Da kann Rapid noch so sehr in der sportlichen Misere stecken, Europacup bleibt Europacup. 23.000 kamen in der Hoffnung auf eine dieser bekannten Hütteldorfer Europa-Nächte, den 23.000 wurde diese Hoffnung erfüllt.
Ohne Drama lief der 2:1-Sieg über Borac Banja Luka nicht ab, aber das heizte die Stimmung nur weiter auf. Am Ende war ein derzeit so seltenes Happy End beschert, es geht weiter ins Viertelfinale der UEFA Conference League.
Ein Happy End, das in der 66. Minute einen Moment lang weit weg schien. Rapid lief bis zu diesem Zeitpunkt an, verbuchte Torschuss um Torschuss, hatte auch schon dreimal Aluminium getroffen - Sandi Ogrinec brauchte auf der Gegenseite nur einen Versuch für die völlig überraschende Führung.
"Kurzzeitig war da schon einmal das Gefühl: 'Oh mein Gott, warum passiert das jetzt?'. Aber für mich kam es auch nicht überraschend, weil wir genau wussten, dass das die große Stärke von Banja Luka ist: Dass sie aus ganz, ganz wenig viel machen können", beschrieb Robert Klauß seine Gefühlswelt in diesem Moment.
Eine Stärke, die an diesem Abend diametral gegenüber jener von Rapid lag. Chance um Chance herausgespielt, aber Chance um Chance eben auch von der Stange vereitelt - oder von Torhüter Filip Manojlovic, der definitiv den Abend seines Lebens verbuchte.
Der emotionale Durchhänger sollte nur vier Minuten anhalten, ehe Dion Beljo ausglich. Und dann von den Rängen beginnend wieder alles nach einem dieser Europacup-Abende aussah, die länger im Gedächtnis bleiben.
Mit Euro-Louis begann es, mit ihm geht es weiter
Dass es so ausging, war wieder mal einem zu verdanken: "Euro-Louis" Schaub, dessen Spitzname schon so dermaßen anhaftet, dass Rapid selbst ihn nur so auf den Aufstellungs-Grafiken vor den europäischen Partien transportiert.
"Es gibt auf alle Fälle schlimmere Spitznamen", konnte der Goldtorschütze auf die x-te Nachfrage nach dem "Fun Fact" sein Lächeln locker behalten. Und dabei musste auch er erst einen Moment des Unglaubens wegstecken.
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"Im ersten Moment habe ich es nicht glauben können. Ich habe versucht zu attackieren, treffe den Ball nicht richtig...", war der Kapitän des Abends auch beim Gegentreffer mittendrin.
"Wahnsinn. Aber so ist das ab und zu im Fußball. Dann war einfach wichtig, dass wir eine gute Reaktion zeigen. Wir haben uns eigentlich fast nichts anmerken lassen, schnell den Ausgleich gemacht und dann war schon klar, dass wir das heute auf unsere Seite ziehen werden."
Die Erlösung
Tatsächlich war die richtige Reaktion auf einen Gegentreffer im Laufe dieser Saison kaum eine Stärke der Hütteldorfer - diesmal war sie da.
Und der Jubel beim 2:1 kam dann ohnehin jenem über den besiegelten Erfolg gleich, nicht ganz zu Unrecht: "Danach war uns schon klar, dass wir das heute gewinnen werden. Es war eine große Erlösung für uns", so Schaub über seinen unbändigen Jubel nach seinem Tor.
Der Trainer hatte sowieso damit gerechnet: "Ich hatte vom Aufstehen an heute ein gutes Gefühl, dass wir das schaffen - dass es so dramatisch wird, wusste ich nicht."
Auch die Ränge rissen es herum
"Morgen in der Früh wird es dieses Kribbeln nach Siegen wieder geben. Das müssen wir wieder zurückbekommen - denn das ist das Geilste im Fußball."
Das Drama machte den Jubel mit den Fans nur befreiender. Die über weite Strecken richtig Gas gaben, auch um den doch zahlreich trotz Auswärtssektor-Sperre ins Weststadion gekommenen bosnischen Anhängern Paroli zu bieten. Vielleicht wieder einmal ein kleiner Faktor zu einem Sieg auf der europäischen Bühne.
"Dieses Stadion kann unglaubliche Wucht entfalten, unglaubliche Energie bringen und den Gegner einschüchtern", hatte Klauß noch den Glanz in den Augen über die Unterstützung, die seinen Mannen zuteil wurde.
Die gute Nachricht: Auch im Viertelfinale gegen den Djurgardens IF wird das Rückspiel in Wien stattfinden, der Heimvorteil sich entfalten können, wenn es Spitz auf Knopf geht.
(Zu viel) Feiern darf keiner
Noch entfernte Zukunftsmusik, die nächste Runde steigt erst am 10. und 17. April. Da gibt es vorher noch eine ganz, ganz wichtige Aufgabe, am Sonntag gegen den GAK - um die Bundesliga-Meistergruppe.
Darum wollte Schaub auch "niemanden feiern sehen, auch wenn wir den Abend schon genießen können".
Klauß ließ sich gar nicht zu vielen Emotionen im Moment hinreißen, angesichts dessen, was gleich noch auf dem Spiel steht: "Wenn wir das am Sonntag geschafft haben sollten, dann werde ich nochmal kurz zurückdenken an den Abend heute."
Fokus ist gefragt. Darüber konnte der Erfolg des ersten Europacup-Viertelfinales seit 29 Jahren nicht hinwegtäuschen.
Aber gar zu kleingeredet sollte das Erreichte auch nicht werden - wie Lukas Grgic bei den Kollegen von "Canal+" auch festhielt: "Wir haben ein Stück weit Geschichte geschrieben. Wenn man schaut, was für Vereine da auf der Strecke geblieben sind, darf man das nicht unterschätzen. Morgen in der Früh wird es dieses Kribbeln nach Siegen wieder geben. Das müssen wir wieder zurückbekommen - denn das ist das Geilste im Fußball."
Und so ein Kribbeln, das lässt sich dann auch bei jedem Wissen um die nächsten Aufgaben nicht sofort aus den Gliedern schütteln.