Als Leon Bailey plötzlich begann, im belgischen TV ungefragt von Steffen Hofmann zu schwärmen, konnte man richtiggehend erkennen, wie der Reporter nur Bahnhof verstand.
Ein Wiener Bahnhof spielte auch im Leben des Doppelpack-Torschützen des KRC Genk beim 2:3 im EL-Duell in Hütteldorf eine Rolle, wie wir seit dieser Geschichte wissen. Vor fünf Jahren ist der Jungstar bei Rapid abgeblitzt, heute fordert sein Arbeitgeber 20 Millionen Euro Ablöse für ihn.
Bei LAOLA1 erzählt er nun selbst seine Story.
Zur Erinnerung: Nachdem Rapid den Jamaikaner im Jahr 2011 nach einem zweiwöchigen Probetraining nicht in die Nachwuchsabteilung aufnehmen wollte, kickte der heute 19-Jährige zwei Jahre für Westliga-Verein Anif, ehe er 2013 in der Slowakei bei Trencin anheuerte und 2015 für eine Ablöse von 1,4 Millionen Euro bei Genk landete.
"Das mit der Übernachtung am Bahnhof stimmt"
Sein Stiefvater berichtete vor dem Duell mit Grün-Weiß davon, dass man von Rapid "sehr unanständig behandelt" worden und dies eine "zusätzliche Motivation" für seinen Sohn sei.
Bailey bestätigt diese Version: "Ich denke, es gab einige persönliche Probleme zwischen meinem Dad und dem Verein. Aber das mit der Übernachtung am Bahnhof stimmt. Wir hatten eine Nacht, wo wir nicht wussten, wohin wir gehen sollten, weil Rapid das Hotel nicht bezahlen wollte. Aber am Ende des Tages haben mich diese Dinge stärker gemacht. Jetzt bin ich hier und habe zwei Tore erzielt."
Bevor ein falscher Eindruck entsteht: Dem Teenager liegt es fern, gegenüber den Hütteldorfern nachzukarten. Im Gegenteil: Beim Blick in den rot-weiß-roten Rückspiegel leuchten seine Augen, auch beim Gedanken an Rapid. Genau deswegen sei die "Rückkehr so emotional" für ihn.
Treffen mit Idol Steffen Hofmann
"Meine Zeit hier in Österreich war einfach verrückt", grinst der Flügelflitzer und behauptet: "Ich habe es bei vielen Klubs in Österreich probiert - bei Austria Salzburg, Red Bull Salzburg, Mattersburg, Rapid. Für mich war das damals ein Lernprozess in noch sehr jungem Alter."
"Ich wollte immer Profi werden, dafür habe ich mein ganzes Leben gekämpft. Deswegen ist es auch so ein unglaubliches Gefühl, erstmals in einer europäischen Gruppenphase zu spielen und gleich in meinem ersten Spiel zwei Tore zu erzielen. Ich kann gar nicht beschreiben, wie happy ich innerlich bin, wie weit ich es gebracht habe und nun gegen Leute zu spielen, denen ich früher zugeschaut habe. Hofmann! Früher habe ich mir genau hier ein Spiel angeschaut und ihn als Kapitän erlebt."
Da ist er wieder, mitten im Redeschwall: Steffen Hofmann. Ob er sich tatsächlich noch an die Rapid-Ikone erinnern könne?
"Selbstverständlich! Und heute nach dem Spiel habe ich ihm das auch gesagt: 'Vor fünf Jahren war ich hier und habe dir zugeschaut. Jetzt gegen dich zu spielen, ist ein tolles Gefühl für mich.'"
"Red Bull hat gesagt, ich sei nicht gut genug"
Warum sich Bailey ausgerechnet Österreich als seine erste Station in Europa ausgesucht hat und dann als Ausnahmetalent, mit dem Genk im kommenden Sommer ordentlich abkassieren will, für zwei Jahre in Anif gelandet ist, erscheint ein Rätsel zu sein.
Der Edeltechniker hat jedoch eine Begründung parat: "Das liegt daran, dass uns Red Bull Salzburg hierher eingeladen hat. Als erstes war ich dort, aber sie haben gesagt, ich sei nicht gut genug. Man sollte jedoch wissen, dass das im Winter war. Ich komme aus Jamaika! Solch eine Kälte kannte ich nicht, also war es schwierig für mich."
"Also haben wir begonnen, viel in der Kälte zu trainieren und sind zum kleinen Klub Anif gegangen. Dort hat für mich alles angefangen! Mein Trainer Mike Rosbaud war immer für uns da! Wir haben gegen Red Bull Salzburg gespielt und sie besiegt, plötzlich wollten sie mich zurück. Aber am Ende des Tages wusste ich, wo ich mich wohl fühlte und von wo aus ich mich gut entwickeln konnte. Größere Vereine waren interessiert, aber zu dieser Zeit konnten diese Klubs einige Dinge nicht für uns tun."
"Meine 75 Tore für Anif sind immer noch Rekord"
Auf seine Torausbeute in Anif ist Bailey heute noch stolz: "Ich habe bei Anif 75 Tore geschossen. Ich glaube, das ist immer noch ein Rekord auf U15-Level hier in Österreich."
Am Donnerstag hat der 19-Jährige einmal mehr nachgewiesen, dass er auch im Erwachsenen-Fußball treffen kann - ein Beweis, der ihm in der belgischen Liga schon im Vorjahr gelungen ist.
Die beiden Treffer gegen Rapid bedeuten ihm jedoch spürbar viel: "Gegen diesen Verein zwei Tore zu schießen, ist einfach unglaublich!" Nach seinem Weltklasse-Tor zur 1:0-Führung war er laut eigener Aussage "geschockt. Und ich denke, das hat man auch gesehen."
"Zwei Gegentore in einer Minute sind einfach verrückt"
So glücklich Bailey in subjektiver Hinsicht war, so gemischt waren die Gefühle beim Verlassen des Stadions aufgrund der 2:3-Niederlage.
"Diese zehn Minuten haben uns das Spiel gestohlen", ärgert er sich über die drei Rapid-Treffer, "zwei Gegentore in einer Minute sind einfach verrückt. Aber das ist der Fußball. Es kann nicht immer alles gut laufen."
"Genau deswegen muss man jedoch immer zu 110 Prozent konzentriert sein - nicht 100 Prozent, sondern 110 Prozent. Rapid ist ein starker Gegner, die Atmosphäre hier ist unglaublich. Die Fans waren wirklich laut."
Ob Bailey heute für Rapid spielen würde, hätte sein Probetraining damals ein positiveres Ende genommen, ist natürlich ein klassischer Fall von Hättiwari.
Fest steht nur: Die Zeit in Österreich hat merklich einen bleibenden Eindruck bei dieser heißen Fußball-Aktie hinterlassen.
Peter Altmann