Alles begann einst mit Sadio Mane, den er 2014 als Chefscout in die Premier League zu Southampton lotste.
Wer die Story über Sturms Europa-League-Gegner AS Monaco gelesen hat, kennt Paul Mitchell schon. Der Engländer arbeitet seit Sommer 2020 als Sportdirektor des Ligue-1-Vereins.
Unmittelbar davor stand er gut drei Jahre lang in verschiedenen Funktionen in Diensten der Red-Bull-Fußball-Familie, womit sich Österreich-Connections geradezu von selbst ergeben.
Doch auch davor hatte er als Mitarbeiter von Southampton und Tottenham den rot-weiß-roten Fußball im Blick. Dies startete bei Southampton, wo sich die damaligen Eigentümer wünschten, in Sachen Scouting auf der Suche nach sinnvollen Investments auch weniger bekannte Märkte verstärkt zu berücksichtigen.
"Es ist jetzt natürlich leicht für mich, hierzusitzen und über Sadio zu reden", grinst Mitchell im Gespräch mit LAOLA1, genauso leicht sei es, über denkwürdige Europacup-Auftritte Salzburgs gegen Ajax Amsterdam zu sprechen.
Den Unterschied macht womöglich, Bundesliga-Spiele vor wenigen Tausend Zuschauern beobachtet zu haben: "Sadio Mane war der Erste, aber er hat meinen Fokus darauf gebracht, den österreichischen Fußball weiter zu verfolgen und dabei zuzusehen, wie er wächst - und er wächst weiter von Jahr zu Jahr."
VIDEO - Die besten Momente von Gareth Bale bei Tottenham:
(Text wird unter dem Video fortgesetzt)
Wirklich talentierte Coaches
Die Entwicklungsschritte seien große gewesen, und dies würde nicht nur Spieler betreffen. Genauso kommen dem 40-Jährigen Trainer in den Sinn.
"Österreich hat einige wirklich talentierte Coaches produziert, wie wir in den letzten Saisonen in der deutschen Bundesliga sehen konnten", verweist Mitchell auf Adi Hütter, Oliver Glasner oder Peter Stöger.
Thalhammer und Muslic
Wie zum Beweis, dass es sich um keine Lobhudelei handelt, hat sich mit Cercle Brügge der Partnerklub von AS Monaco erst jüngst am österreichischen Markt bedient.
Die Belgier, deren Eigentümer Monaco-Präsident Dmitri Rybolovlev ist, verpflichteten Ex-LASK-Trainer Dominik Thalhammer. Ex-Ried-Coach Miron Muslic stand schon zuvor als Assistent im Trainerstab.
Dass Thalhammer einst die Trainerausbildung in einem Land verantwortet hat, das zuletzt immer höherklassig arbeitende Trainer produziert hat, habe bei dieser Bestellung durchaus eine Rolle gespielt:
"Das ist ein Element. Wir wollen innerhalb unserer Organisation eine echte Coaching-Philosophie mit festen Spielprinzipien entwickeln. Dominiks Erfahrung als Technischer Direktor soll auch die Reise unserer jungen Coaches wie Miron helfen."
Ein spannender Spielermarkt
"Man muss sich ja nur David Alaba ansehen, der einer der besten Linksverteidiger seiner Generation ist, auch wenn er wahrscheinlich ins Treffen führt, dass er auch ein zentraler Mittelfeldspieler ist."
Aber auch der heimische Spielermarkt ringt Mitchell Respekt ab: "Man muss sich nur Österreichs Nationalteam anschauen, da gibt es einige richtig talentierte Spieler. Ich hatte das Vergnügen, in Leipzig auf Spieler wie Konni Laimer und Marcel Sabitzer zu treffen. Aufgrund der Beziehung zu Salzburg konnte ich Xaver Schlager oder Stefan Lainer sehen. Und man muss sich ja nur David Alaba ansehen, der einer der besten Linksverteidiger seiner Generation ist, auch wenn er wahrscheinlich ins Treffen führt, dass er auch ein zentraler Mittelfeldspieler ist", schmunzelt der Brite.
Alles in allem sei der österreichische Markt einer, den man weiter im Auge habe.
Dort lässt sich inzwischen mit dem nunmehrigen Rapidler Kevin Wimmer ein Spieler beobachten, den Mitchell einst zu Tottenham gebracht hat. Dele Alli und der Oberösterreicher seien die ersten beiden Verpflichtungen gewesen, nachdem er als Chefscout beim Londoner Traditionsklub angeheuert hat.
Wimmer diente den Spurs zwei Jahre lang als zuverlässiger Innenverteidiger-Backup und war 2015/16 anerkannter Teil jener Truppe, die am längsten mit Sensations-Champion Leicester mithalten konnte. Unterm Strich schauten 31 Pflichtspiele für Tottenham heraus.
Das exzellente Investment Kevin Wimmer
Mitchell ist vom damaligen Transfer nach wie vor begeistert: "Dele Alli hat in der Folge logischerweise all die Schlagzeilen bekommen, aber Kevin hatte zwei fantastische Saisonen bei Tottenham. Für sein Performance-Level, das er im Klub gebracht hat, war er unterschätzt."
"Linksfüßige Innenverteidiger, die athletisch und aggressiv sind, sind schwierig zu finden, und wir haben damals einen in Köln gefunden. Leider haben wir in seiner ersten Saison schmerzvollerweise im Titelkampf gegen Leicester verloren, aber Kevin hat uns großartige Kadertiefe hinter Toby Alderweireld und Jan Vertonghen geboten, die damals zu Europas Besten auf dieser Position gehört haben."
"Wir haben für Kevin Wimmer vier Millionen Euro an Köln gezahlt und ihn für 18 Millionen Pfund an Stoke verkauft. Aus fußballerischer Perspektive war er exzellent und aus Business-Perspektive unglaublich."
Wimmer habe sich in einem richtig guten Tottenham-Kader bewähren müssen. Einige der damaligen Spieler wären für gutes Geld gewinnbringend verkauft worden - und auch Wimmer war ein Investment, auf das Mitchell durchaus stolz ist:
"Wir haben vier Millionen Euro an Köln gezahlt und ihn für 18 Millionen Pfund an Stoke verkauft. Aus fußballerischer Perspektive war er exzellent und aus Business-Perspektive unglaublich."
Stoke als falsches Timing für Wimmer
Wimmers weitere Karriere nahm beginnend mit dem Wechsel zu Stoke im Sommer 2017 bekanntlich nicht den erhofften Verlauf. Anstatt den Sprung zum Premier-League-Stammspieler zu schaffen, ging es mit Verein und Spieler bergab. Nach Leihen zu Hannover, Mouscron und Karlsruhe kehrte er schließlich zurück in die Heimat zu Rapid.
Mitchell verteidigt seine damalige Entdeckung dennoch vehement und verweist darauf, dass die Umstände bei Stoke nicht wirklich die glücklichsten für Wimmer gewesen seien.
"Stoke war unglücklicherweise ein wenig im Umbruch, was Kevins Integration nicht wirklich geholfen hat. Und Integration ist nun mal der fundamentale Schlüsselfaktor für den Erfolg von Spielerverpflichtungen. Wenn das nicht gut gehandhabt wird, ist es sehr schwer, diese ersten Eindrücke wieder gut zu machen und ein positives Image zu erzeugen", so Mitchell, der weiter ausführt:
"Die Transfersumme war für Stoke eine ziemlich hohe, mit 18 Millionen Pfund gingen auch hohe Erwartungen einher. Ich glaube, er hätte ein bisschen mehr Zeit und ein bisschen mehr Support gebraucht. Es ist eben so: Wenn Fußball-Klubs in einer guten Phase sind, ist Geduld keine Mangelware."
Mitchells Fazit: "Ich finde, Stoke hat eine sehr gute Gelegenheit auf einen sehr guten Spieler verpasst. Aufgrund vieler unterschiedlicher Faktoren hat es nicht geklappt. Ich habe ihn dann in Belgien gesehen, wo er einen guten Job gemacht hat. Jetzt ist er zurück in Österreich bei Rapid. Ich glaube jedoch definitiv aufgrund der zwei Jahre, die wir ihn bei Tottenham hatten, dass er eine nachhaltige Premier-League-Karriere hinlegen hätte können. Ich denke, er hat gezeigt, dass er Potenzial und Qualität dafür gehabt hätte. Ich denke, dass Timing wichtig ist, und er war nicht zur richtigen Zeit in Stoke, da sie damals als Organisation in einer schwierigen Situation waren."
Für Red Bull um die Welt
Derart schwierige Situationen kennt man in der Fußball-Welt von Red Bull kaum. Von März 2017 bis zu seinem Abschied in Richtung Monaco arbeitete der Engländer für die "Bullen".
Ursprünglich sei er in Leipzig stationiert gewesen, wo er an der Seite von Ralf Rangnick gearbeitet habe. Eines der Themen sei gewesen, die Strukturen so aufzusetzen, dass der Verein nachhaltig auf dem Champions-League-Level bleiben kann, das damals noch Neuland bedeutet hatte.
"Ich habe meine eineinhalb Jahre in Leipzig wirklich genossen. Ich bin dann in die Rolle des Technischen Direktors der Red Bull Global Group geschlüpft, der die Standorte New York, Bragatino in Brasilien und Leipzig im Blick hatte."
Das bedeutete natürlich erhöhtes Reiseaufkommen - eine Woche Sao Paulo, die nächste Woche in New York, dann zwischenzeitlich einige Tage in Leipzig und zu Hause in Großbritannien.
"Einerseits war es natürlich reiseintensiv, aber andererseits eine großartige Ausbildung, wenn du mit einem Talente-Pool wie in Brasilien arbeiten kannst oder in den USA, einem der am schnellsten wachsenden Fußball-Märkte der Welt. Das hat mir Einblicke ermöglicht, wohin sich unser Sport entwickelt. Und meine Zeit in Leipzig hätte ohnehin nicht besser laufen können. Wir hatten einige Erfolge und haben genau jene Nachhaltigkeit als regelmäßiges Champions-League-Team erzeugt."
Ein komischer Anruf
"Christoph Freund ist ein Freund von mir, er macht in Salzburg einen absolut erstaunlichen Job."
In dieser Phase haben sich natürlich auch gute Connections nach Salzburg entwickelt. "Christoph Freund ist ein Freund von mir, er macht in Salzburg einen absolut erstaunlichen Job", findet Mitchell, "ich habe viel Zeit mit ihm, seinen Mitarbeitern und der Red-Bull-Familie in Salzburg verbracht, speziell als ich dann in der globalen Rolle war. Ich kann nur positive Dinge berichten."
Und doch musste Mitchell kurz nach Amtsantritt in Monaco einen zumindest teilweise unangenehmen Anruf tätigen, wie er lachend berichtet.
Head of Athletic Development bei AS Monaco ist mit Walter Gfrerer seit 2020 nämlich ein Österreicher mit "Bullen"-Vergangenheit.
"Walter hat im Trainingszentrum Thalgau gearbeitet. Wir kannten uns aus meiner Zeit bei Red Bull eigentlich gar nicht. Oft werden Leute im Fußball ohne echte Grundlage miteinander in Verbindung gebracht", grinst Mitchell.
Dafür kannte sein neuer Coach Niko Kovac Gfrerer: "Niko fragte, ob ich wegen ihm bei Red Bull anrufen könnte. Man kann sich vorstellen, dass das ein wenig komisch war, erst Red Bull zu verlassen und dann wegen einem Mitglied des Trainerstabs anzurufen. Wir hatten eine kultivierte Konversation, und jetzt ist Walter gemeinsam mit Niko bei uns. Und auch an ihm zeigt sich wieder einmal Wachstum und Entwicklung des österreichischen Fußballs."
Die "richtig guten Leute" bei Sturm
Selbigen kann man womöglich auch an Sturm Graz festmachen, wenngleich diese Europa-League-Gruppe für die Steirer eine Nummer zu groß war.
"Das war ein schwieriger Abend", erinnert sich Mitchell an Monacos 1:0-Sieg im Hinspiel, "sie haben eine echte Gefahr dargestellt, waren gut organisiert, eine sehr ausgeklügelte Taktik. Sie haben uns vor Probleme gestellt, die wir erst in der zweiten Halbzeit gelöst haben. Es war ein wirklich kompliziertes Spiel mit einem Resultat, mit dem wir glücklich waren."
Und auch abseits des Platzes hätten die Sturm-Vertreter einen "fantastischen Eindruck" hinterlassen: "Richtig gute Leute! Man interagiert ja auch tagsüber, zum Beispiel beim gemeinsamen Mittagessen. Sturm ist ein sehr bewusster, bestens strukturierter und gut organisierter Fußball-Klub."