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Tschechiens Klubfußball im Höhenflug! Das steckt dahinter

Tschechiens Klubs siegen sich dank finanzstarker Investoren quer durch Europa. Ein Hintergrund-Bericht zum tschechischen Klubfußball und seinen Milliardären.

Tschechiens Klubfußball im Höhenflug! Das steckt dahinter Foto: © getty

Tschechiens Fußballvereine mischen momentan Europa auf.

Nach Jahren als Verfolger Österreichs in der UEFA 5-Jahreswertung sind die Tschechen zuletzt im Eiltempo so weit vorbeigezogen, dass an ein rot-weiß-rotes Überholmanöver zurzeit nicht zu denken ist.

Die Tschechen sind, kommend aus einer Rekordsaison, in der aktuellen Spielzeit mit 5,300 eingefahrenen Punkten momentan der Leader des UEFA-Rankings. Machen sie so weiter wie bisher, wird der Vorsprung auf Österreich weiter steigen anstelle zu schmelzen.

Am Mittwoch gibt es für den FC Salzburg immerhin die Chance, die Lücke unmittelbar ein wenig zu verringern. Die "Bullen" treffen zum Auftakt der neuen Champions-League-Saison auf Sparta Prag (ab 18:45 Uhr im LIVE-Ticker>>>) und damit auf eines jener Teams, welches stark mitverantwortlich für den tschechischen Aufschwung ist.

LAOLA1 hat diese Partie zum Anlass genommen, den aktuellen Traumlauf der Tschechen und dessen Hintergründe etwas genauer zu beleuchten.

Finanzstarke Investoren

(Text wird unter dem VIDEO fortgesetzt)

Grundsätzlich wird der tschechische Höhenflug von drei Vereinen getragen: Viktoria Pilsen, Slavia Prag und Sparta Prag.

Pilsen marschierte in der Vorsaison von der zweiten Quali-Runde der Conference League bis ins Viertelfinale vor, die beiden Prager Vereine kamen ins Europa-League-Achtelfinale.

Der rezente Erfolg dieser drei Klubs ist kein Zufall. Er ist das Resultat konstant guter Arbeit und auch einer Menge hineingesteckter finanzieller Mittel: Die beiden Prager Vereine sind jeweils Eigentum von tschechischen Milliardären, Viktoria Pilsen gehört seit dem Vorjahr auch dem in Österreich bestens bekannten Schweizer Martin Dellenbach.

Auch die Traditionsvereine Banik Ostrava und Slovan Liberec sind mittlerweile in der Hand reicher tschechischer Geschäftsmänner, deren Ziel es ist, die Lücke zu den Top-3 der Chance Liga zu schließen, und die für die Erreichung dieses Ziels verhältnismäßig viel Geld in die Hand nehmen.

Grundsätzlich werden diese Investoren von den tschechischen Fußballfans sehr positiv aufgenommen, sagt Jakub Heřmánek vom tschechischen Online-Sportportal "FotbalZpravy.cz".

"Das gilt aber nur solange sie nicht ihre Grenzen überschreiten. Wenn jedoch jemand den Namen oder die Farben eines Traditionsvereins wie Sparta oder Slavia, wie es bei Salzburg der Fall war, ändern würde, gäbe es einen massiven Aufstand der Fans. Dazu kommt, dass die Klub-Eigentümer in der tschechischen Liga hauptsächlich Tschechen sind. Es könnte eine heftige Reaktion geben, wenn zum Beispiel saudische Eigentümer einsteigen würden", so der Sportjournalist, der seine Expertise zum tschechischen Fußball mit LAOLA1 geteilt hat.

Österreich-Connection in Pilsen

Martin Dellenbach ist neben seinen Investitionen in der Oststeiermark auch Besitzer von Viktoria Pilsen
Foto: © GEPA

Die einzige nicht-tschechische Ausnahme an Klub-Eigentümern ist der bereits erwähnte Martin Dellenbach.

Gemeinsam mit Ex-Bundesliga-Vorstand Raphael Landthaler übernahm der Schweizer Geschäftsmann im Frühjahr 2023 Viktoria Pilsen. Parallel dazu stieg er beim SV Lafnitz ein, bereits 2021 erwarb er Anteile am TSV Hartberg, dem er in Lafnitz eine eigene Akademie hinbaute, die aber mittlerweile nicht mehr in Hartberger Besitz ist.

Der großangelegte Plan Dellenbachs ist, Spieler in der Lafnitzer Akademie auszubilden, sie über den SV Lafnitz zu Bundesliga-Spielern des TSV Hartberg weiterzuentwickeln, und sie schließlich zu Viktoria Pilsen zu bringen, wo sie im Idealfall Champions League spielen und auf diesem Niveau auch mithalten können. Dies verriet Dellenbach erst kürzlich in einem Gespräch mit LAOLA1

Dellenbach, der zumindest in Hartberg nicht unumstritten ist, sei von den Pilsner Fans gut aufgenommen worden. "Ich glaube, sie haben zu einem deutschsprachigen Besitzer mehr Bezug als sie es zu Besitzern aus den USA oder noch weiter weg hätten. Der Klub hat nach Dellenbachs Übernahme Adolf Sadek behalten, der etwas umstritten, aber ein sehr guter Sportdirektor ist. Wenn sie sein Wissen über den tschechischen Markt nutzen und zusätzlich gute Spieler aus Österreich holen, kann das eine gute Mischung sein", so Heřmáneks Einschätzung.

Zudem würden mittlerweile Spieler in Pilsen anheuern, die früher nicht leistbar gewesen wären. Mit dem Serben Svetozar Markovic und dem Brasilianer Ricardinho wurden die teuersten beiden Einkäufe der Klubgeschichte in diesem Sommer realisiert - um gerade einmal 1,5 Millionen bzw. 1,2 Millionen Euro, wohlgemerkt.

Umstrittener Milliardär als Slavia-Heilsbringer

In deutlich größerem Rahmen wird seit Jahren bei Slavia Prag Geld am Transfermarkt investiert.

Als der Traditionsklub 2015 in finanzielle Probleme geriet, wurde er vom chinesischen Konglomerat "CEFC China Energy" zuerst teilweise, dann vollständig aufgekauft. Dies war unter anderem das Resultat von Lobbyarbeit des damaligen tschechischen Staatspräsidenten Milos Zeman, der einige chinesische Investitionsprojekte in Tschechien vorantrieb.

Unter chinesischer Führung tätigte Slavia durchaus großangelegte Einkäufe, die dazu führten, dass der davor eher unerfolgreiche Klub zwischen 2017 und 2021 vier Mal tschechischer Meister wurde. Zudem erreichte man 2019 zum zweiten Mal in der Klubgeschichte die UEFA Champions League, 2019 und 2021 drang man in der Europa League jeweils bis in das Viertelfinale vor.

"Slavia profitiert von der Arbeit ihres langjährigen Coaches Jindrich Trpisovsky, der seit fast sieben Jahren beim Verein ist. Ihr physischer Fußball eignet sich gut für internationale Spiele und kann sogar technisch stärkeren Mannschaften Probleme bereiten", laut Heřmáneks Einschätzung zu Slavia.

In den letzten Jahren wurde das chinesische Investment schrittweise zurückgefahren; im Jahr 2023 soll kein einziger Cent mehr geflossen sein und Slavia drohte erneut in finanzielle Probleme zu schlittern. Dann betrat Pavel Tykac die Bühne.

Bereits sein Großvater sei Slavia-Fan gewesen, deshalb sei der Einstieg bei Slavia mehr eine Verpflichtung als eine Investition gewesen, sagte der 60-jährige im Energiesektor tätige Geschäftsmann, dessen Vermögen von "Forbes" auf knapp 8 Milliarden US-Dollar geschätzt wird, nach der Übernahme Ende 2023.

Er versprach den Erbau einer neuen Akademie und den Ausbau der Stadionkapazität der Fortuna Arena um 60 Prozent. Dafür müsse das Klubmanagement wiederum dafür sorgen, dass Slavia in den nächsten zehn Jahren zumindest fünf Meistertitel einfahren und jede Saison entweder Champions oder Europa League spielen wird.

Der wegen vermeintlich unsauberer Beziehungen zu tschechischen Politikern kontroverse Tykac sei von den Slavia-Fans gut aufgenommen worden, erklärt Heřmánek: "Ich glaube, die Fans sind vor allem glücklich, wieder einen tschechischen Besitzer zu haben, der Stabilität und Reichtum in den Verein bringt, und außerdem behauptet, dass er sein Leben lang Slavia-Fan war."

Sparta-Investor einst Hassobjekt, nun akzeptiert

Der zweite Prager Großklub gehört ebenfalls einem tschechischen Milliardär: Daniel Kretinsky. Auch Kretinsky ist mittlerweile im Energiesektor tätig. Mit einem von "Forbes" auf 9,5 Milliarden US-Dollar geschätzten Vermögen ist er der zurzeit reichste Tscheche.

Seine Anfänge machte Kretinsky aber bei der Investmentfirma "J&T", mit der er 2004, im Alter von nur 29 Jahren, bei Sparta Prag einstieg.

"Ich glaube, dass Daniel Kretinsky einfach nur einen Fußballverein kaufen und nicht unbedingt Geld mit ihm verdienen wollte. Berichten zufolge musste er sogar seine Geschäftspartner überreden, Sparta zu kaufen, und im Laufe der Jahre blieb er im Verein, auch wenn dieser viel Geld verlor und er sehr unbeliebt war", so Heřmáneks Einschätzung zu dieser Personalie.

Kretinskys Engagement bei Sparta, sowohl finanzieller als auch operativer Natur, sei in den vergangenen 20 Jahren stark in seinem Ausmaß geschwankt. Speziell zu Beginn seiner Amtszeit als Vorstandsvorsitzender soll sich Kretinsky zu viele Rechte herausgenommen und sich zu sehr in sportliche Belange eingemischt haben. Auch die eine oder andere großangelegte finanzielle Investition in Spieler bzw. Trainer ging über die Jahre schief.

Tomas Rosicky ist bei seinem Jugendklub mittlerweile für die sportlichen Agenden zuständig
Foto: © getty

Mittlerweile agiere Kretinsky, der seit 2021 auch Anteile an West Ham United besitzt, vermehrt im Hintergrund und lasse Sportdirektor Tomas Rosicky - ja, DER Tomas Rosicky - werken, so Heřmánek. Auch das Geld für Spielereinkäufe sitzt mittlerweile wieder etwas lockerer, diese würden laut dem Sportjournalisten aber um einiges durchdachter als in der Vergangenheit wirken.

"Kombiniert man das mit den jüngsten Erfolgen, ist er nun deutlich akzeptierter unter den Fans. Ich glaube nicht, dass die Ultras jemals seinen Namen singen werden, aber angesichts dessen, dass er einst Staatsfeind Nummer eins unter den Fans war, ist er jetzt in einer guten Position", findet Heřmánek.

Schwierige Aufgabe für Salzburg in Prag

Sparta wird am Mittwoch zum ersten Mal seit 19 Jahren wieder Champions League spielen. Dies ist der Höhepunkt eines Erfolgslaufs, der mittlerweile mehrere Jahre anhält. 2023 gewann Tschechiens Rekordmeister erstmals seit neun Jahren wieder die Liga, heuer wurde der Titel verteidigt.

Indirekt liegt das auch an der Arbeit von Klublegende Rosicky, der seit 2018 als Sportdirektor seines Jugendvereins agiert und schrittweise die Vereinsphilosophie umgebaut hat. 

2022 ging Sparta mit der Verpflichtung des dänischen Coaches Brian Priske ein gewisses Risiko ein. Ausländische Trainer hatten in Tschechien lange keinen guten Ruf, es gab das Klischee, dass sie in der tschechischen Liga verflucht sind zu scheitern.

Priske konnte dieses Klischee widerlegen. Er entwarf ein klares System für Sparta, ein offensives 3-4-3, welches bis heute Bestand hat und unabhängig von den handelnden Akteuren ist. Mittlerweile ist Priske zu Feyenoord gewechselt, wo er den nach Liverpool abgewanderten Arne Slot ersetzt, und sein ehemaliger Co-Trainer Lars Friis hat Sparta übernommen.

Wie bereits unter Priske setzt Sparta auch unter Friis auf einen geordneten Aufbau, gegen den Ball wird mit hoher Intensität im Pressing agiert. Wenn es notwendig ist, wird aber auch oftmals der direkte Weg mit hohen Bällen auf Ex-Mattersburg-Stürmer Victor Olatunji gewählt.

Es wird für Salzburg gelten, auf die beiden unberechenbaren Flügelspieler Veljko Birmancevic und Lukas Haraslin, die beide gerne von außen zur Mitte ziehen, aufzupassen. In der Defensive könnten die Prager ihrerseits Probleme mit den schnellen Mozartstädter Stürmern bekommen, nachdem Kapitän und Defensivorganisator Ladislav Krejci den Verein im Sommer Richtung Spanien verließ.

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