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Kommentar: Wo es für die Bundesliga blamabel wird

Ein 18- und ein 16-Jähriger helfen Lille, Sturm schlecht aussehen zu lassen. Was tut sich in diesem Alterssegment eigentlich in Fußball-Österreich?

Kommentar: Wo es für die Bundesliga blamabel wird Foto: © GEPA

Als die schwarz-weiße Nordkurve in der Schlussphase "Steiermark" angestimmt hat und der Verlierer-Mannschaft noch während des Spiels von allen Tribünen-Seiten Respekt gezollt wurde, war dies der Beweis, dass auch 0:3-Niederlagen Gänsehaut-Momente parat haben können.

Dies fiel auch den Gäste-Vertretern auf. "Die Fans haben durchgesungen. Als Spieler ist das die Atmosphäre, vor der du spielen willst", unterstrich etwa Doppeltorschütze Jonathan David.

Nun spielt Lille in der Ligue 1 in der Regel vor größeren Kulissen. Aber vielleicht ist es ja dieser respektvolle Umgang, der zu Hause berichtenswert ist. Gerade für die jüngeren Akteure, die noch nicht so viel erlebt haben.

So wie Leny Yoro (18) und Ayyoub Bouaddi (16.).

Diese zwei Teenager halfen tatkräftig dabei mit, dass die Franzosen Sturm schlecht aussehen ließen.

Yoro gehört zu den gefragtesten Talenten der Welt. Real Madrid soll in der Pole-Position um die Dienste des Innenverteidigers stehen. Sein Marktwert beträgt 25 Millionen Euro, und das ist wohl nur ein Zwischenstand.

Auch Bouaddi wird bald viel, viel mehr wert sein als jene fünf Millionen Euro, die ihm "transfermarkt" aktuell zugesteht. Sagen wir so, der im Oktober 2007 geborene Assistgeber zum 1:0 spielte gegen Sturm in so mancher Szene nicht, wie man es von einem 16-Jährigen erwartet.

Was tut sich in Österreich?

Dieses Duo erinnerte daran, dass sich in Fußball-Österreich in diesem Alterssegment vergleichsweise nicht rasend viel tut.

An dieser Stelle muss man natürlich vorsichtig und vor allem fair bleiben. Es geht nicht darum, sich explizit mit Frankreich zu vergleichen. Die "Grande Nation" ist nicht umsonst einer der Branchen-Leader in Sachen Nachwuchsförderung, die Breite an Hoffnungsträgern ist beeindruckend.

Mit Warren Zaire-Emery (PSG, 60 Millionen) und Mathys Tel (Bayern, 50 Millionen) gibt es zwei 18-Jährige, die noch wesentlich teurer als Yoro gehandelt werden.

Aber letztlich macht die Dichte an Talenten den Unterschied – und vielleicht auch der Mut, wie früh man ihnen in einer Top-Liga wie der Ligue 1 eine Chance gibt.

Und in Österreich? Wir weisen immer wieder darauf hin, und das muss man gerade in guten ÖFB-Zeiten, dass sich in Sachen hoffnungsvoller Talente mehr tun könnte.

Diesbezüglich einige Beobachtungen:

  • Es gibt mit den Salzburg-Kickern Samson Baidoo (acht Millionen Euro) und Dijon Kameri (drei Millionen Euro) gerade einmal zwei Teenager, denen ein siebenstelliger Marktwert zugeschrieben wird. Baidoo hat in den vergangenen Monaten einen riesigen Schritt gemacht. Kameri muss gerade den Umweg über eine Schweiz-Leihe bei den Grasshoppers gehen.

  • Ansonsten tut sich auch im Profi-Kader der "Bullen" in Sachen ÖFB-Teenager nicht wirklich etwas. Wir sprechen hier vom eigentlich verlässlichsten Förderer von heimischen Talenten. Zuversichtlich stimmt, dass sich beim FC Liefering einige rot-weiß-rote Hoffnungsträger tummeln, denen man den Sprung zutraut.

  • Was fehlt, ist eine Art Posterboy. Sprich der ÖFB-Teenager, der vorangeht und zeigt, dass man sich auch in jungen Jahren durchsetzen kann. Vielleicht wächst der 17-jährige Rapidler Jovan Zivkovic in diese Rolle. Aber nach bislang gerade einmal sechs Bundesliga-Minuten verteilt auf drei Kurzeinsätze sollte man die Erwartung nicht zu früh zu hoch schrauben. Aber vielleicht ein wenig höher. Denn im Mai wird auch er schon 18.

  • Einen 18-jährigen Österreicher, der aktuell deutlich über vereinzelte Kurzeinsätze hinauskommt, gibt es derzeit nicht in der Bundesliga. Das ist blamabel und muss man auch deutlich so benennen.

Denn es muss einfach der Minimalanspruch von Fußball-Österreich sein, Jahr für Jahr wenigstens eine Handvoll Youngsters so weit entwickelt zu haben, dass sie mit 18 in einer europäischen Mittelklasse-Liga wenigstens um einen Stammplatz kämpfen.

Sturm als gutes Beispiel

Ein Kollege meinte unlängst leicht sarkastisch, dass Talente in Österreich eben langsam herangeführt werden. Aktuell scheint die Betonung mehr auf "langsam" als auf "herangeführt" zu liegen.

Es kann jedoch nicht das alleinige Fazit sein, heimischen Vereinen und vor allem ihren Trainern zu wenig Mut vorzuwerfen. Viel mehr gilt es immer dringender in Richtung Ausbildung zu blicken. Dass der ÖFB am Akademien-System schraubt, beruht hoffentlich auch auf der Erkenntnis, dass derzeit womöglich nicht gut genug ausgebildet wird.

Dies gilt im Großen – also aus gesamtösterreichischer Sicht. Aber auch im Kleinen, wenn man es auf die einzelnen Vereine herunterbricht. Und hier ist Sturm aktuell ein gutes Beispiel.

Der Mangel an Eigenbauspielern ist ein Dauerthema. Dass die Kampfmannschaft der eigenen Akademie qualitativ längst enteilt, ist inzwischen allerdings auch keine neue Erkenntnis.

Gleichzeitig geht der Vorwurf, dass sich Trainer Christian Ilzer scheut, Talente ins kalte Wasser zu werfen, ins Leere, schließlich ist Amady Camara auch erst 18. Der Stürmer aus Mali hat sich via 2. Liga aufgedrängt.

Diesen Schritt muss mit Leon Grgic das derzeit vielleicht größte hauseigene Talent erst gehen. Der 18-Jährige saß gegen Lille auf der Bank, wurde jedoch nicht eingewechselt. Es liegt an ihm, die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Jetzt ist das spannende Alter, in dem er sich durchbeißen muss. Beleidigt das Weite zu suchen, führt nicht immer ans erhoffte Ziel. Stimmt die Qualität, ist die Chance auf einen Durchbruch weiterhin eine faire.

Auch wenn es Vertreter von so mancher Vorgänger-Generation vielleicht leichter hatten, weil die Vereine noch flächendeckend auf den Österreicher-Topf gesetzt haben. Dieser hätte, am Beispiel Sturm, vielleicht Grgic gegenüber Camara begünstigt. Aber auch die Grazer pfeifen längst auf diesen Zuschuss.

Also gilt das Leistungsprinzip.

Das Fazit kann nur lauten, dass sich die Akademien und ihre Talente diesem stellen und schlichtweg besser werden müssen. Allen Hindernissen, etwa infrastruktureller Natur, zum Trotz.

Die Kollegen aus Lille sollten die Fantasie anregen, dass dieser Qualitätssprung sehr wohl möglich ist.

Man muss ja nicht gleich Talente für Real Madrid ausbilden. Wobei: Das wäre zumindest eine schöne Vision, oder?


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