Es tut so richtig weh.
Salzburg ist nach einem 2:1 nach Verlängerung gegen Olympique Marseille im Halbfinale der UEFA Europa League ausgeschieden – weil ein Eckball gegeben wurde, der keiner war (Spielbericht).
Dieser führte zum Tor von Rolando in der 116. Minute und machte die Salzburger zu tragischen Helden. Und alle stellten sich dieselbe eine Frage: Warum sieht das keiner von den fünf Schiedsrichtern am Feld?
Duje Caleta-Car: "Jeder im Stadion hat es gesehen, da sind fünf Schiedsrichter und keiner sieht das. Das ist ein Halbfinale und keiner sieht das. Ich verstehe das nicht."
Seine Teamkollegen oder Vereins-Funktionäre verstanden es auch nicht, nur eines war ihnen allen klar: Der Stolz über das Erreichte und Gezeigte wird das bittere Ausscheiden bald überwiegen.
Eine kapitale Fehlentscheidung
Zunächst herrschte aber natürlich die ganz große Enttäuschung bei den Salzburgern, die Tränen flossen noch am Spielfeld und dann in der Kabine.
Hinzu kam der Ärger über das Schiedsrichter-Gespann angeführt von Sergej Karasev, der ab Juni in seinem Heimatland Russland im WM-Einsatz sein wird.
Spieler und auch Trainer Marco Rose, der danach zurückruderte, kritisierten den Referee noch am Spielfeld heftig, selbst Geschäftsführer Stephan Reiter war nach dieser Entscheidung außer sich.
Kein Wunder, ging es doch auch wieder um viel Geld – der Finalverlierer kassiert 3,5 Millionen Euro, der Sieger 6,5 Millionen Euro. Dazu geht es um die fixe Champions-League-Teilnahme, die viel Geld bringt.
"Jedes Spiel die gleiche Scheiße"
Den Spielern ging es aber freilich um den sportlichen Traum, in einem Europacup-Finale dabei zu sein.
"Ich fühle absolute Enttäuschung, ich glaube, wir hätten uns das verdient. Es ist schwer zu akzeptieren im Moment“, sagte Tormann Alexander Walke gegenüber "Puls4".
Bereits nach dem Hinspiel kritisierte der 34-jährige Deutsche die Schiedsrichter, nachdem ein glasklares Elfmeter-Foul an Stefan Lainer nicht gegeben wurde.
Dieses Mal kommentierte der Tormann wieder pointiert: "Jedes Spiel die gleiche Scheiße. Er (Schiedsrichter, Anm.) verlangt von uns in der Halbzeit Respekt, und wir bekommen gar nichts."
Auch Marseille fühlte sich benachteiligt
Hätte aber Salzburg das Duell für sich entschieden, wäre wohl auch Marseille auf die Barrikaden gestiegen, schließlich gab es kurz vor Ende der regulären Spielzeit mehr als nur Elfmeter-Alarm.
Caleta-Car, dessen Arm weit vom Körper weg war, bekam den Ball an die Hand. Karasev ließ weiterspielen, andere hätten auf den Punkt gezeigt.
Marseille-Trainer Rudi Garcia: "Über die Entscheidungen kann man diskutieren, ob es ein Handspiel war (von Caleta-Car), ob es eine Ecke war und ob wir jetzt in Europa den Videobeweis brauchen. Das Handspiel von Caleta-Car war ein klarer Elfer."
Wirklich klar ist nur: Niemand ist offensichtlich glücklich damit, dass es laufend Fehlentscheidungen gibt. Weder die Teams, noch die Schiedsrichter, die laut Rose in der Kabine mit den Nerven am Ende waren, wie ihm der Schiedsrichter-Beobachter erzählte. Dennoch stehen sie natürlich im Zentrum der Kritik, zumal sie eben zu fünft am Feld stehen.
Stolz überwiegt Ärger
"Es ist bitter, dass so viele Schiedsrichter herumstehen und sich keiner einmischt, obwohl sie es sehen müssen. Das kann ich nicht nachvollziehen. Dass der Hauptschiedsrichter nicht immer alles richtig sieht oder sehen kann, das ist so, aber dann gibt es so viele andere. Da frage ich mich, warum die da stehen", ist Christoph Freund damit nicht allein.
Doch der Salzburger Sportchef wollte sich an diesem speziellen Donnerstagabend weniger über die Schiedsrichter ärgern, als über seine Mannschaft freuen, die ihm viel Freude bereitete.
"Es überwiegt vielmehr der Stolz, es war eine unglaubliche Leistung. Wenn man sieht, was in der Mannschaft steckt, wie sie die Leute begeistert haben, das war Leidenschaft pur gepaart mit so viel fußballerischer Qualität", schwärmte der 40-Jährige.
"Es war ein Abend, auf den wir noch lange zurückblicken werden, leider wurde er nicht gekrönt. Das hätten wir uns verdient. Wir waren die bessere Mannschaft, die zweite Hälfte war unfassbar, welche Intensität wir da abgeliefert haben. So etwas habe ich noch nie erlebt. Die Energie im Stadion – es ist bitter so auszuscheiden, aber es überwiegt extremer Stolz."
Haidaras Sensations-Solo
Nach dem Sensations-Solo von Amadou Haidara, der am Ende sechs (!) Marseille-Spieler verzweifeln ließ, zur Führung traf und Dietrich Mateschitz verzückte, sowie dem 2:0 durch ein Eigentor kochte das ausverkaufte Stadion, in dem die Fans für eine spezielle Atmosphäre sorgten.
"Die Stimmung war überragend", hielt auch Fredrik Gulbrandsen fest. Die Leidenschaft der Salzburger sorgte regelmäßig für Standing Ovations, auch viele Minuten nach dem Schlusspfiff.
"Die Fans haben auch gesehen, wie wir ausgeschieden sind", sagte Ulmer, der im 20. Europacup-Spiel dieser Saison wieder 90 Minuten machte, aber nach 96 Minuten raus musste, weil der Muskel zumachte.
Es war eine unglaubliche internationale Saison der Salzburger, deren Krönung verwehrt blieb.
"Champions League schaffen"
Caleta-Car würd es in dieser Konstellation gerne noch einmal probieren: "Ich hoffe, dass wir zusammenbleiben und nächstes Jahr noch was Größeres schaffen."
Wahrscheinlicher ist aber, dass diese Mannschaft das letzte Mal in dieser Konstellation ein internationales Spiel absolviert hat.
Caleta-Car kann sich einen Verbleib offenbar vorstellen, wenn er über nahe und ferne Ziele spricht: "Am Sonntag wollen wir den Meistertitel fixieren, dann wieder das Double gewinnen und nächste Saison es in die Champions League schaffen. Wir werden alles geben."
So wie es Salzburg in dieser Europacup-Saison immer getan und damit für Furore gesorgt hat. Am Ende reichte es nicht ganz und aufgrund der Art und Weise tat das Ausscheiden richtig weh.
"Heute ist es noch schwierig, aber ab morgen können wir stolz sein", wusste Gulbrandsen.
Freund war schon kurz nach Mitternacht stolz: "Hut ab vor der Mannschaft, das ist eine geile Truppe – und wir stehen wieder auf. Verlieren ist nicht unsere DNA."