England kann es also doch.
Die "Three Lions" konnten im EM-Halbfinale gegen die Niederlande endlich, wenn auch nicht über die gesamte Spielzeit, ihr volles Potenzial ausschöpfen und wurden dafür mit dem neuerlichen Final-Einzug belohnt. Joker Ollie Watkins traf die "Elftal" in der Nachspielzeit mitten ins Herz und versetzte England in Freudentaumel. Der Spielbericht >>>
"Wir haben so gut gespielt", sagte Teamchef Gareth Southgate. "Es war ein kompliziertes Spiel und wir haben immer wieder umstellen müssen, besonders wie wir defensiv agiert haben. Wir mussten uns immer anpassen und die Spieler haben so viele gute Entscheidungen getroffen."
Aggressiv und zielstrebig ans Werk gegangen
Dies spiegelte sich auch am Spielfeld wider.
Von der ersten Sekunde an wirkten die Engländer, besonders im Vergleich zu ihren bisherigen Turnier-Leistungen, wie ausgewechselt. Aggressiv und zielstrebig ging man ans Werk, diese Tugenden ließ die Star-Truppe in den letzten Wochen vermissen. Daher machte es den "Three Lions" auch nichts aus, dass die Niederländer als erstes Team zuschlugen.
Auf Xavi Simons' Traumtor (7.) hatte Harry Kane per Elfmeter (15.) nur acht Minuten später die richtige Antwort. Es war ein Strafstoß, den Schiedsrichter Felix Zwayer erst nach Anraten des VAR und Sichtung der Bilder gab, welcher jedoch unumstritten war.
Verursacher Denzel Dumfries wusste: "Es gibt den Kontakt mit Kane, also weiß man auch, dass der Schiedsrichter den Elfmeter geben kann. Dafür übernehme ich die Verantwortung. Man tut alles, um ein Tor zu verhindern, aber dann passiert so etwas. Das ist wirklich scheiße."
Southgates Goldgriff
Danach hatten beide Teams bei Aluminium-Schüssen von Dumfries (30.) respektive Phil Foden (32.) das Glück auf ihrer Seite. "Vor allem in der ersten Hälfte hatten wir das Spiel unter Kontrolle", meinte Kapitän Kane. "In der zweiten Hälfte waren die Niederländer ein bisschen stärker."
Ein Treffer gelang "Oranje" jedoch nicht, und als alles bereits auf eine Verlängerung hindeutete, schlug Ollie Watkins zu. Der Stürmer von Aston Villa wurde zuvor für Kane eingewechselt, der Joker nagelte das Leder aus spitzem Winkel flach an Niederlande-Keeper Bart Verbruggen vorbei ins Netz.
Teamchef Southgate bewies ein goldenes Händchen. "Wir haben das Gefühl gehabt, dass wir ein bisschen Energie verlieren, und Harry (Kane) hat einen kleinen Schlag abbekommen. Ollie (Watkins) kann gut pressen und diese Tiefenläufe machen. Wir haben das Gefühl gehabt, dass es ein guter Moment war, das zu versuchen."
"Watkins war geduldig, das Tor war herausragend, er hat es verdient", sagte Kane. Der Torschütze sehnte diesen Moment "seit Wochen herbei. Ich bin sehr dankbar, dass ich die Gelegenheit bekommen habe. Als ich den Ball einschlagen gesehen habe, habe ich gedacht: 'Das gibt's ja nicht.'"
In der 81. Minute kam neben ihm auch Chelsea-Youngster Cole Palmer ins Spiel. Watkins erzählte: "Ich schwöre beim Leben meiner Kinder: Ich habe zu Cole Palmer gesagt: 'Wir kommen rein, ich schieße das Tor und du spielst den Pass.' Das ist ein unglaubliches Gefühl."
"Wir sind entschlossen, Geschichte zu schreiben"
Dieses glückliche Ende sei speziell für seine Mannschaft und der Lohn für alles, das sie in diese Sache investieren", so Southgate. Er spricht die wichtige Rolle seiner Spieler auf der Ersatzbank an: "Das Wichtigste ist, dass alle aus dem Kader bereit sind, ins Spiel zu kommen." Jeder Einzelne habe gefightet, "keiner war ein Star", betonte Kane.
Der Stürmer blickte mit großer Vorfreude auf das Endspiel am Sonntag im Berliner Olympiastadion gegen Spanien (21:00 Uhr im LIVE-Ticker >>>), war sich jedoch bewusst: "Gegen Spanien wird es alles andere als einfach, aber wir sind entschlossen, Geschichte zu schreiben. Wir werden alles geben, was nötig ist."
Dann würde der Ritterschlag von Teamchef Gareth Southgate folgen. Die "Royal Family" drückt fest die Daumen, König Charles III. sprach der "Mannschaft die herzlichsten Gratulationen zum Einzug ins Finale aus" und sandte "unsere besten Wünsche für das Spiel am Sonntag."
Der König ermutigte die "Three Lions", "den Sieg ohne Wundertore in letzter Minute oder Elferdramen zu fixieren, denn ich bin sicher, dass dann die Belastung für die kollektive Herzfrequenz und den Blutdruck der Nation gemildert werden würde."
Schon 2021 griffen Southgate und Co. nach dem Pokal für den Europameister, damals nahm das Finale im Londoner Wembley Stadium gegen Italien im Elfmeterschießen jedoch ein tragisches Ende. Diesmal soll die Geschichte erfreulicher enden.
Koeman: "Das ist Fußball"
Für die Niederlande heißt es hingegen weiter Warten auf den ersten EM-Titel seit 1988.
Der Stachel saß angesichts der späten Niederlage tief. "Wenn du in letzter Minute verlierst, tut das weh. Es ist Schmerz pur, aber du musst es trotzdem akzeptieren", sagte Abwehr-Star Virgil van Dijk. Der Kapitän sah seine Mannschaft in der zweiten Hälfte als das bessere Team. "Da dachten wir, dass ein Tor von uns in der Luft liegt."
Tat es jedoch nicht. "Mein Gefühl in den letzten 20 oder 25 Minuten war, dass wir frischer waren", sagte Bondscoach Roland Koeman und nahm die Pleite sportlich: "Aber sie haben ein großartiges Tor geschossen und das ist Fußball. Vielleicht hatten wir die Verlängerung verdient, aber es ist so."
Trotzdem könne man stolz auf die Spieler und das Nationalteam sein, "weil wir ein großartiges Turnier gespielt haben."