Gerade einmal 252 Kilometer trennen die Raiffeisen Arena in Pasching vom Sinobo Stadium in Prag.
Die geografische Nähe zwischen dem LASK und Slavia Prag ist nicht von der Hand zu weisen, auch deshalb begleiten rund 1.000 Fans der "Athletiker" ihren Klub in die tschechische Haupstadt. Dort steigt am heutigen Donnerstag um 18:45 Uhr nämlich das Achtelfinal-Hinspiel in der UEFA Europa Conference League (im LIVE-Ticker).
Für viele Beobachter ist der neunfache tschechische Meister ein interessantes Los, welches an guten Tagen mehr als nur geärgert werden kann. Wirklich bekannt ist der Verein, der im Prager Stadtteil Vrsovice beheimatet ist, in Österreich allerdings nicht.
LAOLA1 stellt den Achtelfinal-Gegner des LASK daher genauer vor.
Der bürgerliche Klub der Intelektuellen
Die ersten Aufzeichnungen von Slavia Prag beginnen Ende des 19. Jahrhunderts. Am 2. November 1892 haben sportbegeisterte Studenten einen Sportverein mit dem Kürzel ACOS - Akademický cyklistický odbor při Literárním a řečnickém kroužku Slavia - gegründet.
Wegen nationaler Tendenzen wird die Literaten- und Rhetorikervereinigung Slavia, wie der Verein übersetzt heißt, allerdings schon im Oktober 1894 verboten. Rund sieben Monate später wird der Sportovní klub Slavia gegründet, aus der am 21. Jänner 1896 unter anderem die Fußball-Abteilung entstammt.
Der Traditionsklub zählt somit zu den ältesten Tschechiens und ist in seinen Anfangsjahren höchst erfolgreich. Zwischen 1897 und 1901 geht die böhmische Meisterschaft jedes Jahr an Slavia, zudem ist der Klub vom 25. März 1897 bis zum 21. März 1909 gegen Kontrahenten aus der Heimat ungeschlagen.
Geprägt wird diese Zeit vom schottischen Trainer John William Madden, einem ehemaligen Stürmer von Celtic Glasgow, der die Mannschaft von 1905 bis 1930 trainiert. Unter seiner Führung zählt Slavia zu den besten europäischen Mannschaften und streift reihenweise Titel ein.
1925 zählt Slavia zu den Gründungsmitgliedern der professionellen 1. Asociační Liga und gewinnt die Meisterschaft punktegleich vor dem ewigen Stadtrivalen und als Arbeiterverein geltenden Sparta Prag. In den folgenden Jahren vor und nach dem zweiten Weltkrieg machen sich die Prager Teams die Meisterschaft untereinander aus. 1947 wird Slavia, bekannt als bürgerlicher Klub der Intelektuellen, vorerst zum letzten Mal Meister.
1991 als Meilenstein in Slavias Geschichte
Nach Jahren des Mittelmaßes und zwei Abstiegen in die zweite Liga geht es ab 1991 wieder bergauf. Mit Boris Korbel steigt ein Unternehmer als neuer Investor ein, der den Klub nachhaltig prägen sollte.
Der 2015 verstorbene Tscheche mit amerikanischen Vorfahren gründet nach seiner Übernahme die Aktiengesellschaft SK Slavia Praha Fotbal. Brisant: Er steigt nur bei Slavia ein, weil er sich mit seinem eigentlichen Lieblingsverein Sparta nicht einigen konnte.
Daraufhin holt er mit Vaclav Jezek einen erfahrenen Coach, der bei Sparta zu den Urgesteinen zählte. Außerdem überwies er rund 180 Millionen Tschechischer Kronen - rund 7,13 Millionen Euro - an den Verein, damals eine unglaubliche Summe. Dadurch kann sich Slavia Spieler wie Dragisa Binic, Radim Necas und Wladimir Tatartschuk leisten, deren Ablösesummen immer noch tschechischer Rekord sind.
1993 steigt Korbel nach Differenzen um den Ausbau des Stadions aus dem Verein wieder aus, der Grundstein für kommende Erfolge war aber gelegt. 1996 wird Slavia überlegen tschechischer Meister, danach folgen sieben Vizemeister-Titel für den Traditionsklub, ehe 2008 wieder der Meistertitel geholt wird.
Dem Amateuerklub-Dasein gerade noch entkommen
Die Fixierung der Meisterschaft wird in der neuen 19.370 Zuschauer fassenden Synot Tip Arena gefeiert, die allerdings nur mithilfe der britischen ENIC Group gebaut werden konnte. Denn nach dem Ausstieg von Boris Korbel verschlechterte sich die finanzielle Situation trotz Teilnahmen an internationalen Wettbewerben und nationalen Erfolgen rapide, schlussendlich wurde ein Drittel der Vereinsaktien verkauft.
Die Briten wiederum verabschiedeten sich bereits 2006 wieder von ihrem Anteil, stellten Slavia jedoch die bis dahin getätigten Investitionen in Rechnung. Es folgen Jahre des Chaos, Anfang Mai 2011 belaufen sich die Verbindlichkeiten gegenüber der ENIC Group auf 4,2 Millionen Euro, zudem stellen die Besitzverhältnisse ein Problem dar. Es ist unklar, wer im Verein das Sagen hat, die Fans machen ihren Unmut ebenfalls breit und reagieren mit Stadionprotesten.
Zudem können Spielergehälter nicht rechtzeitig ausgezahlt werden. Für etwas Entlastung sorgt die tschechische Investmentgruppe Natland, die mit einer Finanzspritze dafür sorgt, dass zumindest ein Teil der Gehälter gezahlt werden kann.
Die Eigentümerlage bleibt dennoch verzwickt: Slavia kann einer vom tschechischen Fußball-Verband (CMFS) geforderten Offenlegung der Besitzverhältnisse nicht nachkommen, wodurch der Entzug der Profilizenz und der damit verbundene Abstieg in die Amateurliga droht. Erst als Natland weitere Vereinsanteile übernimmt und für die Begleichung von fälligen Verbindlichkeiten sorgt, erhält Slavia im Mai 2011 die Lizenz für die neue Saison.
Fürstliche Gehälter und hohe Ablösen
Für endgültiges Aufatmen sorgt 2016 die Übernahme des chinesischen Konglomerats CEFC China Energy, welches seitdem zu 99 Prozent im Besitz des Vereins ist. Seit 2018 wird Slavia von der CITIC Group, einem staatseigenen Finanz- und Investmentunternehmen der Volksrepublik China, und dem Immobilien-Unternehmen Sinobo Group geführt.
Dadurch bewegt sich der Verein auch finanziell in völlig anderen Sphären, zahlt fürstliche Gehälter und lukriert hohe Ablösen. Rekord-Abgang ist Tomas Soucek, der mit seinem Wechsel im Juli 2020 zu West Ham United rund 16 Millionen Euro in die Kassen spülte.
Auch in der Liga spiegelt sich dies wider, Slavia gewann in den letzten fünf Jahren vier Mal die Meisterschaft und ist auch heuer auf einem guten Weg, den nächsten Titel einzufahren. Zudem triumphierten die Rot-Weißen drei Mal im Cup.
Offensive als Prunkstück von Slavia
Dass hinter dem Verein diverse chinesische Unternehmen stehen, zeigt sich zumindest nicht auf dem Kaderblatt.
Spieler aus dem asiatischen Raum befinden sich nicht in der Mannschaft, einzig der 22-jährige Schwede Aiham Ousou bringt syrische Wurzeln mit. Ansonsten geben sich Einheimische und Ausländer die Klinke in die Hand, der aus österreichischer Sicht bekannteste Spieler ist Ex-Linzer Mads Emil Madsen. Der Däne wechselte erst im letzten Sommer nach Prag.
Slavia setzt auf einen Kader, der eine gute Mischung aus Jugend und Erfahrung mit sich bringt. Fünf Spieler sind 30 Jahre oder älter, die meisten Akteure sind zwischen 24 und 29 Jahre alt.
Der neunfache Meister ist die torgefährlichste Mannschaft der 1. Liga, hat nach 24 Spielen 60 Treffer auf dem Konto. Auch in der Zwischenrunde der Conference League konnte die Offensive mit insgesamt sechs Toren gegen Fenerbahce Istanbul überzeugen.
Besonders stechen der 23-jährige Ondrej Lingr und der 25-jährige Jan Kuchta heraus, die heuer jeweils 12 Pflichtspiel-Tore erzielten. Auch Ivan Schranz trifft zweistellig (11), 18 weitere Spieler haben sich bereits in die Schützenliste eintragen können.
So stark die Defensive auch in der Liga ist - 16 Gegentore gemeinsam mit Viktoria Pilsen Top-Wert - so löchrig präsentiert sie sich teilweise im Europacup. Gegen Fenerbahce kassierte Slavia vier Tore, nur in zwei von zwölf Begegnungen musste der Klub, der die EC-Saison in der zweiten Qualifikationsrunde der Champions League begonnen hat, keinen Gegentreffer hinnehmen.
Hier liegt wohl die große Chance des LASK, denn der tschechische Tabellenführer kämpft zudem mit Verletzungsproblemen. Abwehrchef Taras Kacharaba ist gesperrt, David Hovorka, der sein Comeback nach 13-monatiger Verletzungspause gegen Sparta Prag gab, steht nicht auf der Kaderliste für die K.o.-Phase.
Die Admira kennt den Coach des Serienmeisters
Trainer Jindrich Trpisovsky muss seine Abwehrkette daher umbauen, der 46-Jährige weiß mit solchen Situationen jedoch umzugehen.
Seit Jänner 2018 steht er bei Slavia Prag unter Vertrag, betreute zuvor zweieinhalb Jahre lang Slovan Liberec. Eine Fußballer-Karriere war dem gebürtigen Prager aufgrund von Knieproblemen nie vergönnt, bereits im Alter von 12 Jahren musste Trpisovsky, der in der Jugend als Torhüter agierte, mit dem Kicken aufhören.
Mit 20 war im Nachwuchsbereich von Cechie Karlin als Chefbetreuer tätig, später arbeitete er auch für Bohemians 1905 und Sparta Prag, bevor er zwischen 2011 und 2015 erst Trainer von Horni Mecholupy, dann von dessen Partnerklub Viktoria Zizkov war.
2015 übernahm Trpisovsky den Cheftrainer-Posten bei Slovan Liberec. Während seiner Zeit beim dreifachen tschechischen Meister führte er den Klub zwei Mal in die Gruppenphase der UEFA Europa League. Dadurch wurde Slavia Prag auf den damals 41-Jährigen aufmerksam, der in seinem ersten Jahr prompt den tschechischen Cup gewann.
2018/19 und 2020/21 erreichte Slavia jeweils das Viertelfinale in der Europa League, in der Saison 2019/20 gelang zum erst zweiten Mal in der Vereinsgeschichte der Einzug in die Gruppenphase der UEFA Champions League, wo Slavia die Horror-Gruppe bestehend aus Inter Mailand, Barcelona und Dortmund erwischte.
Je drei Mal wurde der tschechische Spitzenklub bislang Meister und Cup-Sieger unter der Führung von Trpisovsky, der auf ein kompaktes 4-2-3-1-System setzt. Dieses brachte im Sommer 2016 auch bereits die Admira zur Verzweiflung. In der dritten Quali-Runde zur UEFA Europa League forderten die Südstädter das von Trpisovsky trainierte Slovan Liberec, verlor beide Duelle mit 1:2 bzw. 0:2.
Slavia Prag spielte zuletzt im August 1995 gegen einen Klub aus Österreich, in der UEFA-Cup-Qualifikation ging es gegen den SK Sturm Graz. Nach einem 1:0-Auswärtssieg im Hinspiel machte der Traditionsklub mit einem 1:1 im Rückspiel den Aufstieg in die Gruppenphase perfekt. Die Reise sollte schließlich erst im Halbfinale gegen Girondins Bordeaux enden.
Damit es in der UEFA Europa Conference League ähnlich weit gehen kann, muss erst der LASK überwunden werden. Die Linzer werden im Achtelfinale keineswegs chancenlos sein, benötigen in ihrem ersten Aufeinandertreffen mit einem tschechischen Klub seit dem UI Cup 2000/01 allerdings zwei gute Tage, um sich gute Erfolgsaussichten ausrechnen zu können.