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Italien nach Chiellini & Co: Ohne Stars zum nächsten Wunder?

Der "Squadra Azzurra" fehlen die großen Namen. Unter Spaletti geht man in eine neue Ära, an deren Anfang durchaus eine bärenstarke EURO stehen könnte.

Italien nach Chiellini & Co: Ohne Stars zum nächsten Wunder? Foto: © getty

In Italiens Medien sind die Szenen aus dem Jahr 2021 im Moment wieder allgegenwärtig: Englands Youngster Bukayo Saka läuft an, schießt nach rechts unten. Keeper Gianluigi Donnarumma ahnt die Ecke und kann parieren, macht die "Azzurri" damit zum Europameister.

Die anschließende WM 2022 verpasst Italien (einmal mehr) überraschend, weil man im Playoff an Nordmazedonien scheitert, eine Blamage für die stolzen Kicker vom Stiefel.

Auch in der Quali für die diesjährige EURO wackelte Italien gehörig, zitterte sich mit einem 0:0 gegen die Ukraine zur Endrunde. Dort warten in der Gruppe B mit Spanien und Kroatien zwei echte Hammer-Gegner, Außenseiter Albanien, der zum Auftakt mit 2:1 bezwungen wurde, komplettiert das Quartett.

Jahre des Umbruchs

(Text wird unterhalb fortgesetzt)

Der Weg nach dem Verpassen der WM 2022 war für die "Squadra Azzurra" ganz generell ein sehr herausfordernder, war er doch von zahlreichen einschneidenden Veränderungen begleitet.

Die italienische Nationalmannschaft erlebte in den letzten beiden Jahren einen Umbruch. Zunächst beendete mit Girogio Chiellini eine Legende die Teamkarriere, im Spätsommer 2023 legte Roberto Mancini mitten in der EM-Quali völlig überraschend seine Funktion als Teamchef nieder, um nach Saudi-Arabien zu wechseln.

Das zog selbstredend harsche Kritik in seiner Heimat nach sich.

Alle Torschützenkönige der EM-Geschichte

Für ihn übernahm Napolis Meister-Coach Luciano Spalletti, der neuen Schwung brachte, den Kader umbaute und die Italiener in eine neue Ära führte. Für viele Fans ist Italien bei der EURO damit eine Wundertüte. Ein klarer Titelkandidat sind die "Azzurri" nicht, aber das war bereits 2021 so. Zu den Geheimfavoriten sind sie aber jedenfalls zu zählen.

Unscheinbar, aber mit viel Qualität

Der Kader wirkt unscheinbar, weil echte Star-Kicker im Verhältnis zu früher rar gesät sind.

Denn neben Chiellini fehlen im Vergleich zu den vergangenen Endrunden auch weitere große Namen aus verschiedenen Gründen. Darunter Leonardo Bonucci, Ciro Immobile, Marco Verratti (sportliche Gründe) sowie Sandro Tonali (Sperre wegen illegaler Wetten). Die Abwehr-Asse Francesco Acerbi und Giorgio Scalvini fehlen verletzt.

Von dieser Unscheinbarkeit darf man sich aber keineswegs täuschen lassen. Denn die “Squadra Azzura” verfügt über eine Menge Qualität. Der Italien-Kader im Überblick>>>

"Es fehlt uns an nichts, um mit den besten Teams zu konkurrieren."

Luciano Spalletti

Teamchef Spalletti macht auch gar keinen Hehl daraus, dass er sein Team - welches mittlerweile seit sieben Spielen ungeschlagen ist und unter dem 65-Jährigen bisher nur eines verlor - als Anwärter auf den großen Wurf sieht.

"Wir spielen in Deutschland für den Sieg", hielt er vor dem Turnier fest. "Es fehlt uns an nichts, um mit den besten Teams zu konkurrieren", ist er überzeugt. Seine Spieler hätten das Zeug dafür, "sie müssen die Überzeugung haben, dass sie es schaffen".

Europameisterliches Grundgerüst

In Italien herrscht bereits Aufbruchstimmung, denn auch die Fans erkennen bisweilen das Potenzial im neu formierten Team.

Im Kader finden sich nach wie vor zahlreiche Europameister. Gianluigi Donnarumma, Alessandro Bastoni, Giovanni Di Lorenzo, Nicolo Barella und Jorginho bilden das Grundgerüst unter Spalletti und sind auch bei der EURO 2024 gesetzt.

Das Fehlen der Stars vergangener Jahre birgt zudem die Möglichkeit für zahlreiche Turnier-Neulinge, sich auf größter Bühne in die Auslage zu spielen. Italien verfügt über zahlreiche potenzielle Shooting-Stars.

Mann mit Top-Star-Potenzial: Federico Dimarco
Foto: © getty

Allen voran gilt es hier Federico Dimarco zu nennen. Der Teamkollege von Marko Arnautovic bei Inter Mailand (Marktwert 50 Millionen Euro) kann als Linksverteidiger, auf der linken Außenbahn in einem System mit Dreierkette sowie als linker Mann in der Dreierkette spielen.

Dimarco besticht defensiv durch gutes Stellungsspiel und Verbissenheit im Zweikampf. Genauso schaltet er sich aber in die Offensive ein, seine Flanken sind berüchtigt, zudem schließt er auch gerne selbst ab. In der abgelaufenen Saison lieferte er 14 Scorerpunkte für Inter.

Auch Stefan Poschs Teamkollege beim FC Bologna, Riccardo Calafiori, kann dieselben Positionen spielen und gilt am Stiefel nicht nur aufgrund seiner Optik als "neuer Maldini". Wer ihn spielen sieht, fühlt sich zwangsläufig an die Milan-Legende erinnert.

Davide Frattesi (24) ist zwar bei Inter kein klassischer Stammspieler, das liegt aber eher daran, dass Simone Inzaghi dort seine Joker-Qualitäten so sehr schätzt. Im Nationalteam ist er dagegen meist von Beginn weg gesetzt und eine latente Gefahr.

Für Inter war er 2023/24 der viertbeste Scorer (acht Tore, sieben Vorlagen). In der Nationalelf kommt er bis dato auf fünf Tore und eine Vorlage in 15 Partien.

Eingebürgerter Goalgetter und ein Aufsteiger der Saison

So gar nicht am Schirm haben viele Fans auch Michael Folorunsho.

Der 26-Jährige kann im Mittelfeld fast jede Position besetzen und hat eine überragende Serie-A-Saison bei Abstiegskandidat Hellas Verona hinter sich. Es wäre nur wenig verwunderlich, wenn er nach der Saison bei einem größeren Klub andocken würde. Mehrere Italo-Medien sehen in ihm den Aufsteiger der Saison.

Zu guter Letzt ist freilich noch über Mateo Retegui zu sprechen. Er matcht sich mit Giacomo Raspadori und Gianluca Scamacca um den Platz im Angriffs-Zentrum. Gegen Albanien bekam Scamacca den Vorzug.

Der gebürtige Argentinier debütierte nach seiner Einbürgerung erst im Vorjahr für die "Squadra Azzurra" und schlug voll ein. In acht Länderspielen traf er bislang vier Mal.

Fazit: Starkes Kollektiv mit Überraschungs-Potenzial

Zwar fehlen den Italienern im Vergleich zu früher große Namen, weshalb man den "Azzurri" nur auf den ersten Blick keine großen Erfolge zutraut. Die Stärke des "neuen" Italien liegt aber ohnedies im Kollektiv.

Mit Luciano Spalletti hat man einen Mann an der Seitenlinie, der die Fähigkeit hat, das Potenzial seiner Spieler voll auszuschöpfen. Schon bei Napoli gelang ihm dies eindrucksvoll.

Da in dem neu zusammengestellten Team zahlreiche Akteure noch keine oder nur geringe Turniererfahrung haben, gilt es abzuwarten, wie man sich gegen die großen Namen in der Gruppe schlägt. Die erste Gelegenheit dazu gibt es am Donnerstag im Schlager gegen Spanien (21 Uhr im LIVE-Ticker >>>).

Italien ist eine Wundertüte, aber eine mit großem Potenzial - mit dem Zeug dazu, auch heuer zu überraschen.


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