen.

Hohe Erwartungen in Manchester

Manchester United griff dennoch tief in die Tasche, 74 Millionen Euro war der Angreifer den "Red Devils" wert. Die Ablöse kann via Boni sogar noch auf 83 Millionen Euro steigen. Atalanta Bergamo erwies sich im Transferpoker durchaus verhandlungsfreudig, so zogen sich die Gespräche über Wochen, ehe der Transfer erst Anfang August beschlossene Sache war.

Noch wartet Höjlund auf sein erstes Premier-League-Tor
Foto: © getty

Die langen Verhandlungen machten den Start in Manchester für den Angreifer nicht einfach, er stieg bei den "Red Devils" mitten in der Vorbereitung ein und musste aufgrund einer Verletzung am Rücken mit seinem Debüt bis September warten.

Die riesige Erwartungshaltung der Fans macht die Sache nicht leichter. Im Premier-League-Gewässer läuft es für Höjlund bisher noch nicht rund.

Manchester United dümpelt auf dem achten Platz herum, und der junge Däne hat in acht Partien noch nicht ins Netz getroffen. Besonders schmerzhaft war das Derby gegen Manchester City, wo Höjlund gegen sein Idol Haaland eine bittere 0:3-Pleite einstecken musste. Dann die Auswechslung in der 73. Minute beim Stand von 0:2 – eine Entscheidung, die für hitzige Diskussionen sorgte.

"Seine besten Qualitäten werden einfach übersehen. Das Team spielt nicht so, dass er seine Stärken entfalten kann."

United-Legende Rio Ferdinand

Trainer ten Hag verteidigte seine Maßnahme: "Er spielt jedes Spiel, das ist er nicht gewohnt. Du musst auf solche Spieler aufpassen."

In der Champions League zeigte der Angreifer bereits sein Können, als er gegen Galatasaray gleich zweimal zuschlug. Trotzdem standen die "Red Devils" am Ende mit leeren Händen da (2:3).

Der Druck auf Höjlund ist immens. Er wird als die große Hoffnung in der Offensive der "Red Devils" gesehen. United-Legende Neville glaubt fest daran, dass der Knoten bald platzen wird. Doch er sieht auch die begrenzte Qualität seiner Kollegen kritisch: "Wenn Höjlund zu United gekommen wäre und Mitspieler wie Andy Cole, Dwight Yorke oder Eric Cantona hätte, würden wir etwas Sensationelles sehen. In dem Fall würde nicht so viel Druck auf seinen Schultern liegen", erklärt der "Sky"-Experte.

Rückendeckung für Rasmus Höjlund

Trotz der geringen Torausbeute sind die Qualitäten des Dänen bei Fans und Experten unumstritten, eher sind es seine Mitspieler und Trainer ten Hag, die in die Schusslinie geraten. "Seine besten Qualitäten werden einfach übersehen. Das Team spielt nicht so, dass er seine Stärken entfalten kann", meint etwa United-Legende Rio Ferdinand gegenüber "TNT Sports".

Auch vom in der Kritik stehenden Coach gibt es für Höjlund Rückendeckung. "Er hat riesiges Potential. Er muss das beweisen. Wir unterstützen ihn dabei", so ten Hag. 

"Ich gebe jeden Tag mein Bestes, ich muss noch etwas in den Rhythmus finden. Wir hatten leichte Probleme, aber wir kriegen das schon hin."

Rasmus Höjlund

Ex-Sturm-Kollege Wüthrich ist diesbezüglich optimistisch: "Ich bin mir sicher, dass er in der Zukunft eine entscheidende Rolle spielen wird."

An Selbstvertrauen mangelt es ihm dabei nicht. "Ich weiß über meinen Wert. Ich weiß, ich muss liefern, weil ich für Manchester United spiele. Aber ich bin 20 Jahre, ich bin noch lange nicht fertig. Ich muss mich noch verbessern, aber ich komme langsam dorthin ", meint Höjlund nach dem Champions-League-Duell mit Kopenhagen vor zwei Wochen. 

"Ich gebe jeden Tag mein Bestes, ich muss noch etwas in den Rhythmus finden. Wir hatten leichte Probleme, aber wir kriegen das schon hin", gibt sich der Däne optimistisch.

Manchester United sei, wie er sagt, sein Traumklub. Dem Dänen wird mittlerweile von Experten die ganz große Karriere zugetraut. Gehört er also bald zu den ganz großen Legenden im Theatre of Dreams?

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