Der SK Rapid kann sich nach der 0:1-Heimniederlage gegen Inter Mailand im Sechzehntelfinal-Hinspiel der Europa League in den Spiegel schauen.
Unzufrieden sind Trainer und Spieler nach dem ersten Bewerbsspiel im Jahr 2019 nicht, schon gar nicht, da es gegen ein Top-Team aus der italienischen Serie A ging.
Viel mehr überwiegt der Ärger darüber, dass gegen das Team von Luciano Spalletti in einigen Phasen durchaus mehr drin gewesen wäre. Am meisten überschattet jedoch die Art und Weise, wie die Niederlage besiegelt wurde, den Europacup-Abend in Hütteldorf.
"Das Elfmeter-Foul von Thurnwald war zwar zu geben, aber die Situation davor wäre eigentlich zu geben gewesen. Und das ist dann schade, wenn man ein Spiel dann so mit 0:1 verliert. Ich hätte es mir nicht anders gewünscht, aber grundsätzlich mit so einem Tor dann zu verlieren, ist nicht schön", war Trainer Didi Kühbauer geknickt.
Potzmann verärgert: "Er haut mich eigentlich um"
Dabei sprach er vielen Rapid-Spielern aus dem Herzen, die eine ähnliche Ansicht hatten. Denn Schiedsrichter Tobias Stieler ließ ein vermeintliches Stürmer-Foul von Ivan Perisic, der in Marvin Potzmann hineinstolperte, ungeahndet und erst in weiterer Folge kam es zum Vergehen von Thurnwald.
Am meisten ärgerte sich Potzmann, als Rechtsverteidiger aufgeboten, dass ihm durch das Einsteigen vom kroatischen Vizeweltmeister Perisic, die Chance genommen wurde, die Situation zu klären, bevor es überhaupt zum Elfmeter-Foul kam.
"Ein ganz bitteres Tor. So wie ich es im Match gesehen habe, ist er in mich hineingefallen. Ich hätte den Ball klären oder wenigsten wegführen können. Er haut mich eigentlich um. Ich habe den Schiedsrichter gefragt, der hat gemeint, ich bin über ihn drübergestolpert. Ist halt seine Meinung, meine war anders. Aber es ist bitter, wenn du wegen so einem Tor gegen Inter verlierst. Auch wenn sie besser waren", beschäftigte diese Aktion den Defensivspieler auch noch nach dem Schlusspfiff.
Prinzipiell waren einige Schiedsrichter-Entscheidungen nicht gerade nach dem Geschmack der Hütteldorfer. Kritik wollte keiner äußern, doch Potzmann meinte zumindest: "Das ist nicht leiwand!"
"...dann ist das für mich ein Foul"
Deutliche Worte fand wie immer Mario Sonnleitner, der als Europacup-Routinier gerne auch im Heimspiel gegen Inter mehr mitgenommen hätte.
"Wenn sie uns deppert spielen und ein Tiki Taka aufziehen, dann sage ich okay. Schade, dass wir durch so ein Elfertor verlieren", ärgerte sich der Steirer. "Das war sehr unglücklich, weil der Stürmer von Inter stolpert und dadurch Potzmann foult. Der will aufstehen und klären. Dann kommt Thurnwald dazu, sieht den Spieler nicht kommen, will den Ball wegschießen und dann kommt genau der Fuß des Spielers dazwischen. Es war ein Foul vorher, dann wäre die Situation gar nicht entstanden. Weil egal, ob der jetzt reingrätscht oder sich in den Weg stellt oder stolpert – wenn ich dadurch nicht weiterlaufen kann, ist es für mich ein Foul. Schade darum. Dass du so ein Tor bekommst, ist halt sehr bitter", so der Abwehrchef, der mit getackertem Cut und Turban bis zum Ende durchielt.
Auch aus der Sicht von Geburstagskind Richard Strebinger, er feierte am Matchtag seinen 26. Geburtstag, hätte man die Aktion abpfeifen können, "dann redet keiner mehr darüber, was danach gewesen ist". Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass man in so einem Fall im Sinne der Defensive entscheidet.
Die Szene war Gesprächsthema Nummer eins, weil Rapid Inter ansonsten eigentlich gut im Griff hatte und trotz phasenweiser Überlegenheit der Gäste kaum Chancen zuließ.
Zu großer Respekt wich dem Mut, Inter zu fordern
Fast alle Beteiligten unterschieden zwischen zwei Halbzeiten: Die erste, in welcher der Mut zum Risiko fehlte und der Respekt zu groß war. Und die zweite, wo man durchaus mithalten und auch die Nerazzurri zurückdrängen konnte.
Kühbauer war mit dem Auftritt seiner Mannen nicht unzufrieden, der zu große Respekt und die falschen Entscheidungen in den ersten 45 Minuten wurmten ihn aber doch ein wenig.
"In der ersten Hälfte war der Respekt leider zu groß, da haben wir viele Bälle, die wir davor gewonnen haben, zu schnell wieder verloren. Damit haben wir Inter in die Karten gespielt. Sie haben das Spiel dann kontrolliert. Wir hätten auch mehr Möglichkeiten nach vorne haben können, aber wir haben die Bälle nicht gut gespielt und meist nur die Tiefe gesucht. Zu viel Tiefe ist auch nicht gut", sah der Chefbetreuer den ersten Durchgang kritisch.
"In der zweiten Hälfte hatten wir viel mehr Ballkontrolle, haben auch mutiger gespielt und mit Knasmüllner auch noch die Möglichkeit gehabt, das Spiel nicht zu verlieren."
Rapid funktionierte als Kollektiv und ließ nicht viel zu
Eine Riesenchance des eingewechselten Jokers, die der neue Kapitän und Torhüter Samir Handanovic mit einem sensationellen Reflex jedoch zunichte machte. Der Jubelschrei blieb den Fans im Halse stecken.
Inter riskierte nicht viel, ließ den Ball oftmals in den eigenen Reihen laufen, aber suchte nicht unbedingt das zweite Tor, um das Duell vorzeitig zu entscheiden. Großchancen waren Mangelware, das Tor fiel aus dem Elfmeter.
Somit war Rapid durchaus zufrieden, wie man sich als Kollektiv präsentierte. Noch dazu war es die erste Standortbestimmung, denn laut Kühbauer war es nur schwer einzuschätzen, auf welchem Stand man sich nach der Vorbereitung befand.
"Eine Niederlage ist nie gut, aber wir haben gesehen, dass wir in der zweiten Halbzeit den Ball auch gegen eine gute Mannschaft kontrollieren können, und defensiv sind wir sehr kompakt gestanden. Inter hat nicht viele Torchancen gehabt. Wir haben es eigentlich gut gemacht defensiv", fasste Strebinger zusammen.
"Wir haben auch Inter reindrücken können"
Ob sogar mehr drin gewesen wäre, wenn man den Gegner früher beschäftigen hätte können oder ob Inter im Energiesparmodus agierte?
"Inter war schon da. Es ist ja nicht so, dass sie schlecht gespielt hätten. Man hat schon gesehen, dass sie die Bälle im Mittelfeld sehr gut sichern können, ein gutes Passspiel und sehr hohe Qualität haben. Ich will Inter nicht schwachreden, sondern wir haben es definitiv einfach gut gemacht und in der zweiten Halbzeit ruhiger und kontrollierter gespielt. Deshalb war es dann ein offener Schlagabtausch", streicht Strebinger lieber die eigenen Stärken hervor, anstatt vom Gegner zu sprechen.
Sonnleitner ergänzte: "Es war unsere erste Partie, und dann hat man gleich Inter Mailand vor der Brust. Da haben wir ein bisschen zu ängstlich und verhalten gespielt. Wir haben defensiv ganz gut agiert, haben auch gute Ballgewinne gehabt, aber dann haben wir zu hektisch nach vorne gespielt. Wir hätten zwei, drei Stationen mehr gebraucht, um dann in die Tiefe zu spielen. Danach waren wir dann mutiger, haben gute Aktionen gehabt und auch Inter mal reingedrückt. Das muss uns Kraft geben für die nächsten Spiele, dass, wenn wir konzentriert und einfach spielen, wir auch einmal Inter Mailand reindrücken können."
Positive Aspekte können die Hütteldorfer mit Sicherheit mitnehmen - erst einmal ins Cup-Duell mit Hartberg und dann in einer Woche ins Rückspiel im Mailänder San Siro.
"Nach dieser zweiten Halbzeit überwiegt die Enttäuschung, dass wir mit so einem Gegentor 0:1 gegen Inter verloren haben", monierte Potzmann. Auch der Ärger über die Elfmeter-Entscheidung und die dadurch resultierende Niederlage soll im besten Fall in positive Energie umgewandelt werden.