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Warum Krakaus Hooligans derart gefürchtet sind

Im Duell der Stadtrivalen Wisla und Cracovia wird in den "Heiligen Krieg" gezogen, außerhalb der Stadien befindet sich die Metropole in den Fängen der Banden.

Warum Krakaus Hooligans derart gefürchtet sind Foto: © GEPA

Wenn sich der SK Rapid am Donnerstag in das Abenteuer Europacup stürzt, ist Vorsicht geboten.

Mit Wisla Krakau wartet in der zweiten Qualifikationsrunde zur UEFA Europa League der amtierende polnische Cupsieger, der sich in der ersten Runde souverän gegen KF Llapi durchsetzte, aber seit 2022 in der zweiten Liga spielt. Das Hinspiel ab 18 Uhr im LIVE-Ticker >>>

Nicht nur am Spielfeld dürfte die Hütteldorfer ein heißer Tanz erwarten, sondern auch abseits des Grünen. Über 28.500 Tickets (Stand: Mittwoch, 19 Uhr) wurden bereits verkauft, rund 700 Rapid-Fans treten die Reise nach Polen an. Bedeutet: Voraussichtlich werden fast 28.000 Krakau-Anhänger ihren Klub zum Sieg peitschen wollen.

Unter ihnen werden sich zahlreiche Hooligans befinden, die zu den gefürchtetsten der ganzen Fußball-Welt zählen.

Eine brutale Rivalität ohne Grenzen

Tippt man "Wisla Krakau Fans" in die Suchmaschine des Vertrauens ein, werden einschüchternde Ergebnisse ausgespuckt. 

"Wisla Krakau: Der Mörder sitzt im Kassenhäuschen", lautete etwa ein Bericht der deutschen "Zeit" aus dem Jahr 2018. Der renommierte "Spiegel" nahm die Hooligans in Krakau 2011 ebenfalls unter die Lupe und titelte: "Hooligans in Krakau: Mit Messern und Macheten".

Dies ist nur ein Abstrich unzähliger Artikel, die sich zu den "Szalikowcy" aus jener polnischen Metropole finden lassen, in denen die Klubs Wisla Krakau und KS Cracovia beheimatet sind. Beide Vereine wurden 1906 gegründet, sie vereint gewissermaßen eine brutale Rivalität, die keinerlei Grenzen kennt.

Welche Folgen der Fall des Kommunismus 1989 hatte

Doch das war nicht immer so, ganz besonders nicht in den Krakauer Stadien "Józef Piłsudski" (KS Cracovia) und "Henryk Reyman" (Wisla Krakau). Als der Kommunismus in Polen noch Einzug hielt, griff das an der Macht stehende Regime bei Auseinandersetzungen knallhart durch. Dies änderte sich allerdings mit dem Systemwechsel 1989.

Die Dritte Polnische Republik ging aus der kommunistischen Volksrepublik Polen hervor, ein politischer Wandel setzte ein. Diesen machten sich die Hooligan-Gruppierungen zunutze, die Schlachten um die Vorherrschaft in Krakau schwappten von den Straßen und Parks der Stadt auf die Tribünen über.

Auf diesen Tribünen wurden einst heftige Kämpfe ausgetragen
Foto: © GEPA

Waffen wie Messer, Äxte oder Macheten waren in den Stadien plötzlich keine Seltenheit mehr, beide Gruppen verbreiteten Angst und Schrecken. Waren einmal Kämpfe ausgebrochen oder kam es zu Ausschreitungen, antwortete die Polizei mit brachialer Gewalt.

Ein Professor aus Krakau, der eines der beiden Teams supportet und dieses aus Gründen der eigenen Sicherheit nicht nannte, erzählte kürzlich der englischen "Sun": "Ich habe in der Menge gestanden, als die Polizisten mit Gummigeschossen auf uns schossen."

Der "heilige Krieg" um Krakau

Der Konflikt zwischen den Krakauer Klubs zieht sich schon über Generationen hinweg.

Nach dem Weltbild der Wisla-Anhänger ist man der einzig wahre polnische Verein der Stadt, während sie Cracovia als einen Verein der Besatzungsmacht Österreich-Ungarn ansehen.

An zusätzliche Brisanz gewann das "Derby Krakowa" rund um 1920, als der jahrelang für Cracovia spielende Verteidiger Ludwik Gintel gesagt haben soll: "Meine Herren, wir gehen jetzt in den heiligen Krieg." Seither ist das Aufeinandertreffen zwischen Wisla und Cracovia auch unter der Bezeichnung "Heiliger Krieg" bekannt.

"Heilig" ist dieser Krieg schon lange nicht mehr, längst geht es nicht mehr um Fußball. In keiner anderen Fußball-Hochburg unseres Kontinents herrscht ein derart gewaltvoller Bandenkrieg wie in Krakau. Die Stadt an der oberen Weichsel ist eine geteilte.

Der Norden und Westen wurde von den "Sharks", den Hooligans von Wisla - die Polizei zählte 2011 600 Mitglieder, mittlerweile sind es wohl mehr -, eingenommen. Im Osten und Süden regiert die "Jude Gang", die Hooligans von Cracovia (2011: 300 Mitglieder).

"Jedes Haus, jedes Restaurant, jede Straße gehört entweder zu den 'Sharks' oder zur 'Jude Gang'", sagte eine Journalistin einst dem "Spiegel". Unter den Einwohnern in Krakau herrscht Angst, wer in der Stadt wohnt, lernt schnell, welche Bande in welchem Viertel regiert. Wer dies nicht weiß, muss mit schweren Konsequenzen rechnen.

Feinde verletzen, ohne sie zu töten

Die Gruppierungen haben sich längst zu organisierten Verbrecherbanden entwickelt, beide Lager würden sogar den Drogenhandel in der Stadt kontrollieren, heißt es.

"Niemand soll sterben, aber Blut soll fließen."

Das Motto der Banden

Bei der Krakauer Polizei gibt es mehrere Dienststellen, die sich ausschließlich mit den Hooligans beschäftigen. Nicht selten kam es in der Vergangenheit vor, dass sie sich mit schockierenden Fällen auseinandersetzen mussten.

Generell soll das Motto der Rabauken lauten: "Niemand soll sterben, aber Blut soll fließen." In ihren jeweiligen Hauptquartieren würde trainiert werden, wie man Feinde verletzt, ohne sie zu töten, erzählte einer der "Sharks"-Anführer 2011 dem "Spiegel".

Und doch kam es im Zusammenhang mit den Banden bereits zu mehreren Todesfällen, oft sogar mit unbeteiligten Personen. 2003 traten Wisla-Anhänger einen 17-Jährigen in einem ihrer Vororte nieder, ein 23-Jähriger wurde mit einem Lungenstich ermordet. Beide hatten mit Fußball nichts am Hut.

2006 wurden im Vorfeld des 100-jährigen Jubiläumsmatches acht Fans getötet, 2011 wurde einer der Anführer der "Jude Gang" auf martialische Weise umgebracht.

Die "Sharks" übernehmen für mehrere Jahre die Kontrolle

Die Brutalität nahm seither keinen Abbruch, immer wieder tauchen Meldungen von Angriffen auf rivalisierende Fans oder sogar Spieler – 2023 wurde der damals 20-jährige Torhüter Kewin Komar attackiert und schwer verletzt – auf.

Den "Sharks" gelang es im August 2016 sogar, die Kontrolle des Klubs für mehrere Jahre zu erlangen, ehe der Verein 2019 nach den Verhaftungen mehrerer Gruppen-Mitglieder und einem Schuldenberg von 40 Millionen Zloty (rund 9,3 Millionen Euro) vor dem Bankrott stand und zudem die Lizenz wegen "ungeklärter Besitzverhältnisse" ausgesetzt wurde.

Retter und Miteigentümer: Jakub Blaszczykowski
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Der nunmehrige Präsident und Eigentümer Jaroslaw Krolewski sowie Ex-BVB-Spieler Jakub Blaszczykowski griffen dem Klub mit einem Überbrückungskredit von einer Million Euro unter die Arme, um die Schulden bei den Spielern zu tilgen und Wisla vor dem Lizenzentzug zu retten.

Nebenher spielte "Kuba" gratis für jenen Klub, den er 2007 Richtung Dortmund verließ. 2020 bewahrte er Wisla neuerlich vor dem Verlust der Spielberechtigung und wurde Miteigentümer. Inzwischen hat der Pole seine Karriere beendet, hält aber weiterhin Anteile am Verein.

Rapid warnt die eigenen Fans

Die Kämpfe zwischen den Wisla- und Cracovia-Hooligans verlagerten sich indes wieder auf die Straßen der Metropole, da in Polen äußerst restriktive Gesetze für den Fußball eingeführt wurden. Wer Pyrotechnik verwendet oder illegales macht, wird automatisch gesperrt.

Die Banden beider Teams sind trotzdem auch heute noch in Krakau präsent, das Europa-League-Spiel gegen Rapid wurde von den lokalen Behörden als Hochrisikospiel eingestuft.

Daher empfiehlt die Geschäftsstelle der Grün-Weißen seinen Anhängern, "zu eurer eigenen Sicherheit in der Innenstadt auf Rapid-Fanartikel und das Singen von Fangesängen zu verzichten. Wir empfehlen, Rapid-Fanartikel ausschließlich im Gästesektor zu tragen". 

Dann sollte einem friedlichen Fußball-Spiel ohne Vorkommnisse auf den Tribünen und außerhalb des Stadions (hoffentlich) nichts im Wege stehen.



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