Es war ein wahrer Kraftakt, den der SK Rapid Wien am Donnerstagabend hinlegen musste.
Vor über 14.000 Zusehern liefen die Grün-Weißen gegen Neftchi Baku lange dem 1:2-Rückstand aus dem Hinspiel in der UEFA Europa Conference League hinterher, erst Marco Grüll konnte in der 66. Spielminute für etwas Erleichterung sorgen.
Damit waren die Hütteldorfer zumindest in der Verlängerung, in der Comebacker Ferdy Druijf das erlösende 2:0 erzielte und somit zum Matchwinner wurde (Spielbericht >>>).
"Ein spannender Abend mit wunderschönem Ausklang", beschreibt es Rapid-Coach Ferdinand Feldhofer im "ORF"-Interview auf den Punkt. Nur um gleich nachzulegen, dass es "eigentlich ein Wahnsinn ist, dass wir das Spiel nicht nach 90 Minuten entschieden haben."
Rapid machte sich selbst das Leben schwer
Denn Chancen boten sich gegen den Vizemeister Aserbaidschans zur Genüge.
Sage und Schreibe 32 Torschüsse feuerten die Rapid-Spieler in 120 Spielminuten ab, doch nur vier Abschlüsse gingen auch tatsächlich auf das gegnerische Tor - zwei davon fanden schließlich ihren Weg ins Netz. Daher waren sich Kicker und Coach unisono einig, woran es wieder einmal in dieser Saison lag: an der mangelnden Chancenverwertung.
"Wir müssen einfach früher ein Tor machen", meint etwa Druijf. Möglichkeiten dafür waren schon in der ersten Spielhälfte vorhanden, als sowohl Maximilian Hofmann per Kopf, aber auch Nicolas Kühn mit einem frechen Lupfer nur die Latte getroffen haben. Der Deutsche ließ zudem früh im Spiel eine Eins-gegen-Eins-Situation ungenützt.
"Wir müssen ganz einfach mehr Tore erzielen. Man will nicht ins Elfmeterschießen gehen, das ist eine 50:50-Situation", weiß Druijf.
Sein Trainer pflichtet ihm bei und erklärt, dass die Partie anhand der Tormöglichkeiten nach 90 Minuten auch "6:2 oder 7:3 hätte ausgehen können. Wir haben uns das Leben viel zu schwer gemacht. Über die zwei Spiele sind wir aber hochverdient aufsteigen", stellt Feldhofer fest.
"Über 30 Schüsse ist ein Fabelwert"
Der Schlüssel im Rückspiel sei gewesen, dass man nie zurückgesteckt hat. "Wir haben immer nach vorne verteidigt, den Abschluss gesucht, uns nicht die Moral nehmen lassen und waren nie verzweifelt – ganz im Gegenteil. Wir sind immer weiter gegangen", freut sich der Steirer über den Kampfgeist und Willen seiner Truppe.
"Doch das Thema Chancenverwertung begleitet uns jetzt schon ein bisschen", meint der 42-Jährige. "Ich bin froh, dass wir zu vielen Abschlüssen kommen - das wollen wir auch. Und ich denke, es wird irgendwann viel einfacher werden", hofft der Vorauer, dass der Knoten bald platzt.
Trotz der fehlenden Effizienz ist Feldhofer bemüht, die gute offensive Darbietung hervorzuheben. "Über 30 Schüsse ist ein Fabelwert, das sieht man ganz selten." Aber er weiß auch: "In der Verlängerung reicht dieser Stangenschuss nach einem Freistoß oft, dass man verliert, wenn man die Tore nicht selbst macht."
Bei angesprochenem Stangenkracher von Neftchi-Kapitän Emin Mahmudov war es im Allianz Stadion kurzzeitig mucksmäuschenstill, ebenso wie bei der einen oder anderen Kontergelegenheit der Gäste in der regulären Spielzeit, bei denen der SCR nicht nur einmal Glück hatte, nicht in Rückstand zu geraten.
Erst soll die Tabellenführung in der Bundesliga wieder her...
(Artikel wird unter dem VIDEO fortgesetzt)
Daher will sich Feldhofer nicht festlegen, ob das Rückspiel die bisher beste Leistung in der noch jungen Saison war. Aber: "Die Richtung stimmt. Wir wissen, dass uns der Umbruch über den Sommer hinaus begleiten wird. Einige Spieler sind erst zurückgekommen. Es wird noch dauern, bis sie voll bereit sind. Da müssen wir ganz genau hinsehen", sagt er.
Aktuell funktioniere die Rotation ganz gut, "denn wir haben trotz der Dreifachbelastung keine verletzten Spieler. Das war nicht immer so", betont Feldhofer, dass man heuer bei der Kaderplanung vieles richtig gemacht hat.
Daher wird man am Sonntag im Bundesliga-Spitzenspiel beim LASK (17 Uhr im LIVE-Ticker) auch wieder frische Gesichter in der Rapid-Startelf stehen. Spieler wie Bernhard Zimmermann oder Christoph Knasmüllner drückten gegen Neftchi 120 Minuten lang die Bank und werden für die Begegnung beim Tabellenführer besonders gefragt sein.
Zusätzlich soll das eingefahrene Erfolgserlebnis dabei helfen, die Müdigkeit zu überwinden. "Das sollte uns Schwung geben für Sonntag", sagt Feldhofer, der einen weiteren Grund anführt, um "über die Grenzen zu gehen": "Wir haben eine super Chance, die Tabellenführung zurückzuerobern."
...,dann der erste Schritt für die ECL-Gruppenphase gesetzt werden
Und danach will man schon wieder den nächsten Schritt für die Conference-League-Gruppenphase setzen. Denn zwei Hürden haben Feldhofer und Co. auf dem steinigen Weg bereits überwunden, nun soll aber der FC Vaduz, der sich überraschend gegen Konyaspor durchsetzte (HIER nachlesen >>>), nicht zum Stolperstein werden.
"Ich habe es in der Kabine gehört, etwas überraschend", lautet Feldhofers erste Reaktion auf den kommenden Playoff-Kontrahenten. "Man sieht, dass es keinen Underdog mehr in Europa gibt, es ist sehr eng. Jeder kann jeden schlagen", konstatiert der Übungsleiter. Der es "einfach schön findet, dass wir uns damit überhaupt befassen dürfen", bleibt Feldhofer nach der Zitterpartie gegen Neftchi Baku demütig.
Für das Aushängeschild Lichtensteins ist man aber gewappnet. "Wir hatten unsere Beobachter dort, haben beide Mannschaften analysieren lassen. Wir sind gut beraten, es wieder sehr ernst zu nehmen und dann wirklich den letzten Schritt in Richtung Gruppenphase zu machen", will der SCR-Trainer das vermeintliche Traumlos nicht unterschätzen.
Die Erwartungshaltung ist ihm aber bewusst: "Wenn man den Namen hört, sind wir wieder Favorit. Und damit können wir ganz gut leben."