Dass der SK Sturm Graz in der Conference League gegen Slovan Bratislava gelost wurde, bedeutet auch ein Wiedersehen mit Kevin Wimmer.
Der ÖFB-Legionär heuerte im Sommer 2023 nach seinem Abschied von Rapid beim slowakischen Traditionsverein an.
Dort läuft für den 31-Jährigen alles nach Plan – bis auf das Ärgernis, dass er ausgerechnet die "Rückkehr" nach Österreich gelbgesperrt verpasst.
Im LAOLA1-Interview gewährt er Einblicke in das Leben bei seinem neuen Arbeitgeber.
LAOLA1: Was war dein erster Gedanke, nachdem euch Sturm Graz zugelost wurde?
Kevin Wimmer: Ich habe mir schon länger gedacht, dass es cool wäre, gegen eine österreichische Mannschaft zu spielen, und bis zum letzten Spieltag gehofft, dass der LASK noch irgendwie den dritten Platz in der Europa League schafft. Damit wäre auch mein Jugendverein möglich gewesen. Es ist also schön, dass wir Sturm erwischt haben. Es ist allerdings auch ein sehr schwieriges Los. Mein einziges Problem ist nur, dass ich im Hinspiel mit drei Gelben Karten gesperrt bin. Das betrifft das Spiel in Graz. Das ist das Einzige, was meine Vorfreude auf Österreich ein wenig bremst.
LAOLA1: Was kommt mit Slovan Bratislava auf den SK Sturm zu? In der slowakischen Liga habt ihr die meisten Tore geschossen und die wenigsten kassiert.
Wimmer: Wir sind eine Mannschaft, die fast immer sehr gut organisiert ist und diszipliniert agiert. Uns ist wichtig, dass wir defensiv gut stehen. Wenn jeder seinen Job macht, ist es schwierig, gegen uns zu gewinnen, denn für ein eigenes Tor sind wir immer gut (schmunzelt). Nach vorne hin haben wir umschaltstarke Spieler. Ich hoffe, wir geben unseren Stürmer Aleksandar Cavric nicht ab, das wäre ein großer Verlust (Cavric ist mittlerweile nach Japan gewechselt, Anm.).
LAOLA1: Auffällig ist die Routine im Kader. Neun Spieler haben den 30. Geburtstag hinter sich, einige sind sogar deutlich über 30. Dazu kommen einige Endzwanziger. Wie abgezockt ist diese Mannschaft?
Wimmer: Einige Spieler – und da gehöre ich auch dazu – verfügen über sehr viel Routine. Das ist schon ein Unterschied zu anderen Mannschaften, vor allem wenn man es mit Österreich vergleicht, wo sehr auf die Jugend gesetzt wird. Wir haben schon auch junge Spieler dabei, die forciert werden. Gleichzeitig wird eben viel Wert auf Erfahrung und Routine gelegt. Man merkt auch, dass sich diese Routine positiv bemerkbar macht – zum Beispiel bringen wir Führungen meistens über die Runden, weil wir einfach die nötige Cleverness haben. Wenn du mal in Rückstand bist, lässt sich die Mannschaft eher selten bis gar nicht aus der Ruhe bringen. Wir verfolgen einfach unseren Spielplan weiter. Aber man braucht auch junge und hungrige Spieler. Ich finde, wir haben eine sehr gute Mischung.
LAOLA1: Drehen wir die Frage um: Was kommt mit Sturm auf Slovan zu?
Wimmer: Sturm leistet sehr gute Arbeit, hat hohe Qualität, sehr talentierte, junge Spieler. Sie verlieren immer wieder wichtige Säulen, schaffen es aber immer wieder, das aufzufangen. Es macht wirklich Spaß, Sturm zuzuschauen. Sie versuchen nach Ballgewinn auf schnellstem Wege zum Torabschluss zu kommen. Das ist ein sehr attraktiver Fußball. Es kommt nicht von irgendwo, dass Sturm immer jene Mannschaft ist, die am engsten an Salzburg dran ist. Vielleicht ist diese Saison wirklich einmal der Meistertitel drinnen. International ist das Überwintern sicher ein Erfolg. In Graz war es für jeden Gegner schwierig. Wir werden zwei sehr gute Tage brauchen. Das wissen hier natürlich alle, auch wenn ich es sicherlich noch mehr als der Rest von uns verfolge. Wir wissen, dass es ein sehr schwieriges Los ist. Wir können auch richtig einschätzen, dass wir nicht der große Favorit sind.
LAOLA1: Inwiefern bist du in Bratislava gerade als "Scout" gefragt? Ich nehme an, du wirst immer wieder Fragen über Sturm beantworten müssen.
Wimmer (schmunzelt): Wenn die Trainer auf mich zukommen, versuche ich zu helfen. Wobei es mit den ganzen Videoanalyse-Systemen heutzutage eh schon einfacher geworden ist. Aber ich habe natürlich schon selbst gegen einige Spieler gespielt, und weiß von den Spielen mit Rapid auch, wie heimstark Sturm ist. Ich kann mit meiner Erfahrung sicher ein bisschen weiterhelfen – und im Rückspiel dann auch am Platz. Ich hoffe logischerweise, dass dann noch alles offen ist. Das Match in Bratislava wird sicher ausverkauft, der Gäste-Block mit Sturm-Fans voll sein. Das wird stimmungstechnisch sehr interessant.
"In der Slowakei ist Slovan halt Slovan – das Maß aller Dinge. Jeder Kontrahent hat das große Ziel, gegen Slovan zu gewinnen."
LAOLA1: Die Zuschauerzahlen sind bei Slovan im Europacup deutlich höher als in der Liga. Herrscht durch das Überwintern in der Conference League eine gewisse Euphorie?
Wimmer: Schon bei meiner Unterschrift hat man mich darauf hingewiesen, dass international immer deutlich mehr Zuschauer kommen. In der Liga ist es ein wenig schwieriger, die Leute davon zu überzeugen, ins Stadion zu kommen. Stimmungsmäßig ist es trotzdem in Ordnung – also es ist nicht so, dass es Geisterspiele sind. International waren einige richtig coole Spiele dabei, und auch gegen Sturm werden sicher 22.000 Zuschauer im Stadion sein. Im Europacup zu überwintern, ist auch für Slovan keine Selbstverständlichkeit. Deswegen sind die Leute sehr euphorisch und motiviert, ins Stadion zu kommen
LAOLA1: Slovan ist die Nummer eins in der Slowakei. Wie würdest du den Verein und sein Selbstverständnis beschreiben?
Wimmer: In der Slowakei ist Slovan halt Slovan – das Maß aller Dinge. Jeder Kontrahent hat das große Ziel, gegen Slovan zu gewinnen. Die "Derbys" gegen Trnava sind sehr stimmungsvoll, da können sich die Fans wirklich überhaupt nicht leiden. Ich habe bislang nur das Auswärtsspiel erlebt, das war eine richtig geile Partie. Es ist vielleicht nicht ganz so wie bei Rapid gegen Austria, aber schon ähnlich, da war einiges los auf den Rängen. Generell merkt man einfach: Jeder in der Slowakei möchte, wenn möglich, für Slovan spielen. In den letzten fünf Jahren hat Slovan immer den Meistertitel geholt, das ist auch der Anspruch. Das ist nicht so einfach, die anderen Mannschaften rüsten auch auf, unter den Rivalen sind einige gute Mannschaften dabei. Aber momentan schaffen wir es, am konstantesten zu spielen, deswegen stehen wir auch vorne.
LAOLA1: Trainer Vladimir Weiss ist schon lange im Geschäft, ist in der Slowakei fünffacher Meistertrainer, war auch schon Teamchef in der Slowakei und in Georgien. Was ist er für ein Typ?
Wimmer: Ich bin positiv beeindruckt. Ich habe ihn vorher natürlich gekannt, aber nicht gewusst, wie er arbeitet oder im persönlichen Umgang ist. Er fordert uns im Training ordentlich, aber er ist auch ein sehr lustiger Mensch, macht immer gute Stimmung, weiß aber eben auch, wann man Gas geben muss. Und bei den Spielen ist er sowieso immer voll dabei (schmunzelt). Er weiß schon, wie er uns in der Halbzeit wachrüttelt, wenn es mal nicht so läuft. Man weiß natürlich auch, was er schon alles erreicht hat. Er ist eine richtige Autoritätsperson. Wenn er den Raum betritt, merkst du, wie ihn jeder respektiert. Sein Wort hat Gewicht. Ich bin jedenfalls sehr froh, dass er unser Trainer ist und hoffe, dass er das auch bleibt, solange ich bei Slovan bin.
LAOLA1: Sein Sohn Vladimir Jr. macht aus Slovan quasi ein "Familienunternehmen". Er ist mittlerweile 34, seine Karriere begann bei Manchester City und führte ihn unter anderem zu den Glasgow Rangers oder Espanyol Barcelona.
Wimmer: Er ist unser Kapitän, der im Herbst wegen Achillessehnenproblemen leider oft verletzt war, aber er befindet sich wieder im Training. Er ist ein wirklich unglaublicher Techniker mit einem richtig tollen Auge. Er hat nicht umsonst in der Jugend bei Manchester City gespielt und auch das eine oder andere Spiel bei den Profis absolviert. Du merkst einfach, dass er ein Ausnahmetalent mit sehr viel Qualität ist. Er ist sehr wichtig für unser Offensivspiel, weil er immer etwas kreieren kann. Oft denkst du dir, da geht nichts, aber er findet dann immer noch irgendwie einen Weg und eine Lücke. Es wäre sehr wichtig, dass er die restliche Saison fit bleibt.
LAOLA1: Wie intensiv tauscht ihr euch über eure Premier-League-Erfahrungen aus?
Wimmer: Das haben wir natürlich vor allem am Anfang gemacht. Aber da gibt es auch andere. Juraj Kucka zum Beispiel – ein super Typ! Mit ihm verstehe ich mich auch privat sehr gut. Er hat bei Watford gespielt, davor auch beim AC Milan, und das ist schon eine Hausnummer. Oder Innenverteidiger Guram Kashia. Er hat 110 Länderspiele für Georgien, ist dort Kapitän. Wir haben viele Spieler, die schon herumgekommen sind, und darüber wird auch gesprochen. Es ist interessant zu hören, was und wie sie es erlebt haben.
Sturm-Goalies: Von Konstanten und viel zu vielen Flops
LAOLA1: Wenn man dir zuhört, merkt man, dass es dir bei Slovan taugt. Die Vermutung liegt nahe, dass du im Sommer aus deiner Sicht die richtige Wahl getroffen hast.
Wimmer: Auf jeden Fall! Ich habe im Vorfeld natürlich mit Leuten gesprochen, die Slovan besser kennen. Es ist vielleicht nur eine Kleinigkeit, aber als Beispiel: Im Trainerteam sprechen alle Deutsch, und ganz am Anfang haben auch alle Deutsch gesprochen mit mir, da fühlst du dich gleich noch mal ein bisschen wohler. Mit der Sprache habe ich generell kein Problem, da wir viele Legionäre haben und in der Mannschaft Englisch gesprochen wird. Ich habe jedenfalls von Anfang an gemerkt, dass der Trainer mir vertraut, dass er mich mag. In der Mannschaft sind super Jungs dabei, mit denen ich mich auch privat sehr gut verstehe. Wenn du gleich das Gefühl hast, alle sind froh, dass du da bist, macht das eine großen Unterschied. Mir persönlich war dieses Vertrauen immer wichtig. Wenn du dich wohlfühlst, kannst du viel bessere Leistungen bringen. Dass es für uns als Mannschaft gut läuft, macht es natürlich auch einfacher. Aber auch persönlich haben meine Leistungen im Herbst gut gepasst.
LAOLA1: War es für dich ein gefühlter Neubeginn, bei dem du besonders auf ein passendes Umfeld geachtet hast?
Wimmer: Ich habe mich vor dem Wechsel mit dem Trainer, dem Präsidenten und auch Sportdirektor Robert Vittek – er spricht ebenfalls perfekt Deutsch, weil er viele Jahre in Deutschland gespielt hat – getroffen. Sie haben mir ein sehr gutes Gefühl gegeben. Aber natürlich weiß man es im Vorfeld nie. Wenn ein Verein einen Spieler will, wird oft mehr erzählt, als dann der Wahrheit entspricht. Aber bei Slovan hatte ich das Gefühl, dass wirklich alles so gemeint war, wie sie es mir gesagt haben. Sie haben sich sehr gut um mich gekümmert, mir alles gezeigt und erklärt, wie was abläuft. Der Trainer hat sich mit mir hingesetzt und erklärt, was er von mir erwartet und wie er gerne spielen lassen würde. Ich wollte sowieso zu Slovan wechseln, aber dann habe ich mir gedacht: Jetzt erst recht und ohne irgendwelche negativen Gedanken oder Zweifel! Ich war von Anfang an fest davon überzeugt.
"Ich fühle mich so, dass ich international und vor allem in einer europäischen Liga spielen und sportlich noch etwas erreichen will. Ich wollte nicht irgendwo hingehen, um einfach nur Geld zu verdienen und das Sportliche außen vor lassen."
LAOLA1: War dieser klare Cut auch notwendig, um das Kapitel Rapid hinter sich zu lassen?
Wimmer: Ich will auch von den zwei Jahren bei Rapid nichts missen. Aber für mich war es genau der richtige Schritt, in eine neue Liga zu gehen. In Österreich ist es sowieso schwierig, denn wenn du bei Rapid spielst, kommt danach eh nicht mehr so viel in Frage. Natürlich, für mich gibt es immer noch den LASK. Das ist mein Herzensverein, bei dem ich aufgewachsen bin und zum Profi wurde. Auf einen anderen Kontinent wollte ich nicht wechseln. Ich fühle mich so, dass ich international und vor allem in einer europäischen Liga spielen und sportlich noch etwas erreichen will. Ich wollte nicht irgendwo hingehen, um einfach nur Geld zu verdienen und das Sportliche außen vor lassen. Da hat Slovan natürlich einen großen Reiz auf mich ausgeübt.
LAOLA1: Vor allem wird es Zeit, mal Titel zu gewinnen. Wie groß ist die Sehnsucht bereits, einmal Edelmetall in den Händen zu halten?
Wimmer: Zweitliga-Meister mit dem 1. FC Köln und Regionalliga-Meister mit den LASK-Amateuren kann ich nicht wirklich dazuzählen, oder (lacht)? Wir sind auch im Cup noch dabei, den hat Slovan schon ein paar Jahre nicht mehr gewonnen. Aber das Hauptziel von allen im Verein, und das wird auch klar so kommuniziert, ist der Meistertitel. Wenn wir Meister werden, ist es auf jeden Fall eine sehr erfolgreiche Saison gewesen. Aber bis dahin warten noch viele schwierige Spiele.
LAOLA1: Wobei du ja in deiner Karriere schon eine recht konkrete Chance auf den Meistertitel hattest – und zwar in der sehr speziellen Premier-League-Saison 2015/16, als letztlich Sensationsteam Leicester City vor Tottenham geblieben ist.
Wimmer: Das war einfach eine Saison, wie wenn es vorbestimmt gewesen wäre. Für uns ist es richtig gut gelaufen – auch für mich, denn in der Rückrunde habe ich einige Spiele am Stück gemacht, bin also noch mehr involviert gewesen. Leicester war in so vielen Spielen eigentlich nicht die bessere Mannschaft. Aber sie sind immer gut gestanden, haben fast keine Tore kassiert und am Ende haben Riyad Mahrez oder Jamie Vardy vorne immer ein Tor gemacht. Sie haben richtig überperformt, es war einfach ein Märchen. Wir hatten eine echte Chance: Bei einem Sieg auswärts im Derby bei West Ham wären wir vorbeigezogen. Leider wurde es unsere einzige Niederlage in dieser Phase. Das war der Knackpunkt. Leicester hat gegen Ende hin nichts mehr abgegeben. Das weiß ich noch: Wir haben meistens vorgelegt und mussten am Tag drauf zuschauen, wie sie knapp 1:0 gewinnen. Leicester war eine unglaubliche Story, die es so wahrscheinlich nicht mehr so schnell geben wird. Für uns war es schade, denn für Tottenham wäre es auch unglaublich gewesen.
LAOLA1: Hast du dir das lange anhören müssen von Christian Fuchs, der damals mit Leicester triumphiert hat?
Wimmer: Der "Fuchsl" ist ein super Typ! Ich habe es ihm sehr gegönnt, weil er es sich verdient hat – er hatte generell tolle Jahre bei Leicester. Er war auch nicht der Typ, der dir das vorgehalten hat, sondern immer demütig und ein super Sportsmann. Daher war es auch kein Problem. Das wäre vielleicht bei anderen Spielern anders gewesen (lacht).
LAOLA1: Kommen wir noch mal zurück zu Slovan: Dein Vertrag läuft bis 2026. Soll es wirklich eine längerfristige Sache sein, oder spekulierst du damit, dass es auch ein Sprungbrett sein kann?
Wimmer: Für mich war es richtig positiv, dass sie mir einen Dreijahresvertrag angeboten haben. Damit hätte ich am Anfang gar nicht gerechnet. So wie es läuft, fühle ich mich wohl, es passt alles. Deswegen habe ich auch keine Gedanken, dass ich irgendwie weggehen wollen würde. Wenn es sportlich läuft, sowieso nicht. Passieren kann ja immer etwas, auch der Verein kann auf einmal irgendwelche anderen Vorstellungen haben. Aber Stand jetzt kann ich mir sehr gut vorstellen, bis zum Ende meines Vertrags hier zu spielen. Wenn ich fit bleibe und mich so fühle wie jetzt, wird auch das hoffentlich noch nicht das Ende sein.