So selbstbewusst nahmen die Niederlande die K.o.-Phase der Fußball-Europameisterschaft noch in Angriff - Bondscoach Frank de Boer sprach vor dem Spiel gegen Tschechien noch vom EM-Finaleinzug - und doch muss Oranje gleich nach dem ersten K.o.-Spiel die Koffer packen.
So richtig erwarten konnte man das nicht, immerhin ging die Elftal, die in der Gruppenphase keine Federn ließ, die Ukraine, Österreich und Nordmazedonien allesamt als klar bessere Mannschaft besiegte, als haushoher Favorit ins Achtelfinale gegen Tschechien - und doch steht am Ende eine 0:2-Niederlage zu Buche (Spielbericht >>>).
"Natürlich fühlt sich das jetzt schlecht an", sagt Holland-Verteidiger Matthijs de Ligt kurz nach dem Spiel gegenüber "NOS TV". Wohl kaum einer fühlte sich schlechter als der Juventus-Verteidiger, dessen Ausschluss nach 55 Minuten das Spiel komplett auf den Kopf stellte.
De Ligt: "Rote Karte der Unterschied"
Zwar waren die Tschechen auch schon vor der Roten Karte gegen de Ligt gut im Spiel, erst in Überzahl konnte der Underdog den Bock jedoch umstoßen. Aus Sicht der Niederlande ging von diesem Moment an natürlich alles schief.
"Wir haben das Spiel verloren wegen dem, was ich gemacht habe", so de Ligt, der unglücklich ausrutschte und den Ball als letzter Mann mit der Hand spielte. "Im Nachhinein hätte ich den Ball nicht aufkommen lassen sollen."
"Ich dachte, wir haben das Spiel unter Kontrolle. Wir hatten ein paar Chancen in der ersten Hälfte. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass sie so viele Chancen herausgespielt hätten, aber die Rote Karte hat den Unterschied gemacht", ist sich de Ligt sicher.
Niederlande "besser bis zur Roten Karte"
Ziemlich ähnlich sieht es Bondscoach Frank de Boer, der ebenfalls nicht das Gefühl hatte, dass man das Spiel mit gleich vielen Feldspielern über die volle Distanz verloren hätte. "Sie waren ein schwerer Gegner, aber ich denke, wir waren die bessere Mannschaft bis zur Roten Karte. Wir haben das Spiel dominiert", so de Boer.
(Text wird unter dem Video fortgesetzt)
"Nach der Roten Karte haben wir sie nicht mehr unter Druck setzen können. Alles ist einfach schwerer geworden", meint Oranje-Kapitän Georginio Wijnaldum, der allerdings davor auch schon eine starke tschechische Mannschaft gesehen hat.
De Jong: "Manchmal hat man solche Tage"
"Das gesamte Spiel war schwer. Wir konnten nicht damit umgehen, wie sie uns unter Druck gesetzt haben. Wir haben in der ersten Halbzeit einige Chancen kreiert, aber nicht genug. Die Tore, die wir zugelassen haben, die Chancen, die wir nicht gemacht haben, all das geht dir jetzt durch den Kopf", sagt ein zerknirschter Wijnaldum.
Etwas in Erklärungsnot gerät hingegen Frenkie de Jong: "Es war fast so, als wären wir müde gewesen, aber ich weiß nicht wovon", so der Barcelona-Strippenzieher.
"Für manche Spieler war das das größte Spiel der Karriere. Es war nicht so, als wären wir nicht gut eingestellt gewesen. Wir haben sie nicht unterschätzt, sondern unser Spiel einfach nicht aufziehen können. Manchmal hat man solche Tage", so de Jong.
Schick: "Haben gekämpft wie die Löwen"
Einen ganz anderen Ton schlägt man freilich auf Seiten der Tschechen an, denen die erste ganz große Sensation der EM-Endrunde gelang. "Das ist wirklich verrückt, dass wir ins Viertelfinale gekommen sind. Das hätte niemand gedacht, dass wir das schaffen würden und wir so weit kommen in diesem Turnier. Wir sind unglaublich glücklich", sagt Goalgetter Patrik Schick, der am Sonntag bereits seinen vierten Turniertreffer erzielte.
Auch der Leverkusen-Spieler muss eingestehen, dass die Rote Karte Tschechien enorm in die Karten gespielt habe. "Ich denke, ausschlaggebend war heute die Rote Karte für de Ligt, dann war es natürlich relativ leicht für uns."
Dennoch sei der Erfolg letztlich ganz klar auf die eigene Mannschaft zurückzuführen. "Wir sind vielleicht nicht die großen Stars wie die Niederländer, aber wir hatten heute, und das ist wohl der Schlüssel, einen Wahnsinns-Teamspirit. Wir haben gekämpft wie die Löwen und das hat dann den Unterschied gemacht. Wir hatten unglaublich viel Motivation. Das war wirklich Wahnsinn."
Im Viertelfinale (Samstag, 18 Uhr in Baku) bekommt es Tschechien nun mit Dänemark zu tun. Eine Mannschaft, bei der das Wort "Teamspirit" ebenfalls nicht zu kurz kommt.