In unserem Format "Ansichtssache" versuchen wir, Meinungen, Stimmungen, Überreaktionen oder sonstige Ansichten jeglicher Art in eine These zu packen und zu analysieren.
Das kann mal provokant sein, mal eine oft gehörte Meinung. Mal sehr strittig, mal weniger. Mal eine Prognose, mal eine simple Einordnung.
In der aktuellen Ausgabe behandeln wir das Thema "UEFA Champions League". Pünktlich zum Wiederbeginn werden die beiden österreichischen Vertreter, sowie David Alaba und das neue Ligaformat genau unter die Lupe genommen.
Sturm spielt am siebten Spieltag der UEFA Champions League auswärts bei Atalanta Bergamo (Dienstag, ab 18:45 Uhr im LIVE-Ticker >>>), Salzburg muss ins Bernabeu zu Real Madrid (Mittwoch, ab 21 Uhr im LIVE-Ticker >>>).
Diesmal diskutieren die LAOLA1-Redakteure Florian Gabriel, Ernan Serifovic und Jonas Pamperl in vier von der Redaktion ausgearbeiteten Thesen.
1.) Der Start in eine neue goldene Ära: Thomas Letsch wird Salzburg-Fans gleich bei seinem ersten Pflichtspiel gegen Real Madrid verzaubert haben.
Florian Gabriel:
Diese These muss ich mit einem klaren Nein beantworten.
Durch die Bestellung von Thomas Letsch möchte Salzburg wieder zu den klassischen Red-Bull-Prinzipien zurückkehren. Dadurch wird Salzburg aber nicht direkt wieder spielen, wie zu den besten Zeiten. Mit dem Rekordsieger der Champions League wartet zum Auftakt eine der schwersten Prüfungen.
Gegen solche Gegner braucht es als Underdog vor allem Selbstvertrauen und Lockerheit. Und genau da liegt das Problem: Den "Bullen" fehlt aktuell beides. Das zeigten auch die Testniederlagen gegen den FC Bayern und den FC Midtjylland. Von einer klaren Spielidee und den erhofften Pressingmomenten war noch wenig zu sehen.
Aber die durchwachsenen Leistungen im Herbst hatten auch nicht nur in Ex-Trainer Pep Lijnders ihren Ursprung, sondern viel mehr in einem wenig ausbalancierten Kader. Mit Karim Onisiwo kam bisher ein Neuzugang, der dringend benötigte Innenverteidiger ist nicht in Sicht. Der Kader ist schlichtweg nicht mehr auf dem Niveau der besten Tage.
Gerade gegen schnelle Offensivspieler hatte Salzburg im Herbst seine Probleme, mit Kylian Mbappe und Vinicius Junior warten nun zwei der vermutlich schnellsten Stürmer auf die "Bullen"-Defensive.
Weil die Königlichen zudem voll im Liga-Alltag stehen ist der Auftakt für Salzburg denkbar ungünstig. Und, dass Thomas Letsch, mit Ausnahme von zehn Conference-League-Spielen, bisher keinerlei internationale Erfahrung mitbringt, wird sicher auch nicht von Vorteil sein.
Ernan Serifovic:
Die Champions League lässt sich nicht mit dem Abstiegskampf in der Deutschen Bundesliga vergleichen.
Thomas Letsch hat beim VfL Bochum gezeigt, dass er Mannschaften aus schwierigen Situationen retten kann, was der erfolgreiche Klassenerhalt unterstreicht. Doch beim FC Red Bull Salzburg steht er vor neuen Herausforderungen.
Zwar hat er mit Vitesse Arnheim Erfahrung in der UEFA Conference League gesammelt und war mit dem Team nur knapp am späteren Sieger AS Roma gescheitert, aber in Salzburg herrschen andere Erwartungen: Es geht darum, die Liga zu dominieren und das Team in Europa wettbewerbsfähig zu halten.
Dass Letsch ausgerechnet gegen den Rekordsieger der Champions League sein Pflichtspieldebüt für Salzburg gibt und dabei direkt überzeugt, gleicht einer schier unmöglichen Herausforderung.
Letsch wird keine Wunder vollbringen können, sondern muss sich der harten Realität stellen. Ich stimme Florian zu, dass es in Salzburg an Selbstvertrauen und Lockerheit mangelt. Zudem ist der Kader unausgewogen und es fehlt an einem echten Führungsspieler.
Ein Janis Blaswich im Tor und als Kapitän? Fehlanzeige. Amar Dedic, einer der längstdienenden Salzburger, ist mit seinen 22 Jahren ebenfalls nicht bereit, diese Rolle zu übernehmen. Die charismatischen Typen vergangener Jahre – wie Andre Ramalho, Jonatan Soriano oder Sadio Mane – sucht man vergeblich.
Um diesem Mangel entgegenzuwirken, wurde Karim Onisiwo als erfahrener Stürmer aus der Deutschen Bundesliga geholt. Der 32-Jährige könnte durchaus eine Führungsrolle übernehmen. Doch eines ist klar: Onisiwo allein wird den angeschlagenen Klub nicht wieder gänzlich auf Kurs bringen.
2.) Sprungbrett Champions League: Sturm-Trainer Jürgen Säumel wird sich international schneller einen Namen machen als Christian Ilzer.
Jonas Pamperl:
Wenn Säumels Amtszeit bei den "Blackies" erfolgreich wird, dann würde es wohl ziemlich sicher so kommen. Aber das liegt nicht einmal so stark an der "Königsklasse".
In der Champions League hat man als Trainer eines stetigen Außenseiters, wie es Sturm über die meiste Zeit sein wird, ohnehin nicht übermäßig viel zu gewinnen. Klar kann Säumel überraschen - am besten schon gegen Atalanta oder Leipzig.
Aber das Durchziehen seiner klaren Spielidee - ohne und mit (!) Ball - ist gegen Top-Klubs wie Real, die Bayern oder Liverpool einfach richtig schwierig.
Ganz davon abgesehen, dass es bei Ilzer sehr lange brauchte, bis er sich international einen Namen machte: Der Mann hat 2006 als Spielertrainer angefangen, landete 14 Jahre später erst bei Sturm. Säumel hat für diesen Step nur sechs Jahre gebraucht.
Florian Gabriel:
Diese These ist sehr vielschichtig. Klar wird sich Jürgen Säumel international schneller einen Namen machen als sein Vorgänger Christian Ilzer.
Das liegt aber primär daran, weil er ein segelndes Schiff, das über Jahre von Ilzer aufgebaut wurde, übernommen hat.
Dass sich Säumel die Aufgabe als Ilzer-Nachfolger verdient hat, steht außer Frage. Die ersten Spiele unter seiner Regie haben gezeigt, dass der SK Sturm auch unter ihm erfolgreich sein kann und wird. In den ersten fünf Pflichtspielen holte er direkt zehn Punkte, einzig gegen Lille setzte es eine knappe 2:3-Niederlage.
Weil der Ex-Sturm-Spieler zudem gegen den FC Girona den ersten Sieg in der Königsklasse holte, hat Säumel auf Champions-League-Niveau seinen Vorgänger, der in vier Spielen ohne Punkte blieb, bereits überholt. Der Vergleich hinkt, ob der gestarteten Voraussetzungen, aber gewaltig.
3.) David Alaba hat nicht viel Zeit, um die Verantwortlichen von Real Madrid davon zu überzeugen, dass er nach wie vor zum Stammpersonal zählen sollte. Gegen Salzburg ist eine Top-Leistung gefragt.
Ernan Serifovic:
David Alabas Schicksal wird nicht von der Leistung gegen Salzburg abhängen. Um sich nachhaltig zu beweisen, braucht es konstante Leistungen über mehrere Spiele hinweg.
Mit seinen 32 Jahren und der Erfahrung aus über 100 Europacup-Partien dürfte Alaba jedoch routiniert und abgeklärt genug sein, um die Verantwortlichen bei Real Madrid von seinem Wert zu überzeugen.
Ein Blick auf die aktuelle Situation bei den "Königlichen" zeigt zudem, dass sich der Österreicher um seine Einsätze in der Frühjahrssaison keine großen Sorgen machen muss. Nach dem Kreuzbandriss von Eder Militao wird die Luft auf der Innenverteidigerposition nämlich dünn.
Die Zwischenlösung mit Aurelien Tchouameni in der Innenverteidigung oder der Beförderung von Raul Asencio aus der Castilla-Mannschaft brachte nicht die gewünschte Stabilität. Zwar gewinnt Real weiterhin Spiele, kassiert aber teils Tore wie am Fließband.
Hier kommt David Alaba ins Spiel. Gemeinsam mit Antonio Rüdiger kann er der Defensive von Real Madrid wieder mehr Stabilität verleihen. Dennoch muss man hervorheben, dass diese Saison für Alaba eine besondere Herausforderung darstellt.
Noch nie in seiner Karriere war er aufgrund einer Verletzung so lange außer Gefecht. Es bleibt daher abzuwarten, ob der 32-Jährige zu seiner gewohnten Stärke zurückfindet.
Jonas Pamperl:
Mit einer Sache hat Ernan völlig recht. Diese Situation hat Alaba in seiner langen Laufbahn noch nicht erlebt. Ob er wieder "der Alte" wird, ist also wirklich unsicher.
Das große Fragezeichen ist für mich allerdings nicht, wie es dem 32-Jährigen in der restlichen Rückrunde ergehen wird - sondern danach. Denn Real Madrid hat in jeder Saison das Ziel, die großen Titel zu gewinnen. Und wenn die "Königlichen" eine Sollbruchstelle erkennen, wird sie behoben.
Davon sind auch verdiente Spieler nicht ausgenommen. Das zeigten schon die Abgänge von Vereinslegenden wie Iker Casillas, Sergio Ramos und Cristiano Ronaldo.
Anders als beispielsweise die Bayern verteilt Real keine (Vertrags-)Geschenke an Ikonen des Vereins, man schuldet niemanden etwas - das wirkt mitunter auch kalt oder gefühlslos.
Ob diese Situation auch bei Alaba so eintreten wird, muss man einfach abwarten. Sollte der ÖFB-Kapitän jedoch nicht liefern, könnte das Kapitel Madrid spätestens im Sommer 2026 - wenn sein Vertrag ausläuft - zu Ende sein.
4.) Die neue Ligaphase der UEFA Champions League war ein Fehler. Da hätte man auch gleich die Super League machen können.
Jonas Pamperl:
Klares NEIN von mir. Ob die Ligaphase für die Zuschauer nun die bessere Variante ist, kann jeder für sich selbst entscheiden. Meiner Meinung nach hat sie klare Vorteile im Vergleich zur "alten Gruppenphase", weil es auch noch an den letzten Spieltagen spannend sein wird.
Unübersichtlich ist die Riesen-Tabelle auf alle Fälle. Dennoch gibt es bereits heuer einige Überraschungen und das ist sicherlich positiv.
Letztendlich musste die UEFA mit dieser Umstrukturierung auf die Super-League-Planungen reagieren oder nutzte die Ideen von Florentino Pérez und Co. zumindest als Ausrede, um noch mehr Spiele zu ermöglichen.
Auf Sicht wird die "neue" Champions League aber natürlich den großen Klubs zugutekommen. Davon darf man sich auch nach der ersten Ligaphase nicht blenden lassen.
Ernan Serifovic:
Der These kann ich nur entschieden widersprechen. Die neue Ligaphase hat definitiv ihre Chance verdient, und ich muss zugeben: Ich fühle mich bestens unterhalten.
Zugegeben, der Zauber des Kugelziehens bei der Auslosung geht durch die automatisierte Setzung ein wenig verloren. Doch dafür garantiert der Computer einen reibungslosen Ablauf ohne Pannen.
Aber nun zurück zum Sportlichen.
Wer hätte gedacht, dass selbst Schwergewichte wie Real Madrid, Manchester City oder PSG zwei Spieltage vor Schluss um das Achtelfinale – geschweige denn um ein Playoff-Ticket – bangen würden?
Ebenso sehe ich es wie Jonas, dass der Modus für die sogenannten "Kleinen" große Chancen bietet. Weil sich die Top-Teams die Punkte streitig machen, können die Außenseiter davon profitieren, wie zum Beispiel Stade Brest.
Die Champions League mit der Super League zu vergleichen, halte ich jedoch für unangebracht. In der "Königsklasse" musst du dir deinen Platz über die heimische Liga hart erarbeiten.
Die Super League hingegen verfolgt ein völlig anderes Konzept: Dort wären die meisten Teilnehmer dauerhaft gesetzt, während nur ein kleiner Kreis von Teams sich über die nationale Liga qualifizieren könnte. Dieses grundlegende Ungleichgewicht nimmt der Super League die sportliche Integrität, die die Champions League ausmacht.
Das neue Format zeigt: Tradition und Innovation können Hand in Hand gehen.