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Stutzen machen stutzig

LAOLA1-Chefredakteur Harald Prantl macht sich Gedanken über die Fußballer-Bekleidung. Der 7. Teil seines EURO-Tagebuchs:

Stutzen machen stutzig

Sie sind die Gelsen im Biotop Fußballer-Bekleidung. Du musst einen Weg finden, irgendwie mit ihnen zu leben, für irgendwas sind sie ja doch auch gut, in Wahrheit nerven sie aber einfach nur. Stutzen.

Stell dir vor, du bist ein Multimilliarden-Dollar-Unternehmen, gibst völlig absurde Summen für Testimonials aus, hast Forschungsabteilungen mit Mitarbeitern deren akademische Grade sie zur Rettung der Welt befähigen würden, und dann stellst du ein Produkt her, mit dem nur die wenigsten zufrieden sind. Stutzen.

Trikot mit Ärmeln, kurze Hose, Stutzen, Schienbeinschoner, Schuhe – aus diesem Quintett besteht die vom "International Football Association Board" (IFAB) zwingend vorgeschriebene Ausrüstung eines Fußballers. Ohne geht’s nicht.

Drei dieser Dinge tragen alle Fußballer gerne und klaglos. Diese Erkenntnis lässt sich daran ableiten, dass sie auch in den Trainings, worauf das IFAB keinen reglementierenden Zugriff hat, getragen werden. Gut, über Ärmel lässt sich fallweise streiten. Und wer seine kurze Hose stets so hochkrempelt wie Marko Arnautovic, hinterlässt Zweifel an der Zweckmäßigkeit selbiger. Aber egal.

Bleiben noch die Schienbeinschoner und die Stutzen. Erstere können nicht ohne Zweitere. Irgendwo müssen sie ja reingesteckt werden. Wobei angesichts der Größe so manches "Deckels" Handy-Hersteller einen Backflash in die guten, alten Nokia-Zeiten bekommen oder darauf abgestellte Bierkrüge klaustrophobisch würden.

Wer sich an frühere Zeiten erinnern kann, als Schienbeinschoner noch mit dazugehörigem Knöchelschutz daherkamen und Maße, Masse und Flexibilität einer Anti-Riot-Polizeiausrüstung aufwiesen, kann derartige Entwicklungen nachvollziehen.

"Stutzen sind die letzte Bastion der Individualität auf dem Rasen"

Und das Regelwerk gibt es her. Sie "müssen groß genug sein, um angemessenen Schutz zu bieten", steht da. Außerdem: "Die Spieler sind für die Größe und Zweckdienlichkeit ihrer Schienbeinschoner selbst verantwortlich."

Zurück zu den Stutzen. Sie sind das letzte subversive Element der Einheitskleidung Fußball-Trikot. In Zeiten, in denen keiner mehr das Shirt in die Hose steckt, mangels Kragen keiner mehr welche aufstellen kann und andersfarbige Radler-Hosen nicht mehr erlaubt sind, ist die Tragweise der Stutzen die letzte Bastion der Individualität auf dem Rasen, auch für motorisch minder Begabte.

Es gibt jene, die sie am liebsten gar nicht tragen würden, sie also so weit nach unten rollen, dass nur mit viel Fantasie vorstellbar ist, dass da irgendwo noch ein Schienbeinschoner versteckt sein kann.

Dann gibt es jene, die gegenteilig die Stutzen über dem Knie tragen. Warum auch immer.

Und es gibt die Fußballer-Spezies, die sich Löcher in die Stutzen schneidet. Weil sie zu eng anliegen und deshalb unangenehm zu tragen sind. Die Löcher verringern die Spannung.

Kurzum, der Hersteller schafft es nicht, längere Socken herzustellen, die alle Profifußballer unisono als nicht störend empfinden.

Achja, falls sich jemand fragt, wozu Stutzen eigentlich gut sein sollen: Sie helfen den Unparteiischen, die Spieler voneinander zu unterscheiden.

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