news

Die ultimative Sieger-Aura: Rodri auf dem Weg zur Legende

Dass der wichtigste Spieler im spanischen EM-Kader nicht immer im Mittelpunkt steht, kommt nicht von ungefähr. Ein Porträt:

Die ultimative Sieger-Aura: Rodri auf dem Weg zur Legende Foto: © getty

Wer hätte noch vor einem Monat gedacht, dass Spanien als Topfavorit nach dem Titel bei der EURO 2024 greift?

Unter Nationalcoach Luis de la Fuente legt "La Furia Roja" eine bemerkenswerte Endrunde hin und steht völlig zurecht im Finale von Berlin. Gegen England kann man die vierte Europameisterschaft der Verbandsgeschichte gewinnen und damit zum alleinigen Rekordsieger aufsteigen (Sonntag, ab 21:00 Uhr im LIVE-Ticker).

Die Iberer sehnen einen neuerlichen Triumph herbei. Der bisher letzte schloss 2012 die dominanten Jahre des Tiki-Taka-Fußballs, den Stars wie Xavi, Iniesta und Busquets zur Perfektion ausübten, ab, seither mussten die erfolgsverwöhnten Spanier zahlreiche bittere Pleiten einstecken.

Nun schickt sich ein Mann als Kopf einer neuen Generation an, die legendären Karrieren seiner Vorgänger möglicherweise sogar zu übertrumpfen. Der 28-jährige Rodri agiert seit Jahren auf Weltklasse-Niveau, die große Bühne überlässt er in der Regel aber seinen Mitspielern, sowohl im Verein als auch in der Nationalmannschaft.

Der gebürtige Madrilene ist vielleicht nicht der schillerndste Star oder am besten vermarktete Typ im Fußballkosmos. Und doch ist er der wichtigste Spieler dieser Europameisterschaft.

LAOLA1 beleuchtet seine inspirierende Geschichte.

Rodris ungewöhnlicher Aufstieg: Erst aussortiert, dann gefeiert

Rodri wurde 1996 in Madrid geboren. In der fußballverrückten Hauptstadt wurde auch er schon als Kind in den Bann des weltweit größten Sports gezogen. 

Mit elf Jahren schloss sich Rodri der Jugendabteilung von Atletico Madrid an. Der Teenager fiel in seiner Altersklasse nicht sonderlich auf, eine Karriere im Profibereich war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen.

2013 wurde er bei den "Colchoneros" schließlich aus dem Nachwuchsprogramm aussortiert. Als Grund gab der Klub "mangelnde physische Stärke" an.

Noch hatte Rodri nicht mit dem Fußball abgeschlossen. Er erhielt eine zweite Chance und übersiedelte an die Mittelmeerküste nach Villarreal. Abseits des großen Trubels legte er fortan eine "gesunde Entwicklung" hin und wuchs zu einem vielversprechenden Nachwuchsspieler heran.

Über die zweite Mannschaft wurde Rodri behutsam an den Profibereich herangeführt und nach einer Saison als Einwechselspieler im Jahr 2017 schließlich zum Stammspieler beim "Gelben U-Boot". So gemächlich seine Karriere zu Beginn an Fahrt aufnahm, so rasant ging es nach dem Durchbruch bergauf. 

Rodri im Duell mit Lionel Messi
Foto: © getty

Rodri war plötzlich ein anderer Spieler. Er hatte körperlich zugelegt und strahlte eine ungeheure Ruhe und Souveränität aus. Atletico bügelte seinen Fehler aus - für schlappe 20 Millionen Euro, die man Villarreal für seinen ehemaligen Jugendspieler überwies. 

Nur ein Jahr später wurde dann ein gewisser spanischer Startrainer aus der Premier League auf den Mittelfeldmann aufmerksam und erkor ihn zum Transferziel Nummer eins aus. 

Manchester City zog die Ausstiegsklausel in Rodris Vertrag und lotste den damals 23-Jährigen für rund 70 Millionen Euro ins Team von Pep Guardiola. Obwohl Geld im blauen Teil Manchesters bekanntlich keine Rolle spielt, sorgte die hohe Ablösesumme für einen zu diesem Zeitpunkt erst sechsfachen Nationalspieler dennoch für Verwunderung.

Noch war Rodri ein relativ unbeschriebenes Blatt im Konzert der Großen. Das sollte sich jedoch schleunigst ändern.

Guardiolas wichtigstes Puzzlestück

Citys Plan mit Rodri war klar: Dem Spanier würde ein wenig Eingewöhnungszeit gewährt werden, um sich an das Tempo und die Härte in der Premier League anzupassen. Mittelfristig sollte er schließlich die Nachfolge des alternden Kapitäns Fernandinho antreten. 

Das Problem war nur, dass Rodri schlicht zu gut für einen Platz auf der Bank war. Von Tag eins an hatte er unter Pep Guardiola seinen Stammplatz sicher, stopfte im defensiven Mittelfeld die wichtigen Löcher und hielt seinen Vordermännern rund um Kevin de Bruyne und David Silva den Rücken frei. 

Mit Rodri wurde Manchester City zu einem noch gefährlicheren "Biest". In den Folgejahren dominierte die Guardiola-Elf den englischen Fußball fast nach Belieben, gewann zuletzt viermal in Folge die Premier League und 2023 schließlich die Champions League. 

Und praktisch immer leistet der Spanier seinen Beitrag. Seit seiner Ankunft stand Rodri in 172 von 190 möglichen Ligaspielen auf dem Platz und beweist unheimliche Ausdauer, Konstanz und Verletzungsresistenz. 

Guardiola würde seinem Star beim vollen Spielplan der Citizens gerne häufiger Pausen gönnen. Nur würden dabei die Siegchancen seiner Mannschaft deutlich schwinden.

No Rodri, no Party

Es ist schwer genug, Manchester City zu schlagen. Wenn aber Rodri mitspielt, ist es fast unmöglich. 

Am letzten Spieltag der abgelaufenen Saison stellte der 28-Jährige einen neuen Rekord auf: Unglaubliche 74 Pflichtspiele in Serie (Niederlagen in Elfmeterschießen ausgeschlossen) hatte der Sechser wettbewerbsübergreifend im "Skyblues"-Dress nicht mehr verloren und überflügelte somit die bisherige Bestmarke von Paolo Maldini und Demetrio Albertini für die AC Milan

Just im nächsten Spiel, dem FA-Cup-Finale gegen Stadtrivale Manchester United (1:2), endete die Serie. Die "Red Devils" konnten den ultimativen Endgegner Rodri endlich bezwingen. 

CL-Triumph 2023: Rodris bisher größte Sternstunde
Foto: © getty

Es grenzt fast an ein Wunder, dass der Spanier in diesem Finale nicht abliefern konnte. Eigentlich ist er ein Mann für die großen Momente und wichtigen Tore, wie er im CL-Finale gegen Inter Mailand mit seinem Siegtreffer zum 1:0 unter Beweis stellte. 

Nach vielen Jahren war der Scheichklub mit unerschöpflichen finanziellen Möglichkeiten im Juni 2023 endlich am Ziel angekommen. Nicht nur deswegen wissen die Anhänger, was sie an ihrem Sieggaranten haben. "Can we talk about Rodri", war in der Vorsaison von einem Banner aus dem Sektor zu lesen.

Mit Sicherheit hat Rodri noch mehr Anerkennung verdient. Die Klasse des spanischen Kapitäns ist unbestritten und die wachsende Titelsammlung erlaubt Vergleiche mit den größten Persönlichkeiten dieses Sports. Schlagzeilen schreiben in der Regel aber Offensivstars wie Erling Haaland, Kevin de Bruyne oder aktuell Super-Youngster Lamine Yamal

Ein etwas anderer Superstar

Dass Rodri zumeist nicht im Rampenlicht steht, mag an seiner Rolle als defensiver Mittelfeldspieler liegen, vielmehr jedoch wohl an seiner Person selbst. Anders als viele Spielerkollegen "scheut" er fast das öffentliche Leben.

Kein Instagram-Account, keine privaten Einblicke, keine Skandale - Rodri lässt lieber auf dem Rasen Taten sprechen, anstatt sich über Social Media selbst zu inszenieren und vermarkten.

Obwohl dem Fußball immer die absolute Priorität galt, hielt sich Rodri auch andere Optionen offen. Während seines Durchbruchs bei Villarreal begann er ein Studium in Betriebswirtschaftslehre, welches er nach vier Jahren erfolgreich abschloss. 

Rodri bezeichnet diese Phase noch heute als "beste Zeit meines Lebens". Die ersten Jahre wohnte er sogar - trotz seines bereits hohen Einkommens - weiterhin im Studentenheim. 

Der Erfolg ist ihm nicht zu Kopf gestiegen, obwohl die Aussagen seines Trainers jegliche Egotrips zulassen würden.

City-Fans würdigen Rodris Leistungen

Guardiola würde sich selbst aufstellen

"Er ist mit Abstand der beste Mittelfeldspieler der Welt und könnte in jeder Generation spielen", schwärmte Guardiola unlängst in einem Interview. Dabei bezog er sich auf die große Ära des FC Barcelona unter Johann Cruyff in den 90er Jahren, in der Guardiola selbst als noch junger Spieler seine Füße im Spiel hatte. 

"Er würde mit mir um die Position im defensiven Mittelfeld konkurrieren. Da wäre er dann in Schwierigkeiten geraten", scherzte der Coach, um seriös anzufügen: "Ich hätte mich natürlich selbst aufgestellt, aber Cruyff war schlauer als ich - und hätte in jeder Hinsicht auf Rodri gesetzt."

Guardiola ist bekannt dafür, seine Spieler - oft mitunter in etwas übertriebener Art und Weise - in den Himmel zu loben. Im Fall von Rodri gehen mittlerweile aber sogar dem Startrainer die Superlative aus.

Irgendwann wird Rodri als einer der besten Mittelfeldspieler der Premier-League-Geschichte abtreten. Im Schatten vieler Superstars, aber doch herausragend.

Solle er seine Nationalmannschaft am Sonntag zum EM-Titel führen, wären einmal alle Scheinwerfer auf ihn gerichtet.


17 Fakten zum 17. Geburtstag von Wunderkind Lamine Yamal

Kommentare