Kapfenberg, 30. Juni 2007, ein frühsommerlicher Samstagabend.
Der SK Rapid reist nach Kapfenberg, geschlaucht von den Strapazen des Trainingslagers im oberösterreichischen Windischgarsten. Ein Testspiel im Franz-Fekete-Stadion sollte den Schlusspunkt der Saisonvorbereitung darstellen.
Gegner am grünen Rasen in den alten steirischen Gemäuern umgeben von einer wenig antörnenden Laufbahn: Dinamo Zagreb. Damals wie heute kroatischer Serienmeister, mit 22 Titeln auch Rekordmeister.
Es hätte sich damals wohl niemand gedacht, dass über 14 Jahre ins Land ziehen sollten, bis diese beiden Teams erneut aufeinandertreffen. Der Anlass ist ein bedeutenderer als anno dazumals: Am 3. Spieltag der Europa-League-Gruppenphase steht nämlich im Weststadion, wie es im UEFA-Bewerb heißt, sowohl für Rapid als auch für Dinamo Zagreb (Do., ab 18:45 Uhr im LIVE-Ticker) schon einiges auf dem Spiel.
Skandalspiel als letztes Aufeinandertreffen
Dass beide Teams in den vergangenen Jahren so gar keine Berührungspunkte hatten - weder in einem Bewerbs- als auch in einem Testspiel - darf durchaus als überraschend eingestuft werden. Auch wenn Dinamo das eine oder andere Mal in der Champions League aufschlug.
Alleine schon die geografische Nähe würde den sportlichen Vergleich zwischen dem österreichischen Traditionsverein und kroatischen Meister anbieten. Möglicherweise ist aber auch jener 30. Juni 2007 nicht unwesentlich in diesem Zusammenhang.
Denn die überschaubaren Sicherheitsvorkehrungen beim damaligen Testspiel in einem schwer zu sichernden Stadion zogen heftige Ausschreitungen nach sich, die regelrecht in einer Schlacht mit der Polizei mündeten. Auch der Schreiber dieser Zeilen war damals vor Ort und hat die verstörenden Bilder noch heute im Kopf.
Laut Medienberichten sollen sich damals bereits im Vorfeld die berüchtigten "Bad Blue Boys" aus Zagreb mit Rapid-Fans verabredet haben, um die Exekutive zu überraschen. Als rund 250 gewaltbereite kroatische Anhänger noch vor dem Schlusspfiff aus dem Oval stürmten, eskalierte die Situation. 39 der 55 eingesetzten Polizisten wurden verletzt, was nicht niet- und nagelfest war, wurde aus den Verankerungen gerissen und als Wurfgeschoss verwendet, Mistkübel in Brand gesteckt, Winschutzscheiben von Autos zerbarsten.
Anrainer verbarrikadierten sich, Fans, die wegen des Fußballs gekommen waren, verharrten im Stadion. Die Organisatoren des International Football Camp Styria (IFCS), die das Testspiel in der Steiermark organisierten, sagten daraufhin aus Sicherheitsgründen alle weiteren Testspiele ab.
Von Dinamo Zagreb aus zum Weltfußballer
Dabei sollte eigentlich das Sportliche im Mittelpunkt stehen. Denn bis auf ein Zweitunden-Duell im UEFA-Cup in der Saison 1971/72 (2:2 in Zagreb, 0:0 in Wien) trafen die Klubs nur in Testspielen aufeinander.
Beim bis dato letzten vor 6.500 Zuschauern holte Rapid in Kapfenberg ein zufriedenstellendes 1:1 dank eines Treffers von Christian Thonhofer (13.). Für die Gäste traf Josip Tadic (78.).
In diesem Spiel sah man aber auch einem begnadeten Talent auf die Beine, das danach eine Mega-Karriere hinlegen sollte: Luka Modric. Mit seinen damals 21 Jahren geigte der spätere vierfache Champions-League-Sieger mit Real Madrid groß auf und ließ sein riesiges Potenzial aufblitzen. Nur ein Jahr später holte ihn Tottenham, 2012 dann Real, wo er bis heute spielt und sich sogar zum Weltfußballer machte.
Es war generell eine Zeit, in der Dinamo Zagreb dafür bekannt war, die Stars von morgen zu produzieren. Nur einen Tag nach dem Testspiel gegen Rapid gaben die Kroaten die Verpflichtung eines gewissen Mario Mandzukic bekannt. Der damals ebenfalls 21-Jährige kam von Stadtrivale NK Zagreb und legte danach eine Bilderbuch-Karriere bei Wolfsburg, Bayern, Atletico, Juventus und Milan hin, ehe er im Sommer 2021 seine Karriere beendete. Mit den Bayern wurde er unter anderem Champions-League-Sieger, zweifacher Meister, Klub-Weltmeister, vier Mal Meister mit Juventus und drei Mal mit Dinamo Zagreb.
Kovacic, Lovren, Eduardo, Olic und viele, viele mehr
Für diese Spieler heimsten die Kroaten auch hohe Ablösesummen ein. Für Mateo Kovacic, in Linz geboren und in Ebelsberg und beim LASK groß geworden, wurde auch Dinamo Zagreb zum Sprungbrett. Inter Mailand, Real Madrid und Chelsea stehen seitdem auf seiner Vita, vier CL-Titel (3x Real, 1x Chelsea) ebenso.
Ein anderer war viele Jahre nicht beim FC Liverpool wegzudenken: Dejan Lovren. 2010 ging es von Zagreb aus nach Lyon, dann nach Southampton und schlussendlich an die Anfield Road, von wo aus er sich nach sechs Jahren Zenit St. Petersburg anschloss.
Auch der gebürtige Brasilianer Eduardo, der für Kroatiens Nationalmannschaft spielte, schaffte von seiner Wahlheimat aus den Durchbruch. Arsenal war der Abnehmer damals, auch bei Shakhtar Donetsk und Legia Warschau spielte er, ebenso wie in Brasilien bei Flamengo und Paranaense.
Natürlich dürfen auch Namen wie Ivica Olic, Niko Kranjcar, Vedran Corluka oder Milan Badelj nicht fehlen, auch Spieler wie Alen Halilovic, Fran Brodic, Robert Muric, Marcelo Bozovic, Sime Vrsaljko oder Tin Jedvaj schafften von Dinamo Zagreb aus den Sprung zu Top-Klubs. Die Liste könnte noch beliebig erweitert werden, wie etwa um Ante Coric, Marko Rog oder Marko Pjaca. Noch viel früher waren es Aushängeschilder wie Zvonimir Boban oder Robert Prosinecki.
Konzept als Talenteschmiede geht auf
Die Nachwuchsschule zählte zu den besten Europas. Eine durchgängige Philosophie, enger Kontakt zwischen den Nachwuchsabteilungen und einheitliche, aber an die Spieler angepasste, moderne Systeme garantierten den Erfolg und ließen die Kroaten unterschätzte Kicker zu Weltstars ausbilden.
Mario Cvitanovic meinte als damaliger U19-Trainer etwa zu "Goal": "Was glauben Sie, bei wie vielen Vereinen Alen Halilovic und selbst Luka Modric in der Jugend aussortiert worden wären? Sie waren klein und schmächtig. Aber bei Dinamo haben wir an sie geglaubt und jetzt schauen Sie sich an, wo Modric steht. Er ist einer der Besten der Welt."
Bei anderen hätte man sofort das Talent erkannt, wie etwa bei Bojan Knezevic oder Josip Brekalo. Dani Olmo, der vom FC Barcelona zu Dinamo Zagreb kam, wurde zu jenem Spieler geformt, der nun bei RB Leipzig und im spanischen Nationalteam für Furore sorgt.
Und die nächsten Talente stehen unter dem jetzigen Trainer Damir Krznar schon ante portas und werden versuchen, Rapid das Leben schwer zu machen.