Julian Nagelsmann hat einen Tag nach dem bitteren EM-Out von Gastgeber Deutschland bei der Fußball-EM mit Tränen in den Augen sein Turnierfazit gezogen.
"Wir haben es geschafft, die Menschen zu einen. Wir hätten gerne den Fans mehr gegeben, wir hätten gerne den Titel geholt", sagte der 36-Jährige bei der Abschlusspressekonferenz im Teamquartier in Herzogenaurach. Die DFB-Elf war am Freitagabend durch ein 1:2 nach Verlängerung gegen Spanien im Viertelfinale ausgeschieden.
Die Deutschen konnten nach den enttäuschenden Auftritten bei der WM 2018, EM 2021 und WM 2022 wieder einmal mit Leistung überzeugen. Und Nagelsmann war es gelungen, aus dem Team eine eingeschworene Gemeinschaft zu machen.
"Ich war noch bei keinem anderen Turnier, aber mir wurde gesagt, dass es nicht immer so war, dass jeder Spieler das Camp mit Tränen in den Augen verlassen hat nach sechs Wochen zusammen. Wir hatten ein überragendes Gemeinschaftsgefühl", verlautete der Bundestrainer.
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DFB-Verantwortliche begeistert: "Unglaublicher Spirit"
Positive Worte kamen auch von Rudi Völler. "Es war unser Wunsch, uns an die Weltspitze heranzuspielen, ich glaube schon, dass uns das gelungen ist", sagte der DFB-Sportdirektor. Zwar sei die DFB-Auswahl "noch nicht da, wo wir hin möchten, sonst wären wir ein, zwei Runden weitergekommen" - die Auftritte seien aber "bemerkenswert" gewesen, ergänzte Völler.
Gegen die Spanier habe er eine "außergewöhnliche" Leistung gesehen. "Nach einem Rückstand zurückzukommen, wäre vor einigen Monaten noch unvorstellbar gewesen."
Florian Wirtz hatte die DFB-Truppe nach dem Rückstand durch Dani Olmo mit seinem Tor kurz vor Ablauf der regulären Spielzeit in die Verlängerung gerettet. Dort kam nach einem Treffer von Mikel Merino in der 119. Minute das späte K.o.
Dieses veranlasste auch Bernd Neuendorf zu keinen schlechten Worten. Ganz im Gegenteil: "Er hat eine unglaubliche Energie ausgestrahlt, einen unglaublichen Spirit", sagte der DFB-Präsident über Nagelsmann.
Nagelsmann richtet Fokus bereits auf die WM 2026
Dieser gab als nächstes Ziel gleich den WM-Titel 2026 in den USA, Mexiko und Kanada aus. Zuvor brauche er allerdings eine kleine Auszeit. "Ich bin sehr glücklich, dass ich verlängert habe. Ich freue mich auch, wieder anzugreifen, aber ein paar Tage müsst ihr mir schon geben, die brauche ich", sagte Nagelsmann.
Personell kündigte er für die kommenden sportlichen Aufgaben zwar personelle Ergänzungen an. Man werde die Mannschaft aber "nicht neu zusammenwürfeln". Die Spieler müssten sich in ihren Vereinen nun beweisen. Der Tag nach dem Aus war aber noch nicht derjenige für konkrete Entscheidungen.
Nagelsmann rechnet damit, dass Kapitän Ilkay Gündogan weiter auflaufen wird. "Klar freue ich mich, wenn er weitermacht. Stand jetzt gehe ich auch davon aus, dass er weiter zur Verfügung steht", sagte Nagelsmann.
Mit dem Karriereende von Toni Kroos breche hingegen "ein Pfeiler weg". Der Weltmeister von 2014 hängt seine Schuhe an den Nagel. "Eine gewisse Leere ist da. Das ist auch normal, angesichts der weitreichenden Konsequenzen nach dem Spiel. In erster Linie ist es eine Enttäuschung über das Turnier-Aus", erzählte Kroos. Er wollte allerdings "nicht groß jammern".
Wie geht es bei den anderen DFB-Urgesteinen weiter?
Viel wichtiger war auch ihm das Positive hervorzukehren. "Wir waren absolut auf Augenhöhe mit Spanien. Wir sind wieder auf Augenhöhe mit den Besten", betonte der sechsfache Champions-League-Sieger. Ob ihm auch andere verdienstvolle Akteure mit DFB-Teamrücktritten folgen werden, wird sich zeigen.
Die Zukunft von Goalie Manuel Neuer (38) und Thomas Müller (34) ist ungewiss. "Wir haben jetzt noch keine Entscheidung, in welche Richtung es für sie weitergeht, getroffen", sagte Nagelsmann.
Müller spürt, dass seine Zeit wohl vorbei ist. "Es kann schon sein, dass es das letzte Spiel war", gab er nach seinem 131. Länderspiel zu Protokoll.
Neuer äußerte sich zurückhaltender. "Ich habe gesagt, ich mache mir nach dem Turnier Gedanken", sagte die ewige Nummer eins und bemerkte zum Zeitraum: "Das heißt nicht heute oder morgen, das kann ein halbes Jahr oder länger dauern." Im Herbst wartet mit der Nations League die nächste Herausforderung.