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FK Borac Banja Luka: Der ewige Kampf nach Unabhängigkeit

Ein Klub, der sich Bosnien-Herzegowina nicht angehörig fühlt. Welche Brisanz hinter dem Erfolg steckt, der auch dank politischer Machenschaften erreicht wurde.

FK Borac Banja Luka: Der ewige Kampf nach Unabhängigkeit Foto: © getty

In der Serie "Das Tor zur Welt" nehmen wir internationale Fußball-Klubs und ihre Geschichten genau unter die Lupe. Wir beleuchten die Hintergründe, die in der schnellen, täglichen Berichterstattung gerne untergehen.

Von Aston Villa und Benfica Lissabon über Europas größten Fußballklub IF Brommapojkarna, den Fan-Verein CS Lebowski bis hin zum von Kinder gegründeten Vikingur Reykjavik haben wir schon einige interessante Klubs porträtiert. Hier kannst du alle nachlesen >>>

In der 35. Ausgabe geht es um Rapids Gegner im Achtelfinale der UEFA Conference League, FK Borac Banja Luka.


FK Borac Banja Luka ist nach der Unabhängigkeit Bosnien-Herzegowinas im Jahr 1992 als erst zweiter bosnischer Verein in einen europäischen Hauptbewerb eingezogen. Bereits in der vergangenen Saison nahm HŠK Zrinjski Mostar an der UEFA Conference League teil.

In der 22. Ausgabe unserer Rubrik "Das Tor zur Welt" haben wir den Klub aus dem Süden Bosnien-Herzegowinas vorgestellt.

Der Name Borac, auf Deutsch "Kämpfer", spiegelt den kämpferischen Geist des Vereins wider. Gegründet wurde FK Borac am 4. Juli 1926 und zählt damit zu den ältesten Fußballvereinen des Landes.

Die Namensgebung geht auf den Publizisten, kommunistischen Revolutionär und Widerstandskämpfer Veselin Masleša zurück. Gemeinsam mit Marktarbeitern gründete er den Klub in einem Kaffeehaus. Die Arbeiter, die sich in ihrer Tätigkeit nicht wertgeschätzt fühlten, fanden in Masleša einen Fürsprecher, der ihnen mit den Worten Mut machte:

"Wenn ihr kämpft, dann kämpft ihr für die Rechte der Arbeiter. Warum sollte der Klub dann nicht 'Borac' heißen?"

Bereits 1928 konnte FK Borac seinen ersten Titel bei einem Turnier in Sarajevo feiern – ein Erfolg, der bis heute einen besonderen Stellenwert hat. Dass der Klub auf internationaler Bühne den ethnisch vielfältigen Staat Bosnien und Herzegowina repräsentiert, bleibt hingegen eine Randnotiz.

Der Zwiespalt mit Bosnien

Bis 1995 war FK Borac Banja Luka Teil der jugoslawischen Liga. 1988 gelang dem Klub eine echte Sensation: Als einziger Zweitligist in der Geschichte des Wettbewerbs gewann Borac den nationalen Pokal. Auch auf internationaler Bühne konnte der Verein Akzente setzen. 1992 sicherte sich Borac den Titel in der letzten Ausgabe des Mitropacups, einem traditionsreichen Turnier für Klubs aus Mitteleuropa.

Heute gehört FK Borac dem bosnischen Fußballverband an. Brisant ist jedoch die politische und geografische Lage: Banja Luka, nach Sarajevo die zweitgrößte Stadt Bosniens, liegt in der Republika Srpska (RS), einer der beiden autonomen Entitäten des Landes. Die RS ist mehrheitlich von serbischstämmigen Bosniern bewohnt – in Banja Luka liegt ihr Anteil bei rund 91 %, gefolgt von Bosniaken (4 %) und Kroaten (3 %).

Eine Stadt, viele Kulturen: Ferhadija-Moschee (links) und die Christ-Erlöser-Kathedrale (rechts)
Foto: © GEPA

Die Geschichte Bosnien-Herzegowinas ist untrennbar mit dem Bosnienkrieg (1992–1995) verbunden, der im Zuge des Zerfalls Jugoslawiens ausbrach. Der blutige Konflikt endete mit dem Dayton-Abkommen, das die heutige staatliche Struktur mit den zwei autonomen Landesteilen – der Föderation Bosnien und Herzegowina sowie der Republika Srpska – festlegte.

Doch auch fast 30 Jahre nach Kriegsende bestehen ethnische Spannungen fort, die sich besonders im Fußball offenbaren. Die Fans von FK Borac, bekannt als "Lešinari" (Geier), machten dies zuletzt mit lautstarken Sprechchören deutlich.

"Wir brauchen keinen Titel, denn Bosnien ist nicht unser Staat. Borac soll in Europa nur als serbisch wahrgenommen werden."

Diese Parolen skandierten sie beim Auswärtsspiel gegen Tuzla City, als Borac in der vergangenen Saison mit einem 6:2-Sieg den Grundstein für den dritten Meistertitel der Vereinsgeschichte legte.

Wenn Fans ihr Leben aufs Spiel setzen

Die "Lešinari" zählen zu den leidenschaftlichsten und lautstärksten Fangruppen des Balkans. Innerhalb der Fußballszene des ehemaligen Jugoslawiens genießen sie hohes Ansehen – nicht nur wegen ihrer bedingungslosen Unterstützung, sondern auch wegen der hitzigen Atmosphäre, die sie in den Stadien entfachen. Der LASK bekam dies bereits zu spüren, ebenso wie die Wiener Austria. Doch nicht nur in der Heimat stehen die Fans hinter ihrem Klub – auch auswärts sind die Spieler von FK Borac auf ihre treuen Anhänger angewiesen.

Ein eindrucksvolles Beispiel dafür war der historische 1:0-Auswärtssieg gegen APOEL Nikosia auf Zypern, als ÖFB-Legionär Stefan Savić das entscheidende Tor erzielte. Es war der erste Sieg von Borac in einem europäischen Hauptbewerb seit der Unabhängigkeit Bosniens – ein Moment, der gebührend gefeiert wurde.

Bekannt für den exzessiven Einsatz von Pyrotechnik, sorgten die Borac-Fans auch hier für eindrucksvolle Bilder. In der europäischen Fankultur, insbesondere auf dem Balkan, sind solche Szenen keine Seltenheit. Ein Großteil der Anhänger von Borac stammt aus serbischen Familien, und ihre Identität ist eng mit der Geschichte der Region verknüpft.

Borac muss in Wien ohne ihre "Lešinari" auskommen
Foto: © GEPA

Während des Jugoslawienkriegs schlossen sich viele Mitglieder der "Lešinari" der Armee der Republika Srpska an. Sie sahen sich als Verteidiger der serbischen Gebiete und Kultur, eine Haltung, die bis heute in der Fan-Gemeinschaft nachwirkt. Einer der bekanntesten Anhänger, Saša Končar, kam im November 1991 nahe Zadar ums Leben. Ihm zu Ehren wurden bereits mehrere Benefizturniere organisiert, um seiner zu gedenken.

Doch nicht immer bleibt es bei friedlicher Unterstützung. Die "Lešinari" sind auch für Negativschlagzeilen bekannt. So kam es beim Playoff-Rückspiel der UEFA Conference League gegen Olimpija Ljubljana zu heftigen Ausschreitungen. Die UEFA reagierte mit einer Geldstrafe und verhängte zudem ein Zuschauerverbot für Borac-Fans beim bevorstehenden Auswärtsspiel in Wien-Hütteldorf.

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Dodik und "sein" FK Borac Banja Luka

Das gilt auch für prominente Unterstützer aus der Politik. Einer der einflussreichsten Förderer ist Milorad Dodik, Präsident der Republika Srpska und bis 2022 Mitglied des dreiköpfigen Staatspräsidiums von Bosnien-Herzegowina.

Kurz vor dem Europapokal-Duell gegen Rapid Wien wurde Dodik zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt und für sechs Jahre von politischen Ämtern ausgeschlossen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Grund: Er ignorierte wiederholt Entscheidungen des Hohen Repräsentanten für Bosnien-Herzegowina, Christian Schmidt.

Der Politiker aus Laktaši gilt als eine der umstrittensten Figuren der Region. In einem ohnehin fragilen Bosnien-Herzegowina verfolgt er offen das Ziel, die Republika Srpska unabhängig zu machen. Seine engen Verbindungen zu Kreml-Chef Wladimir Putin unterstreichen seine politische Ausrichtung.

Dodik unterstützt FK Borac Banja Luka nicht nur ideell, sondern auch finanziell. Seine Zuwendungen haben den Klub vor dem finanziellen Kollaps bewahrt – indirekt könnte man ihn sogar als Miteigentümer bezeichnen.

Borac war einst hoch verschuldet. Laut Vico Zeljković, Dodiks Neffen und ehemaligem Klubpräsidenten, beliefen sich die Verbindlichkeiten auf mehrere Millionen. Der Absturz in die Drittklassigkeit drohte. Zwar musste der Verein zwischenzeitlich in die zweite Liga absteigen, doch der sofortige Wiederaufstieg gelang. Seit der Saison 2019/20 spielt Borac durchgehend in der höchsten bosnischen Spielklasse.

Milorad Dodik (zentral) gilt als großer Förderer von Borac
Foto: © GEPA

Sportlich erlebt der Klub eine erfolgreiche Phase und hat sich auch international einen Namen gemacht. Und wenn es etwas zu feiern gibt, gehört Milorad Dodik stets zu den ersten Gratulanten.

Ein Herzensprojekt

So auch nach dem Triumph über Olimpija Ljubljana. "Banja Luka und die Srpska jubeln!" schrieb der 65-Jährige auf "X" und ließ in einem ausführlichen Beitrag seinen Emotionen freien Lauf. Er betonte die Bedeutung des Sieges – nicht nur für den Klub, sondern auch für die Bevölkerung von Banja Luka und die gesamte Republika Srpska. Eine Erwähnung von Bosnien-Herzegowina? Fehlanzeige.

Der Erfolg wurde gebührend gefeiert, und selbst Serbiens Präsident Aleksandar Vučić ließ es sich nicht nehmen, in Banja Luka mitzujubeln.

Neben den UEFA-Prämien, die Borac durch den Achtelfinaleinzug generiert, fließen weiterhin beträchtliche Summen aus Dodiks Händen in die Klubkasse. Besonders dringend ist eine Modernisierung der Heimstätte, des Gradski Stadion Banja Luka, das in die Jahre gekommen ist.

Eröffnet am 5. September 1937, fasst das Stadion 9.730 Sitzplätze. Mit seiner charakteristischen Leichtathletikbahn, der Lage im Herzen der Stadt und direkt am Ufer des Vrbas-Flusses besitzt es einen besonderen Charme. Die Außenmauern sind mit unzähligen Graffiti verziert – ein Spiegelbild der leidenschaftlichen Fankultur.

Doch der nostalgische Flair kann nicht darüber hinwegtäuschen: Die Arena braucht dringend eine Generalüberholung. Eine Modernisierung wurde bereits vom bosnischen Verbandschef Vico Zeljković angekündigt, und ein Großteil der Finanzierung soll ausgerechnet von Dodik kommen. Satte 100 Millionen konvertible Mark (rund 50 Millionen Euro) will der verurteilte Politiker in das Projekt investieren. Sein Ziel: FK Borac Banja Luka soll das modernste Stadion Bosniens erhalten.

Das Gradski Stadion Banja Luka steht vor einer Modernisierung
Foto: © GEPA

Aufschwung mit Schattenseiten

Doch der sportliche Aufstieg von FK Borac Banja Luka wirft auch kritische Fragen auf – insbesondere in einer Liga, die seit jeher mit Korruptionsvorwürfen zu kämpfen hat. Manipulationsskandale, fragwürdige Schiedsrichterentscheidungen und mutmaßlich gekaufte Spiele werfen einen Schatten über den bosnischen Fußball.

Ein Klub, der laut Kritikern von diesen Umständen profitieren soll, ist Borac. Trotz der Einführung des VAR in der bosnischen Premijer Liga werden auffallend viele Entscheidungen zugunsten des Vereins getroffen.

Bereits zu Beginn der Saison 2024/25 sorgten strittige Szenen für Aufsehen: Im Duell mit FK Sarajevo wurde Borac ein spätes Abseitstor zum 1:1-Ausgleich zugesprochen. Noch größer war der Aufschrei nach dem Pokal-Spiel gegen Čelik Zenica. Ein gehaltener Elfmeter wurde zur Wiederholung freigegeben – obwohl der Torhüter mit einem Fuß auf der Linie stand und kein gegnerischer Spieler den Strafraum vorzeitig betrat. Beim zweiten Versuch traf Herrera zum 1:0, am Ende siegte Borac mit 3:0.

Der Unmut in der Liga wächst. Zahlreiche Vereine beklagen eine systematische Bevorteilung des Klubs. In bosnischen Medien wird Verbandspräsident Vico Zeljković – Ex-Borac-Boss, Neffe von Milorad Dodik und eine zentrale Figur im Fußballverband – als Hauptverantwortlicher für diese umstrittenen Entwicklungen gesehen.

Bundesliga-Flair bei Borac

Trotz der Anschuldigungen gelingt es Borac, namhafte Persönlichkeiten für den Klub zu gewinnen. Kurz vor Jahresende wurde Zvjezdan Misimović als technischer Direktor verpflichtet. Der 84-fache bosnische Nationalspieler, einst Bundesliga-Star beim VfL Wolfsburg, ist zudem strategischer Berater des bosnischen Nationalteams. Mit seiner Erfahrung soll er den Kader stabilisieren und die sportliche Entwicklung vorantreiben.

Der Kader von Borac ist international breit aufgestellt. Neben zahlreichen Spielern aus dem Balkanraum (Bosnien, Serbien, Kroatien, Slowenien, Nordmazedonien) stehen auch Akteure aus den Niederlanden, Brasilien, Kolumbien und Österreich unter Vertrag.

Besonders im Fokus: Stefan Savić, der seine fußballerische Ausbildung in Salzburg genoss. Auch Ex-WSG-Tirol-Spieler Sandi Ogrinec sorgte für einen besonderen Moment: Sein Treffer im Hinspiel gegen Olimpija Ljubljana ebnete den Weg zum historischen Aufstieg.

Ex-Rapidler Srdjan Grahovac ist Kapitän von Borac
Foto: © GEPA

Der Kämpfer im Mittelfeld

Das Herzstück des Teams ist Kapitän Srdjan Grahovac – ein Borac im wahrsten Sinne des Wortes. Der zentrale Mittelfeldspieler wurde in Banja Luka ausgebildet und war bei allen drei Meistertiteln des Klubs dabei. 2014 wagte er den Sprung ins Ausland, seine erste Station war Rapid Wien. Nach Stationen bei FC Astana und HNK Rijeka kehrte er 2019 zu den Hütteldorfern zurück und bestritt insgesamt 195 Pflichtspiele für den österreichischen Rekordmeister – so viele wie für keinen anderen Klub in seiner Karriere.

2022 folgte der Wechsel in die Türkei zu Çaykur Rizespor, doch bereits ein Jahr später zog es den mittlerweile 32-Jährigen zurück nach Hause. Mit Borac verfolgt er nun ein klares Ziel: die Erfolgsserie auf internationaler Bühne fortsetzen.

Gegen Rapid Wien geht der bosnische Meister als Außenseiter ins Duell – eine Rolle, mit der der Klub bestens zurechtkommt. Beflügelt von der Euphorie soll die Reise des FK Borac Banja Luka nach dem Achtelfinale noch lange nicht zu Ende sein.

VIDEO: Das ist Rapids Gegner FK Borac Banja Luka


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