Rapids letzte Hürde auf dem Weg in die Europa-League-Gruppenphase kommt in der Form von Zorya Luhansk (heute, 21 Uhr im LIVE-Ticker). Der Verein aus dem Osten der Ukraine steigt durch Rang drei in der Meisterschaft in der Vorsaison am Donnerstag im Playoff-Hinspiel erstmals in dieser Saison auf europäische Parkett.
In unseren Breitengraden ist das Team mit dem Spitznamen "Muzhyky" ein unbeschriebenes Blatt. Dabei wartet der Klub mit einer erfolgreichen Vergangenheit, einem bekannten Trainer und einer bewegten Gegenwart auf.
LAOLA1 stellt den letzten Gegner Rapids in der Europa-League-Qualifikation vor.
Teil eines erlauchten Trios
Während sich die Geschichte des Klubs bis ins Jahr 1923 zurückverfolgen lässt, ist der in der heutigen Form bestehende Verein 1964 aus einer Fusion hervorgegangen, damals unter dem russischen Namen Zaria Voroshilovgrad. Nur acht Jahre später konnte das Team aus der Ostukraine als zweiter von nur drei ukrainischen Klubs den Meistertitel der Sowjetunion erringen.
Doch dieser Achtungserfolg ist der letzte große Titel, der den Weg in die Arme des Klubs gefunden hat. Nach dem Zerfall der Sowjetunion spielte der Verein fünf Jahre noch unerfolgreich auf höchstem Niveau, ehe 1996 der Abstieg in die Zweitklassigkeit, zwei Jahre später sogar der Fall in die Drittklassigkeit stattfanden.
Nach Aufstiegen in den Jahren 2003 und 2006 spielt das Team aus der Ostukraine seitdem durchgehend erstklassig. Seit 2009 gehört der Klub dem Geschäftsmann und Politker Yevhen Heller. Der 47-Jährige saß bis 2014 für die Partei von Ex-Präsident Vitkor Yanukovych im ukrainischen Parlament.
Nach dem Umsturz der ukrainischen Regierung im Rahmen der Euromaidan-Proteste zog sich Heller in die Lokalpolitik im Donetsk Oblast zurück, ein Comeback auf nationaler Ebene scheiterte.
Verein im Exil
Die Vorkommnisse des Euromaidan und des späteren Kriegs in der Ostukraine prägen Zorya bis heute. Ähnlich wie Shakhtar Donetsk muss der Verein seine Heimspiele fernab der Heimat austragen.
Das wird auch Rapid am 26. August merken, denn statt nach Luhansk, die Hauptstadt der unilateral für unabhängig erklärten und völkerrechtlich nicht anerkannten Volksrepublik Luhansk, geht es ins mehr als 400 Kilometer entfernte Zaporizhia, wo Zorya die Heimspiele nun austragen muss.
Sportlich hat sich der Klub hinter der Phalanx bestehend aus Dynamo Kiev und Shakhtar Donetsk etabliert. Seit 2014 nimmt der Klub jedes Jahr an der Qualifikation zur Europa League teil, drei Mal klappte es auch mit der Gruppenphase, zuletzt im Vorjahr. Mehr als die Hauptrunde sprang für die Ukrainer allerdings nicht heraus. Zwei Mal waren dritte Plätze in der Gruppe mit je sechs Punkten das Höchste der Gefühle.
Für österreichische Vereine ist Zorya noch eine Unbekannte. Noch nie hat es der Verein aus Luhansk mit einem Team aus der Alpenrepublik auf dem grünen Rasen aufgenommen. Dennoch besteht Österreich-Bezug: Verteidiger Yevgen Cheberko wechselte 2020 nach drei Jahren bei Zorya Luhansk zum LASK. Aktuell absolviert der 23-Jährige eine eineinhalb-jährige Leihe beim NK Osijek, die im kommenden Sommer ausläuft.
2007 wechselte der kroatische Verteidiger Jurica Puljiz nach fünf Monaten beim SCR Altach in Richtung Ostukraine.
Für Rapid gingen Spiele gegen ukrainische Teams nur selten gut aus. Von zwölf Partien (inkl. Sowjet-Zeit) konnten die Hütteldorfer nur vier gewinnen, dem stehen zwei Remis und sechs Niederlagen gegenüber. Zuletzt kam es in der Saison 2015/16 zu einem Duell gegen ein Team aus der Ukraine: In der Champions-League-Qualifikation stand Rapid trotz einer 0:1-Heimniederlage gegen Shakhtar Donetsk mit einem Bein in der Gruppenphase. Trotz kurzzeitiger 2:1-Führung im Rückspiel musste sich Rapid mit einem bitteren 2:2-Remis und der Europa Leauge begnügen.
Bremen-Legende als Trainer
Aus sportlicher Sicht steht die bekannteste Persönlichkeit des Vereins an der Seitenlinie. Viktor Skrypnyk lenkt seit Sommer 2019 als Cheftrainer die Geschicke der Ostukrainer.
Der 51-Jährige absolvierte die letzten acht Jahre seiner aktiven Karriere an der Weser bei Werder. Eine deutsche Meisterschaft und zwei Titel im DFB-Pokal sind die Ernte seiner im Jahr 2004 beendeten Karriere.
Direkt im Anschluss arbeitete der Ukrainer als Trainer im Nachwuchs der Grün-Weißen, ehe Skrypnyk im Oktober 2014 zum Cheftrainer aufstieg. Knapp zwei Jahre später, im September 2016 endete sein Engagement nach 70 Spielen an der Seitenlinie der Bremer Kampfmannschaft wieder.
Ein Abstecher beim FC Riga zwischen Juli 2018 und Februar 2019 belebte die Trainer-Karriere des ehemaligen Verteidigers wieder. Fünf Monate nach dem Aus im Baltikum übernahm Skrypnyk den Posten bei Zorya Luhansk.
Der Kader des Dritten der vergangenen ukrainischen Meisterschaft besteht hauptsächlich aus heimischen Spielern. Lediglich sechs Legionäre zählt das Aufgebot von Zorya Luhansk, darunter der von Fenerbahce ausgeliehene Iraner Allahyar Sayyadmanesh. Der Stürmer ist seit Oktober 2020 bei den Ukrainern, in 30 Spielen stehen sieben Tore auf dem Konto.
Sayyadmanesh ist einer von zwei aktuellen Nationalspielern des Vereins. Der andere ist Mykyta Shevchenko, der zuletzt im Oktober 2020 als Ersatztorhüter in den Kader von Ex-Teamchef Andrey Shevchenko aufgenommen wurde.
Offene Rechnung
Just der Spieler, der dafür verantwortlich war, dass Rapid nicht den Einzug in die Champions-League-Gruppenphase einzog, könnte den Wienern am Donnerstag wieder gegenüberstehen.
Stürmer Oleksandr Gladkyi erzielte an jenem 25. August 2015 den Treffer zum 2:2-Ausgleich für Shakhtar Donetsk, an dem die Grün-Weißen-Träume letztendlich zerplatzten.
Der elffache Nationalspieler der Ukraine wechselte nach zwei Jahren in der Türkei im September 2020 zu Zorya Luhansk. Bei den Top-Klubs des Landes Dynamo und Shakhtar stand der Stürmer zum Teil mehrfach unter Vertrag. Auch Stationen bei Karpaty Lviv, Chernomorets Odessa und Dnirpo stehen im üppigen Lebenslauf des 33-Jährigen.
Mit Zorya Luhansk hat Rapid einen Gegner erwischt, der im Normalfall schlagbar sein sollte. Das Niveau des ukrainischen Fußballs hat auch als Folge des Krieges im Osten stark gelitten, nur Dynamo Kiev und Shakhtar Donetsk halten die blau-gelbe Fahne hoch. Doch Wien-Hütteldorf befindet sich spätestens nach der unnötigten 1:2-Niederlage gegen Altach unter Druck.
In den ersten neun Saisonspielen setzte es für Rapid wettbewerbsübergreifend je vier Siege sowie vier Niederlagen und ein Remis gegen den LASK. Rechnet man das 6:0 im Cup gegen die Wiener Viktoria aus der Wertung, halten die Hütteldorfer bei einem Torverhältnis von 11:10.
Mit dem Heimspiel gegen Zorya Luhansk starten für die Hütteldorfer zwei extrem wichtige Wochen. Im Europacup entscheidet sich, in welcher Gruppenphase die Wiener unterkommen. Im Fall eines Ausscheidens gegen die Ukrainer muss Rapid in die Europa Conference League. In der Bundesliga stehen richtungsweisende Duelle mit der SV Ried und Stadtrivale Austria Wien für den zehntplatzierten Vizemeister an, ehe die Länderspiel-Pause ansteht, die von Trainer Didi Kühbauer mit Sicherheit schon sehnsüchtigst erwartet wird.
Ein Hinspiel-Erfolg gegen Zorya Luhansk könnte jedenfalls schon für positiven Schwung sorgen.