„Das war unnötig, das darf nicht passieren“, ärgerte sich Trainer Mike Büskens am Ende weniger über die 0:1-Niederlage als über eine spezielle Szene.
Nämlich jene, als man Bilbao fahrlässig in der Nachspielzeit der 1. Hälfte noch eine Riesen-Chance ermöglichte, da man sich schon in der Pause wähnte.
„Von jedem Spieler, der das Trikot, das Emblem trägt, muss man verlangen, dass er seine Kollegen unterstützt, Räume zuläuft und hinter den Ball kommt. Das sind elementare Dinge“, übt Büskens Kritik.
„Das ärgert mich dann kolossal“
„Vor allem gegen einen Gegner, der über sehr hohe individuelle Qualität verfügt. Manche Dinge kann man nicht verhindern, aber du kannst schauen, dass du Räume zuläufst.“
Diese Aktion führte in weiterer Folge zur kuriosen Schiedsrichter-Panne, die in der Endabrechnung zum Glück nicht spielentscheidend war.
Trotzdem wurde der 48-jährige Deutsche deutlich: „Das hat mir nicht gefallen. Es ärgert mich die Tatsache, wie wir die Aktion zulassen. Wenn man auf der Uhr sieht, dass 45 Minuten abgelaufen sind und eine Minute Nachspielzeit angezeigt wird, dann geht es darum, dass du noch einmal den Verbund unterstützt, Pässe und Flanken unterbindest. Nach diesen fünf, sechs, sieben oder zehn Metern hast du wieder 15 Minuten Zeit, um zu regenerieren. Das ärgert mich dann kolossal. Es hätte uns für den hohen Aufwand zu diesem Zeitpunkt unnötigerweise bestrafen können.“
Der Chefbetreuer war aber nicht der einzige, der sich trotz des knapp anmutenden Ergebnisses von 0:1 beim großen Gruppen-Favoriten den Frust von der Seele redete.
Unsicher, hektisch und mit „Beistrich in der Hose“
Etwa Christoph Schösswendter, der gegenüber LAOLA1 meinte: „Wir haben in der ersten Halbzeit zu viel Respekt gehabt, haben uns zu wenig zugetraut und sind viel zu defensiv gestanden. Wir haben 70 Minuten lang ganz schlecht gespielt. In den letzten 20 Minuten haben wir dann gesehen, was mit Selbstvertrauen alles möglich gewesen wäre.“
Starke, ehrliche Worte, die ausdrückten, dass man sich zu lange wie das Kaninchen vor der Schlange versteckte und abgesehen von der Defensivarbeit kaum überzeugen konnte. Deshalb witterte auch Christopher Dibon einen „Beistrich in der Hose“ des einen oder anderen.
Auch Stefan Schwab übte Kritik an sich selbst und dem Team: „Wir haben bis dahin nicht gut gespielt und hätten schon da mit 0:2 oder 0:3 hinten sein können. Da können wir uns bei Richie (Anm.: Strebinger) bedanken, der uns mit tollen Paraden im Spiel gehalten hat.“
Dabei ergänzte er: „Wir waren zu unsicher, zu hektisch.“ Das zeigte sich vor allem beim schnellen Umschalten nach Ballgewinn, als Angriffe durch Fehlpässe und Ungenauigkeiten bereits im Keim erstickt wurden.
Kritik! Hätten die Spieler anders aufgestellt?
Das aggressive Pressing der Hausherren zeigte Wirkung. Deshalb gab es kaum Entlastungsangriffe, Verschnaufpausen oder gar Ballstafetten.
Offensiv war es zu wenig, defensiv legte man jene Eigenschaften an den Tag, die bei so einem schier übermächtigen Gegner unabdingbar sind.
„Kämpferisch und vom Einsatz her war das top, vor allem defensiv“, legte Schösswendter nach. Überraschend offensiv betonten alle Beteiligten, um wie viel es besser lief, als mit Steffen Hofmann und Tamas Szanto frischer Wind ins Spiel kam.
Eine leise Kritik an der Aufstellung und ein Plädoyer für Neo-Reservist Hofmann? Die Neuzugänge Ivan Mocinic und Arnor Traustason erwischten beispielsweise einen rabenschwarzen Tag. Hofmann musste wieder einmal 67 Minuten auf der Bank schmoren, ehe er die beste Leistung seit seiner Verletzungspause zeigte.
„Wir haben Gras gefressen und alles gegeben“
Es war aber auch nicht alles schlecht. Schließlich kann man dem knappen Ergebnis und dem lange offen gehaltenen Spiel durchaus auch etwas Positives abgewinnen.
„Wir haben gesehen, dass die Mannschaft absolut lebt. Wir haben Gras gefressen und alles gegeben. Mit ganz viel Glück wäre am Schluss vielleicht sogar noch das 1:1 möglich gewesen. Wir haben aber gesehen, dass wir eine Einheit sind“, fand Schwab die passenden Worte.
Dafür, sich mit einer 0:1-Niederlage zufrieden zu geben, ist dann der eine oder andere aber doch zu sehr Sportsmann: „Ich stehe immer am Platz, um zumindest einen Punkt mitzunehmen. Also können wir nicht ganz zufrieden sein“, stellte Torhüter Richard Strebinger klar.
Im Nachhinein ist Rapid hin- und hergerissen. Was hätte man anders machen können? Was wäre mit einer besseren Leistung möglich gewesen? Und warum agierte man anfangs zu ängstlich?
„Sportlich bringt es uns sicher weiter“
Fragen über Fragen, die in der Analyse aufgearbeitet werden. Trotzdem können die Grün-Weißen definitiv etwas mitnehmen aus der Partie im beeindruckenden „San Mames“.
„Sportlich bringt es uns sicher weiter, die ganze Atmosphäre und die Gegenspieler haben schon eine gewisse Klasse. Wir haben aber gesehen, dass wir kämpferisch mithalten können“, preschte Strebinger vor.
Auch der Trainer zog ein Fazit: „Wir haben uns vernünftig verkauft und wussten unsere Rolle gegen eine Mannschaft, die zuletzt heroisch gegen FC Barcelona gekämpft hat. Der Auftritt war an sich in Ordnung. Ich hätte mit nur gewünscht, dass wir in Umschaltsituationen genauer sind, uns aus dem Druck herausspielen und mit ein, zwei Pässen die Linien überspielen.“
Das klappte jedoch nicht. Trotzdem wird der Ärger schnell dem Stolz weichen, nicht unter die Räder gekommen zu sein. Und Selbsterkenntnis ist bekanntlich der erste Schritt zur Besserung.
Aus Bilbao berichtet Alexander Karper