Noch wenige Stunden, bis der SK Rapid mit dem Highlight gegen Inter Mailand (ab 18:55 Uhr im LIVE-Ticker und bei DAZN) im Allianz Stadion den vorgezogenen Frühjahrs-Auftakt begeht.
Das Sechzehntelfinal-Hinspiel in der Europa League Wettquoten ist aufgrund des Star-Auflaufs in Hütteldorf ein Meilenstein, aber im Großen und Ganzen ein Zuckerl für international starke Leistungen im Herbst, die nationale Ausrutscher zumindest ein wenig kaschieren konnten.
Für Trainer Didi Kühbauer ist das Duell gegen die Nerazzurri "eine Belohnung". Ob der Früjahrsstart auf internationaler Ebene jedoch Fluch oder Segen ist, wird sich erst weisen.
Denn nicht nur für den Verein stellt der Showdown gegen Inter einen Neustart dar, auch für viele Spieler ist es eine Art Wegweiser auf der Suche nach sich selbst.
Engerer Konkurrenzkampf, richtige Einstellung?
In der Vorbereitung konnte alles planmäßig durchgezogen werden. Die beste Erkenntnis aus Rapid-Sicht: Bis auf den Langzeitverletzten Tamas Szanto und Ivan Mocinic, der in diesen Tagen noch verliehen wird, sind alle bereit.
"Kadertechnisch hat man in der Vorbereitung gesehen, dass es enger geworden ist - kein Spieler steht weit über den anderen. In der Trainingsarbeit wollte uns jeder beweisen, dass er dabei sein will – nicht nur gegen Inter sondern auch in den kommenden Spielen. Das freut das Trainerteam und natürlich mich", setzt Kühbauer großen Wert auf den neu entflammten Konkurrenzkampf um ein Leiberl.
Dabei spielt auch die Bewusstseinsbildung eine große Rolle, da es Schlag auf Schlag geht und nicht nur der Saison-Höhepunkt gegen Inter die Spieler zu Höchstleistungen animieren soll.
Es ist nur der erste Schritt in ein forderndes Frühjahr. Alleine in den kommenden eineinhalb Wochen geht es nach dem Heimspiel gegen Inter im ÖFB-Cup-Viertelfinale gegen TSV Hartberg, dann nach Mailand und wenige Tage darauf zum Bundesliga-Start gegen Spitzenreiter RB Salzburg.
"Egal, ob gegen Krumbach oder Inter Mailand"
"Jedes Spiel ist wichtig! Ein Spieler darf nicht reingehen und Unterschiede machen. Die Aufgabe eines Profis ist es, zu wissen, dass es ganz egal ist, ob es gegen Krumbach oder Inter Mailand geht. Das ist mir schon wichtig, dass man da keinen Unterschied sieht – wenngleich der Gegner von der Qualität her ein anderer ist. Aber die Einstellung, die Bereitschaft, die Leidenschaft muss genau gleich sein – dort müssen wir hinkommen", gab Rapids Chefbetreuer im LAOLA1-Interview die klare Marschroute vor.
Aus eigener Erfahrung weiß er, dass dies ein entscheidender Punkt ist. Auch für ihn als Trainer stellt das Duell mit Inter ein Highlight dar, "eine super Sache im vollen Stadion". Jedoch hat er durch die Europacup-Erfahrungen mit Rapid, Admira und dem WAC gesehen, dass viele Spieler den Highlights alles unterordnen und dann den Spagat zum täglichen Geschäft nicht schaffen.
"Die Spieler verlassen sich dann zu viel auf die Highlights, das Extra-Zuckerl, aber das tägliche Brot, die Jaus’n, das Mittagessen, haben sie dann teilweise vergessen. Das soll die Belohnung sein, wo man eine weitere Belohnung will. Aber die wirkliche Arbeit ist das nationale Gschicht’l", wird Kühbauer deutlich.
Da im Winter ein Cut gemacht wurde, jeder Spieler wieder bei Null startete, der Trainer keine Rücksicht auf Namen nahm und so die Karten neu gemischt wurden, sind in puncto Startelf noch einige Fragen offen.
Einige konnten Neustart für sich nützen
Wer hat die Chance genützt und sich für das Frühjahr in Stellung gebracht? Wer hat sein Tief durchtaucht oder seine Form konserviert? Kühbauer hält sich in dieser Hinsicht bedeckt, betont aber, dass alle in der Vorbereitung um ihre Möglichkeit gekämpft haben.
Nicht nur aufgrund des letzten Testspiels gegen Triglav Kranj (5:2), das als Generalprobe gewertet werden kann, kristallisierten sich Gewinner der Vorbereitung heraus: Manuel Thurnwald und Andrei Ivan.
Sportdirektor Fredy Bickel will aber gegenüber LAOLA1 nicht zu viel verraten: "Thurnwald hat viele Spielminuten bekommen, Ivan hat in der Vorbereitung große Freude gemacht. Ob sie aber wirklich Gewinner der Vorbereitung sind, muss der Trainer beurteilen."
Prinzipiell hält der Geschäftsführer Sport aber fest: "Beim einen oder anderen Spieler hat man gesehen, dass die Pause gut war - man konnte die letzte Zeit ein wenig vergessen machen."
Alar und Co. - wer zeigt eine Reaktion?
Auf Reaktionen des einen einen oder anderen Spielers kann man gespannt sein. Etwa von Deni Alar, der im Herbst vieles schuldig blieb, und auch in den Testspielen eher das Nachsehen gegenüber Veton Berisha und Andrija Pavlovic hatte.
Abgesehen von den Spielen gegen Inter kommt mit Aliou Badji zudem ein neuer Konkurrent im Angriff dazu. Die Situation für den 29-jährigen Steirer, der noch einen Vertrag bis Sommer 2022 besitzt, entspannt sich somit keineswegs.
Auch Dejan Ljubicic muss nach Rückschlägen im Herbst darum kämpfen, dass ihm Rückkehrer Srdjan Grahovac nicht den Rang abläuft - und dieser dürfte als "taktisch cleverer Spieler" bei Kühbauer einen Stein im Brett haben.
Der viel kritisierte Mateo Barac scheint hinter Christopher Dibon, Maximilian Hofmann und Mario Sonnleitner nur mehr der vierte Innenverteidiger zu sein. Aber auch Spieler wie Philipp Schobesberger, Thomas Murg oder Marvin Potzmann müssen erst beweisen, dass sie im Frühjahr unverzichtbar sind. Das Hinspiel gegen Inter wird der erste Charaktertest, das Cup-Duell gegen Hartberg nach den Europacup-Strapazen wahrscheinlich jedoch noch viel mehr.
Gefahr für restliche Saison durch "Klatsche" gegen Inter?
Rapid überwinterte erst einmal in der Europa League und schleppte die Dreifach-Belastung ins Frühjahr mit - 2015/16 unter Zoran Barisic. Das Ende ist bekannt: 0:6 in Valencia, 0:4 im Rückspiel in Wien.
Auch gegen einen Top-Klub wie Inter kann eine "Klatsche" nie ausgeschlossen werden, die möglicherweise die ganze grün-weiße Aufbruchstimmung im Keim ersticken könnte. Angst vor diesem richtungsweisenden Showdown hat Kühbauer aber nicht:
"Ganz ehrlich: Man weiß nie, was im Fußball passiert, aber wenn man als Trainer oder Mannschaft so denkt, dann wird man wahrscheinlich eine drüberbekommen – das wäre ganz schlimm. Wir wissen schon, wie gut Inter ist, aber mit dem Kopf reinzugehen, was einmal vor drei Jahren war (Anm.: Valencia), das wäre der falsche Weg. Ich war nicht dabei, ein paar Spieler schon – aber es wäre falsch, das wieder auf den Tisch zu bringen."
Kapitän Stefan Schwab bringt das Negativ-Erlebnis gegen Valencia selbst zur Sprache und macht noch deutlicher, wie wichtig es wäre, dieses mit guten Spielen gegen Inter vergessen zu machen:
"Das ist ein absolutes Highlight für jeden von uns, für wahrscheinlich alle das Karriere-Highlight - und das wird für einige so bleiben. Das ist sensationell für uns, das haben wir uns verdient. Es ist super, vor einem vollem Stadion zu zeigen, dass wir es viel besser machen können, als vor drei Jahren im Sechzehntelfinale gegen Valencia. Wir wollen diese Scharte auswetzen und zeigen, dass wir Paroli bieten können."
Kühbauer: "Man kann immer einem Großen ein Bein stellen"
Rapid will versuchen, aus der Tatsache, schon vorher abgeschrieben zu werden, einen Nutzen zu ziehen: "Wir haben Außenseiter-Chancen und diese kleine Chance wollen wir nützen. Inter steht kollektiv sicher über uns, aber Fußball gehört erst gespielt. Wir haben nichts zu verlieren! Wenn wir mit großem Herz reingehen und einen guten Plan haben, kann man immer einem Großen ein Bein stellen."
Noch dazu wanken die Mailänder selbst. Trainer Luciano Spalletti steht in der Kritik, die Stars fahren nicht die erforderten Ergebnisse ein. "Wir wären aber schlecht beraten, aufgrund der Situation zu glauben, dass sie schlechte Fußballer geworden sind", warnt Kühbauer vor einer unglaublich guten Mannschaft, die ihre Qualität zuletzt nicht immer ausspielen konnte.
"An dem Tag muss jeder auf den Punkt genau da sein." Und somit seine Chance nützen, beim Neustart ins Frühjahr eine gewichtige Rolle zu spielen.