Red Bull Salzburg hat das große Los gezogen, trifft im Achtelfinale der Europa League auf Italiens Vize-Meister SSC Napoli.
Doch was erwartet die "Bullen" gegen das Team von Star-Trainer Carlo Ancelotti?
Die Fans in Neapel gelten als besonders heißblütig, der "Standard" warnte bereits einen Tag nach der Auslosung vor Napolis "Problemfans".
Das will Jakob Rosenberg so nicht stehen lassen. Der Chefredakteur des Fußballmagazins "Ballesterer" hat selbst in Neapel gelebt. Gemeinsam mit LAOLA1 wirf er einen Blick auf den Gegner von Österreichs Serienmeister.
Tranquilli Tommaso Starace spacca Tutti pic.twitter.com/1ybvAUQ7aO
— Gaetano Mastellone (@gmastellone) 23. Februar 2019
Napolis leerer Hexenkessel
Der generelle Begriff "Problemfans" gefällt dem Napoli-Kenner nicht. "Es gibt in Neapel schon schwierige Fangruppen, die nicht vor Auseinandersetzungen zurückschrecken. Aber so schlimm ist es nicht."
Er habe keine Angst vor Ausschreitungen, so Rosenberg. Auch die Entwicklung der Stadt Neapel als Tourismusmagnet hilft dabei. Gehörte es früher noch zum Alltag, dass Fremde in der Stadt ausgeraubt wurden, so gehören diese Zeiten nun der Vergangenheit an.
Trotzdem: "Neapel kann für Auswärtsfans schon schwierig sein, aber eher wenn Klubs kommen, die selbst Fans haben, die in der Ultras-Szene aktiv sind. Würden jetzt Rapid-Fans in die Stadt kommen, wäre das etwas anderes, als jetzt bei Salzburg", so Rosenberg.
Doch auch am Vesuv plagt man sich mit dem typischen italienischen Problem, dass der große Fan-Ansturm bei Spielen in der Europa League ausbleibt. Im Sechzehntelfinale gegen den FC Zürich kamen mit 17.579 Zuschauern nicht einmal 20.000 Fans ins altehrwürdige San Paolo.
"Gegen Salzburg werden sicher mehr kommen, auch, weil das Wetter besser wird. Das Problem ist halt, dass das Stadion sehr groß ist (60.000 Plätze). Aber die Stimmung wird da sein", ist sich der "Ballesterer"-Chef sicher.
Auch in Salzburg werden viele Fans ihr Team vor Ort unterstützen. Die Napoli-Fans gelten als sehr reisefreudig. "Man muss auch bedenken, dass in Süddeutschland viele Einwanderer aus Süditalien leben, viele von ihnen werden sich dieses Spiel natürlich nicht entgehen lassen", erklärt der Fachmann.
Von einem Hexenkessel, sowohl beim Heimspiel, wie auch beim Auswärtsmatch sei nicht auszugehen. "Wer sich vielleicht daran erinnern kann, haben die Napoli-Fans das Auswärtsspiel in der Champions League bei Roter Stern Belgrad zu einer Heimpartie gemacht, sowas wird es in Salzburg nicht geben", sagt Rosenberg.
Zwischen Jubel und Warnungen
In den italienischen Medien wurde das Los für den aktuellen Tabellenzweiten der Serie A als machbares bezeichnet. "In einigen Medien hieß es aber, dass Inter (gegen Eintracht Frankfurt) das bessere Los erwischt hat", so Rosenberg.
"Italienische Teams fühlen sich generell immer überlegen, das ist einfach das Selbstverständnis. Andererseits wird mir der italienische Fußball von vielen zu schlecht gesehen."
Der Experte ist sich sicher, dass sich die Neapolitaner gegen Salzburg eine Niederlage nicht erlauben können. In Italien würden die Rapid-Auftritte gegen Inter noch nachwirken, so der Journalist. Österreichische Klubs werden nicht so ernst genommen.
Rosenberg weiter: "Italienische Teams fühlen sich generell immer überlegen, das ist einfach das Selbstverständnis. Andererseits wird mir der italienische Fußball von vielen in Österreich als zu schlecht gesehen."
Ganz entscheidend für die Chancen der "Bullen" dürfte aber ohne Zweifel sein, wie seriös die "Azzurri" an die Sache herangehen.
Offiziell hat der Klub den Titelgewinn als Ziel ausgegeben. Auch für zahlreiche Experten zählen die "Partenopei" zum Kreis der Europa-League-Favoriten. Das waren sie aber auch im vergangenen Jahr, als es dann gegen RB Leipzig (1:3/2:0) bereits im Sechzehntelfinale das Aus setzte - gegen einen Red-Bull-Klub.
"Es kann für Napoli schon trügerisch sein, dass sie gegen den FC Zürich zweimal mit einer B-Mannschaft relativ locker gewonnen haben. Das wird sich gegen Salzburg nicht ausgehen", sagt Rosenberg.
Letzte Titelchance
Napoli überzeugte in den letzten Jahren durch Kontinuität. Maurizio Sarri formte aus talentierten Spielern ein Top-Team. Dennoch musste er gehen und wurde durch Carlo Ancelotti ersetzt.
Für beide Seiten ein Neustart. Napoli wollte endlich Serienmeister Juve ernsthaft angreifen, Ancelotti wollte sein doch erfolgloses Engagement bei Bayern München vergessen machen.
Doch die Realität sieht anders aus: Der Titelkampf in der Serie A ist gelaufen, im Cup setzte es ein frühes Aus gegen Milan und auch in der Champions League schied Napoli (trotz neun Punkten) gegen Liverpool und Paris Saint-Germain aus.
"Ich glaube, dass Ancelotti gute Arbeit leistet. Das Team ist taktisch variabler und die Spieler haben nun zum Teil andere Rollen als früher. Dadurch, dass das Team nahezu unverändert blieb, können sie immer noch auf die alten Mechanismen zurückgreifen", erklärt der Experte.
Doch auch für Ancelotti und Klub-Boss Aurelio De Laurentiis, der für die Trennung von Sarri verantwortlich ist, käme ein Aus gegen Salzburg einem Debakel gleich.
"Napoli kann es sich nicht leisten gegen Salzburg zu verlieren, ein Aus wäre für die Verantwortlichen nicht zu verkaufen", glaubt auch Rosenberg.
Achtung vor Napolis Ausdauer
Die Hoffnungen der Napoli-Fans liegen vor allem auf zwei Spielern. Abwehrboss Kalidou Koulibaly wird für die "Bullen" nur ganz schwer zu überwinden sein. Offensiv ist Lorenzo Insigne das Um und Auf.
"Insigne ist spielerisch sicher der Stärkste. Er zeigt großartige Spiele, dann wird er aber dem Druck nicht wirklich gerecht", so der "Ballesterer"-Chefredakteur.
Im neuen 4-4-2-System von Ancelotti muss der dribbelstarke Insigne jedoch oft als zweiter Stürmer auflaufen. Dadurch wird er seiner Stärke, die er am linken Flügel gezeigt hat, etwas beraubt.
Auch die Abwehr ist für den Fachmann eine kleine Schwachstelle. Koulibaly sei ein Bollwerk, seine Nebenleute aber nicht immer ganz sattelfest.
"Die Außenverteidiger, eigentlich das Prunkstück von Napoli in der vergangenen Saison, überzeugen nicht so. Auch der zweite Innenverteidiger ist immer eine kleine Problemstelle", so Rosenberg.
Für den Experten kommt den Italienern die Spielweise der Salzburger jedoch entgegen. Die "Azzurri" seien unter "Carletto" nicht mehr so ballverliebt wie unter Sarri. Zwar würde man den Ballbesitz immer noch in den meisten Spielen dominieren, aber nicht mehr so wie zuvor.
Rosenberg: "Salzburg spielt sehr körperlich, mit starkem Pressing. Napoli hat oft bewiesen, dass sie mit dieser Spielweise kein Problem haben, viel mehr nutzen sie es gegen den Gegner." Wenn die Gegner langsam müde werden würden, würde die Ancelotti-Elf gnadenlos zuschlagen.
Festlegen darauf, wer am Ende aufsteigt, will sich Rosenberg nicht. Aber: "Auf dem Papier besitzt Napoli sicher die größere Qualität. Salzburg hat jedoch vergangene Saison in der Europa League gezeigt, was für sie möglich ist. Ich glaube, dass sich ganz viel bereits beim Spiel in Neapel entscheiden wird."