In unserem Format "Ansichtssache" versuchen wir, Meinungen, Stimmungen, Überreaktionen oder sonstige Ansichten jeglicher Art in eine These zu packen und zu analysieren.
Das kann mal provokant sein, mal eine oft gehörte Meinung. Mal sehr strittig, mal weniger. Mal eine Prognose, mal eine simple Einordnung.
In der aktuellen Ausgabe behandeln wir Manchester City. Die "Citizens" durchleben derzeit ihre schwierigste Zeit seit der Übernahme von Pep Guardiola. In der Premier League läuft es nur mäßig und in der Champions League könnte schon am Mittwoch das Aus drohen.
Real Madrid - Manchester City: Mittwoch, ab 21 Uhr im LIVE-Ticker >>>
Zu diesem Anlass diskutieren die LAOLA1-Redakteure Christoph Bosnjak und Jonas Pamperl folgende vier von der Redaktion ausgearbeiteten Thesen:
(Text wird unterhalb fortgesetzt)
1.) Pep Guardiola ist unkündbar bei Manchester City: Wenn, dann muss er selbst abtreten.
Christoph Bosnjak:
"You’re getting sacked in the morning!", sangen die Liverpool-Fans bei Manchester Citys Gastspiel an der Anfield Road am 1. Dezember vergangenen Jahres. Der Adressat der Botschaft, Pep Guardiola, schmunzelte nur und hielt sechs Finger hoch. Sechsmal, so oft wurde der Katalane mit den "Citizens" Premier-League-Sieger.
Eineinhalb Wochen vor der 0:2-Niederlage in Liverpool haben die "Skyblues" die Vertragsverlängerung mit Guardiola bekanntgegeben. Der Trainer prolongierte seinen mit Saisonende auslaufenden Vertrag um zwei weitere Jahre bis 2027. Sollte er bis dahin bleiben, hätte er elf Jahre bei dem Klub aus Manchester verbracht.
"Ich will ehrlich sein, ich dachte, diese [Saison] sollte die letzte sein. Aber angesichts der Probleme, die wir im letzten Monat hatten, hatte ich das Gefühl, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist, um zu gehen", sagte Guardiola im November. Vor der Verlängerung des Vertrages hatte Manchester City vier Spiele in Serie verloren. Dennoch entschied sich der Klub, die Arbeit mit Guardiola fortzusetzen.
Der 54-Jährige hat sich den Status erarbeitet, selbst zu entscheiden, wann bei City Schluss ist.
Insgesamt streifte Guardiola in Manchester 18 Titel ein. Der Ex-Coach des FC Barcelona und des FC Bayern München ist ein erfolgshungriger Mensch. Man hat gesehen, wie die Niederlagen an ihm nagten. Ich bin mir sicher, dass er Manchester City erst verlassen wird, wenn er "seinen" Klub wieder in die Erfolgsspur gebracht hat.
"City gegen Liverpool war die bedeutendste Rivalität der letzten Jahre. Guardiola ist der Gesamtsieger, aber Klopp hat seinem alten Widersacher eine letzte Herausforderung hinterlassen, der er sich stellen muss: Wie hinterlässt man das perfekte Erbe für einen Nachfolger, der seine Arbeit fortsetzt?" Das schrieb Jamie Carragher im November vergangenen Jahres in seiner Kolumne für den "Telegraph". Jürgen Klopp hat es geschafft, eine funktioniere Mannschaft an Arne Slot zu übergeben. Dasselbe strebt auch Guardiola an, da bin ich mir sicher.
Jonas Pamperl:
In weiten Strecken kann ich Christoph nur zustimmen. Der Spanier hat unbestritten das Standing bei Manchester City, selbst zu entscheiden, wann für ihn Schluss ist. Um wirklich gefeuert zu werden, müsste Guardiola schon eine historisch schlechte Saison spielen, oder im United-Trikot über die Straßen Manchesters laufen.
Von beidem ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auszugehen.
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Und deshalb hat es Pep in der eigenen Hand, kann seinen Abschied selbst terminieren. Vielleicht hat er das auch schon. Womöglich bringt er City bis zu Saisonende doch noch in ruhige Gewässer und zieht nach neun Jahren und 18, 19 oder gar 20 Titeln den Schlussstrich.
Dass Guardiola seinen Vertrag bis Ende 2027 erfüllt, davon gehe ich - anders als Christoph - nicht aus. Spätestens 2026 sollte endgültig Schluss sein. Die Abnutzungserscheinungen waren ja schon ersichtlich.
2.) Trotz Mega-Vertrags: Erling Haaland wird in spätestens zwei Jahren nicht mehr bei Manchester City spielen.
Jonas Pamperl:
Vielleicht ist es einfach nur Wunschdenken. Aber ich glaube, dass Erling Haaland früher oder später nicht mehr im Trikot der "Skyblues" auflaufen wird. Sommer 2027 sehe ich eigentlich als einen realistischen Zeitraum für den Abschied.
Ja, der Vertrag des Norwegers hat eine irre lange Laufzeit. Ja, grundsätzlich gibt es kaum Klubs, die ManCity sportlich wie finanziell das Wasser reichen können. Und ja, Haaland dürfte tatsächlich einer von den wenigen Spielern sein, dem wirklich etwas am Verein selbst liegt. Immerhin war auch sein Vater bei den "Citizens".
Wie lange der 24-Jährige noch bleibt, hängt mit Sicherheit von dem künftigen Guardiola-Nachfolger ab. Haaland ist sich dessen bewusst, dass ihn ohne Ausnahme jeder Top-Klub haben will. Glaubt er nicht an die Vision seines nächsten Coaches, dann braucht es keine Ausstiegsklausel, damit er weg ist.
Und ganz ehrlich, was hat Haaland in Manchester überhaupt noch zu erreichen. Gewonnen hat er schon alles, was es zu gewinnen wird. Für mich steht fest: Zu einer absoluten Legende in diesem Sport kannst du nicht werden, wenn du das Gros deiner Karriere bei Manchester City verbringst. Dafür fehlt City die Historie, der Status, das letzte Äutzerl zu einem Mitglied des europäischen Fußball-Adels. Geld und Titel reichen dafür nicht aus.
Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann wäre es, dass Haaland mehr oder weniger in die Fußstapfen von Ronaldo tritt. Also von einem europäischen Powerhouse zum nächsten zu wechseln. Real Madrid und der Norweger wirken für mich wie der passende Fit. In Deutschland hat er mit Borussia Dortmund ja schon alles zerstört. Fehlt also noch Italien - vielleicht mit Anfang 30?
Christoph Bosnjak:
Eine typisch österreichische Antwort: Schau ma moi. Eine typische Fußballer-Antwort: Wir schauen von Spiel zu Spiel.
Aktuell tue ich mir mit der Vorstellung eines 34-jährigen Haalands im City-Trikot schwer – der aktuell 24-jährige Norweger hat ja gleich bis 2034 verlängert. Der Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft, Verträge sind oft da, um nicht eingehalten zu werden. Man denke an Ausstiegsklauseln oder Ähnliches. Laut "The Athletic" soll es in Haalands neuem Mega-Vertrag aber keine Opt-out-Option mehr geben.
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Dafür gibt es einen Haufen Faktoren, die die Zukunft beeinflussen können. Was ist, wenn Haaland bei Manchester City nicht mit dem Guardiola-Nachfolger klarkommt? Was ist, wenn die Harmonie bei den "Skyblues" künftig nicht mehr stimmt? Was ist, wenn ein Trainer oder Sportdirektor Haaland von einem vorzeitigen Abgang aus Manchester überzeugt?
"Ich werde für eine lange Zeit bleiben", sagte der Stürmer rund um die Verlängerung des ursprünglich bis 2027 laufenden Kontrakts. Ich gehe davon aus, dass Haaland auch in zwei Jahren noch für City auflaufen wird, vielleicht auch in vier oder fünf Jahren. Der Stürmer wurde kürzlich Vater und fühlt sich in Manchester wohl, wie Medienberichten zu entnehmen ist. Klub-Titeln braucht er nicht mehr hinterherzulaufen. Gleich in seinem ersten Jahr auf der Insel hat er alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt.
Ein potenzieller Interessent für einen Haaland-Transfer müsste viel Geld in die Hand nehmen. Einerseits für die Ablöse, andererseits um den Gehaltswünschen des Norwegers zu entsprechen. Bei City soll er laut dem "Guardian" 600.000 Euro verdienen – pro Woche.
In der Vergangenheit wurde Haaland mit einem Wechsel zu Real Madrid in Verbindung gebracht. Der ist für die nächsten Jahre einmal vom Tisch, würde ich sagen. Die "Königlichen" haben Kylian Mbappe, City hat Haaland als Aushängeschild. Ob der Ex-Salzburger in zehn Jahren immer noch bei den "Citizens" kickt? Das glaube ich eher nicht, aber ich lasse mich gerne überraschen. Schau ma moi.
3.) Gehalt schlägt Perspektive: Auch wenn Manchester City nächste Saison nicht Champions League spielt, zerfällt dieser Kader nicht.
Christoph Bosnjak:
Seit den Geldflüssen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und der Etablierung der City Football Group ging und geht es für Manchester City bergauf, mittlerweile stellt der Klub regelmäßig Mannschaften, die zu den allerbesten der Welt gehören. Das wird auch in der Zukunft so bleiben, der Verein scheint mit den Millionen und Milliarden im Hintergrund mittlerweile "too big to fail".
Eine sportliche Krise, wie jene, die es in den letzten Wochen gab und gibt (sie scheint noch nicht ganz überwunden), kann den "Fußball-Riesen" nicht stürzen. Das Radl läuft. Erling Haaland hat kürzlich bis 2034 verlängert, im Winter haben die "Skyblues" kolportierte 218 Millionen Euro für Neuzugänge ausgegeben. Das beweist, dass der Klub weiterhin an seine Strahlkraft glaubt und die Spieler gleichzeitig an die Strahlkraft des Klubs glauben.
Auf die vorherige These habe ich geantwortet, dass die Champions-League-Qualifikation für City nicht unwichtig wäre. Ich bin mir recht sicher, dass sich Guardiola und sein Team für die Königsklasse qualifizieren werden. Und sollte es doch nichts werden, wird es meiner Einschätzung nach nicht zu einem Spieler-Exodus kommen. Haaland erhält nach der Unterzeichnung seines neuen Vertrages kolportierte 600.000 Euro pro Woche. Die wird er sich auch als Europa-League-Spieler gerne überweisen lassen.
Das große Aber und der Grund, warum ich oben die Betonung auf "sportliche Krise" gelegt habe: Manchester City werden weiterhin zahlreiche Verstöße gegen Finanzregularien der Premier League vorgeworfen. Das Verfahren läuft, der Ausgang ist ungewiss. Das Radl läuft zwar, aber das wäre eine exogene (wenngleich selbstverschuldete) Krise, die den Riesen ins Wanken oder vielleicht sogar zum Stürzen bringen könnte.
Jonas Pamperl:
Solange die Emiratis den Geldhahn bei ManCity aufgedreht haben, muss sich der Klub mitnichten Sorgen um potenzielle schmerzhafte Abgänge machen.
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Das ändert sich auch nicht durch ein einmaliges Verpassen der Champions League. Ich denke, selbst wenn City im kommenden Jahr gar nicht international spielen würde - wovon ich natürlich nicht ausgehe - bleibt der Kader beisammen, sofern gewünscht.
Denn City kann nicht nur unglaublich viel Kohle anbieten, hat nach wie vor mit Guardiola einen der besten Trainer der Gegenwart an der Seitenlinie. Man stellt auch Jahr für Jahr mindestens einen der drei besten Kader der Welt.
Abgänge könnte es trotzdem geben (müssen). Beim Financial Fair Play blickt die Premier League nämlich (meistens, Stichwort 115 Vorwürfe gegen ManCity) genau drauf. So mussten die "Skyblues" Julian Alavarez im vergangenen Sommer an Atletico abgeben, um die FFP-Vorgaben einzuhalten.
4.) Manchester City ist mental nicht in der Lage, die Champions-League-Zwischenrunde gegen Real Madrid zu drehen.
Jonas Pamperl:
Puh. Natürlich ist Real Madrid der wohl härteste Gegner, auf den du in der Champions League treffen kannst. Aber mental sollte ManCity sehr wohl in der Lage sein, den Rückstand in Madrid zu drehen. Wäre das nämlich nicht so, dann hätte die Guardiola-Elf deutlich schwerwiegendere Probleme, als es die aktuelle sportliche Krise ist.
Der Glaube ist sicher da. Dass die Madrilenen als Favorit ins Rückspiel der CL-Zwischenrunde gehen, ist dennoch unbestritten. Aber wenn du Rekordsieger Real in der "Königsklasse" eliminieren willst, musst du sie früh im Turnierverlauf erledigen. Im Bernabeu als Auswärtsteam zu gewinnen, ist nichtsdestotrotz eine Mammutaufgabe.
Mich würde es nicht überraschen, wenn City die Wende in Madrid schafft. Denn eigentlich hat Real selbst genug Probleme, allen voran in der Innenverteidigung.
Es ist übrigens das vierte Jahr in Folge, in dem sich beide in der K.o-Phase der Champions League gegenüberstehen. Zweimal zogen die "Skyblues" insgesamt den Kürzeren. Einzig 2023 setzten sich die Engländer durch - mit 5:1 in Addition. In Madrid gewann ManCity allerdings auch in diesem Jahr nicht. Das gelang erst einmal, und zwar zum frühest möglichen Zeitpunkt in der K.o-Phase - beim Achtelfinal-Hinspiel 2020.
Unmöglich ist ein Sieg bei Real Madrid also nicht. Ausgehen kann man davon aber nicht. Wenn Manchester City aber - wie erwartet - in der Zwischenrunde ausscheidet, liegt das jedoch sicher nicht an der mentalen Stärke.
Christoph Bosnjak:
Ja, bei dieser These gehe ich mit. Wobei mir eine leicht andere Formulierung besser gefallen würde: Real Madrid ist mental stärker als Manchester City.
Guardiola schätzte die Wahrscheinlichkeit eines Weiterkommens seiner Mannschaft vor dem Spiel auf ein Prozent. Die Buchmacher finden die Situation der Engländer nicht ganz so aussichtslos, aber klar, Real geht als Favorit in das Rückspiel und wird sich meiner Einschätzung nach durchsetzen.
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Auch wenn die Madrilenen schon seit drei Ligaspielen ohne Sieg sind: In großen Partien auf der großen Bühne performen sie. Wenn es darauf ankommt, liefern sie. Nicht umsonst haben die Spanier im Hinspiel in Manchester kurz vor Schluss einen Rückstand in einen 3:2-Auswärtssieg gedreht. Das war ein zu großer Rückschlag für die Engländer. Die Königlichen werden sich auch in Madrid die Krone aufsetzen.
Gegen Real Madrid zu verlieren bzw. von den Spaniern aus der Königsklasse gekegelt zu werden, ist aber keine Schande. Womöglich ist es für City auch gar nicht so schlecht, einen noch größeren Fokus auf die Liga legen zu können. Die Qualifikation für die UEFA Champions League, die aktuell nicht sicher ist, wäre wichtig für den Klub.