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"Lächerliche Handregel" - Dänemark-Teamchef tobt nach EM-Aus

Die Handspielregel - eine leidige Problematik, die auch das EM-Achtelfinalduell zwischen Deutschland und Dänemark überschattete. Das Unverständnis ist groß.

Foto: © getty

Thomas Delaneys Fußspitze bewahrte das deutsche Team vor dem Rückstand, Joachim Andersens Minimalberührung des Balls mit der Hand führte fast im Gegenzug zum vorentscheidenden Führungstor.

Wie selten zuvor hat der Videobeweis samt neuer Impulstechnik beim 2:0-EM-Achtelfinalsieg des Gastgebers gegen Dänemark Einfluss auf ein K.-o.-Spiel genommen. Das kam vielerorts nicht gut an.

"Ich habe echt genug von dieser lächerlichen Handregel", sagte Dänemarks Teamchef Kasper Hjulmand.

"Es geht um einen Zentimeter"

Eine Flanke von Deutschlands Außenverteidiger David Raum hatte die Hand von Andersen im Strafraum gestreift. Nach Ansicht der Videobilder entschied der englische Schiedsrichter Michael Oliver auf Elfmeter, den Kai Havertz in der 53. Minute zum 1:0 verwandelte.

"Wir können nicht erwarten, dass unsere Verteidiger mit den Händen auf dem Rücken laufen. Er ist normal gelaufen, gesprungen und wurde aus einem Meter angeschossen", sagte Hjulmand.

Die Entscheidung ist aber durch die Regeln gedeckt, zumal eine Verbreiterung des Körpers stattgefunden hat. "Ich wäre auch angefressen, wenn es andersrum gewesen wäre. Aber die Regel ist so und das muss man akzeptieren", schilderte DFB-Teamchef Julian Nagelsmann seine Sicht.

Sein Gegenüber ärgerte aber nicht nur das, sondern genauso die Zentimeter-Abseitsentscheidung, die den Führungstreffer von Andersen verhinderte. "So sollten wir nicht den Videoschiedsrichter benutzen. Es geht um einen Zentimeter", echauffierte sich der 52-Jährige.

Wenn eine Entscheidung gut sei, solle man das vom Mond aus sehen können, es daher nicht um ein paar Zentimeter gehen. "Meiner Meinung nach ist das nicht, wie Fußball sein sollte", betonte Hjulmand. Als Gegner des VAR wollte er sich aber nicht bezeichnen. "Nein, ich mag den VAR. Die Technologie ist gut für den Sport." Es müssten allerdings Wege gefunden werden, um einige Dinge zu verbessern. Dazu würde auch die Schnelligkeit der Entscheidungen zählen.

Guardian: "Topfußball" in Gewalt der "Technokratie"?

Die sorgten am Samstagabend für viel Gesprächsstoff. Das auch im Lager der erfolgreichen Deutschen. "Bei Handspiel bin ich noch so ein bisschen zwiegespalten, das ist so ein bisschen subjektiv. Man versucht, gewisse Regeln zu machen. Ich glaube, dass nicht alle im Sinne des Fußballs sind. Wenn man selbst Fußball gespielt hat und auch auf hohem Niveau, dann weiß man, dass es natürliche Bewegungen sind", sagte Mittelfeldspieler Ilkay Gündogan.

Zustimmung gab es von Ex-DFB-Star Michael Ballack, der bei MagentaTV zu Protokoll gab: "Wie willst du denn aus einem Meter den Arm runternehmen? Der kann doch gar nicht reagieren." Auch sein Ex-DFB-Kollege Dieter Hamann ärgerte sich. "Es ist das erste Mal, dass ich mir ernsthafte Sorgen um unser schönes Spiel mache. Snicko verbesserte Kricket, Hawkeye verbesserte Tennis. Die Technologie ist dabei, den Fußball zu ruinieren", schrieb er auf X.

Ähnliche Einschätzungen waren auch aus britischen Medienberichten herauszulesen. "Ein wildes, hektisches, manchmal mitreißendes Spiel wurde zunächst von den Elementen und dann von der tödlichen Technokratie unterbrochen, die den Topfußball erdrückt", war etwa im "Guardian" zu lesen.

Die Dänen waren die Leidtragenden, im Gegensatz zum EM-Halbfinale 2021 war diesmal schon im Achtelfinale Endstation. Ein Szenario, das sich abgezeichnet hatte. Mittlerweile acht Partien sind die Dänen bei großen Turnieren sieglos.

Höjlund als Chancentod, Hjulmand nicht unumstritten

Bei der WM 2022 und jetzt gab es insgesamt nur drei Tore. "Wir müssen es schaffen, mehr Chancen zu kreieren", ist sich Hjulmand bewusst. Gegen Deutschland mangelte es auch an der Effizienz, vor allem bei Rasmus Höjlund, der drei Topchancen ausließ. "Ich bin irritiert, hätte treffen müssen. Ich nehme die Verantwortung zu 100 Prozent auf mich, auch wenn ich noch jung bin und es meine erste EM war", verlautete der 21-jährige Ex-Sturm-Graz-Stürmer. Hjulmand machte ihm keinen Vorwurf und sieht bei seinem Team eine "große Zukunft".

Ob er als Teamchef weiter vorangehen darf, wird sich weisen. Schon vor dem Achtelfinale hatte es Kritik gegeben, wie zuvor auch 2022 nach dem Aus nach der Gruppenphase bei der WM. Hjulmands Vertrag läuft noch bis 2026, er rechnet nach "zwei sehr guten Europameisterschaften" mit einem Verbleib.

"Wir werden alles analysieren, darüber sprechen und dann werden wir sehen, wie wir die Mannschaft verbessern können", sagte der 52-Jährige.


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