Los ging alles mit folgendem Satz.
"Ich kann vorweg nehmen, dass wir unbedingt in Graz spielen wollen – egal wer kommt. Ich hoffe, das ist dann auch möglich."
Getätigt hat Andreas Schicker diesen Sager nach dem Schlusspfiff in Bratislava. Dass der Zusatz von der in Frage stehenden Möglichkeit hellhörig macht, liegt auf der Hand.
Daraus entwickelte sich eine Abrechnung des Geschäftsführers Sport mit dem infrastrukturellen Status quo des SK Sturm Graz.
Nicht dass der Frust über dieses Dauer-Thema ein neuer wäre, aber das Timing ist in der Stunde eines historischen Vereins-Erfolgs natürlich ein interessantes.
Vom Gefühl her dauert es noch lange
Ob er es bewusst platziert hat, vielleicht als Vorbote auf die nächstwöchige Generalversammlung, oder einfach ein Wort das andere ergab und der Ärger über die Situation wieder mal raus musste, wird Schicker selbst wissen.
Aber natürlich lädt der Einzug in die Runde der letzten 16 Vertreter in der Conference League geradezu ein, liebe Grüße an die Grazer Stadtpolitik zu senden. Und dabei geht es beileibe nicht nur um die triste Stadion-Situation für einen der wichtigsten Botschafter der Grazer Landeshauptstadt.
Aber fangen wir trotzdem damit an. Schickers Hoffnung auf eine neue Arena ist inzwischen relativ klein, auch wenn er eigentlich der falsche Ansprechpartner sei ("Ich gehe seit langem nicht mehr zur Politik, ich habe bessere Sachen zu tun").
Zwar würde man bei Sturm den Optimismus hochhalten, dennoch meint der 37-Jährige in Sachen Stadion:
"Ich traue mich zu behaupten, dass ich das in Graz nicht mehr erleben werde. Das heißt jetzt aber nicht, dass ich den Verein zeitnah verlassen werde, aber es wird vom Gefühl her einfach noch sehr lange dauern."
(<<<Kein Werder-Wechsel: Das sagt Schicker>>>)
Raus aus Graz?
Der Betriebsausflug nach Bratislava hat zwar für sportlich gute Laune gesorgt, die knapp fünf Jahre alte, 22.500 Zusehern Platz bietende und knapp 100 Millionen Euro teure Arena in der slowakischen Hauptstadt brachte jedoch nachvollziehbaren Neid mit sich.
"Das ist eigentlich das ideale Stadion für Graz – bis auf die bunten Sitze, die müssten wir halt schwarz machen", grinst Schicker und meint weiter: "Wenn ich höre, was das Stadion kostet, dann ist das aber der gleiche Traum, wie dass wir am 29. Mai nach Athen wollen."
Gemeint ist übrigens das Finale der Conference League. Man könnte auf die Idee kommen, dass dieses sportliche Wunder realistischer ist, als dass im Grazer Fußball demnächst Bagger anrollen.
Dies gilt übrigens auch für ein zweites Wunsch-Projekt des SK Sturm, dessen Stillstand Schicker sogar "noch mehr" ärgert, nämlich das geplante Trainingszentrum für Damen, Jugend und Akademie in Graz-Puntigam.
"Das Land Steiermark hat ganz klar eine Förderung signalisiert, Sturm hat signalisiert, ein Drittel zu übernehmen. Aber von der Stadt Graz ist Stand jetzt nichts gekommen. Das würde mich wirklich schwer enttäuschen", schimpft Schicker und droht mit Konsequenzen, was Akademie und Co. betrifft:
„Dann muss man sich wirklich überlegen, ob wir nicht aus Graz weggehen. Das wäre für mich sehr bitter, aber wenn von der Stadtpolitik nichts kommt, dann muss man auf Sicht fragen, ob Spitzenfußball in Graz gewünscht ist.“
SK Sturm Steiermark?
Witze, ob man dann vom "SK Sturm Steiermark" reden müsse, lächelt Schicker weg. Beim Thema Frauen und Nachwuchs versteht er indes keinen Spaß mehr:
"Beim Stadion wissen wir eh, welche Kaugummi-Geschichte das mittlerweile ist, aber bei Frauen, Jugend und Akademie ist die Infrastruktur, die wir jetzt haben, nicht mehr zeitgemäß. Da muss etwas passieren!"
Am besten bis zur Generalversammlung nächsten Mittwoch, wie der Geschäftsführer Sport mehrfach betont.
Fünf Parteien hatten und haben in Graz in den vergangenen Jahren die Chance, sinnstiftend für den Spitzenfußball aktiv zu werden. Geschehen ist wenig. Stattdessen wird die infrastrukturelle Situation in der "Ruine" Liebenau immer prekärer.
Bezüglich Stadion gilt es natürlich festzuhalten, dass mit dem GAK ein zweiter fußballerischer Werbeträger der Stadt auf dem besten Weg zurück in die Bundesliga ist. Viele gemeinsame Jahre in der aktuellen Situation sollten eigentlich keine Option sein. Eigentlich.
Entsprechend deutliche Worte fand in Bratislava auch Christian Ilzer. Der Sturm-Trainer forderte die Stadt Graz auf, den Sport allgemein mehr zu pushen:
"Sportler haben eine Vorbildwirkung für Kinder und generell eine wichtige Funktion in der Gesellschaft. Das gehört unterstützt und gefördert. Ich hoffe, dass es keine Ausreden, kein Hinauszögern und keine Politisiererei mehr gibt, sondern klare Kante gezeigt und in Graz zwei super Stadien hinzementiert werden."
Ein Grund zum Schämen
Bis dahin wird noch viel Wasser die Mur hinunterfließen. Aktuell steht in Graz ein Stadion, bei dem man wie eingangs erwähnt offenkundig nicht mal zu 100 Prozent versprechen kann, dass man dort am 7. März eines der größten Matches der Vereinsgeschichte austragen kann.
Damit es keine Missverständnisse gibt: Sturm-intern ist man fest entschlossen, das Achtelfinal-Heimspiel der Conference League in Graz auszutragen.
"Das ist das klare Ziel. In Liebenau ist einfach eine besondere Energie da", will man laut Schicker nicht auf den gewohnten Heimvorteil verzichten.
Ganz ausschließen könne man ein Ausweichen nach Klagenfurt, etwa wenn es gegen Fenerbahce gehen sollte, jedoch nicht. Unter anderem aus Sicherheitsgründen.
Alleine dass dieses Gedankenspiel überhaupt im Raum steht, ist ein Grund zum Schämen.
Aber kümmert das irgendwen? Die Schamgrenze wurde in der Grazer Infrastruktur-Problematik inzwischen wirklich schon oft genug überschritten.