"Am Ende war es dann nicht die Sternstunde, sondern wieder eine Lehrstunde", muss Christian Ilzer zugeben.
Groß war die Hoffnung bei Sturm Graz, dass man nach der ersten europäischen Lektion in Monaco zu Hause gegen PSV Eindhoven bereits Fortschritte demonstrieren kann. Zumindest ergebnistechnisch ist das bei der 1:4-Niederlange gegen die Elf von Roger Schmidt natürlich nicht gelungen.
Leistungstechnisch kann man es durchaus differenziert sehen, vor allem was die zweite Halbzeit betrifft.
"Auch wenn wir da drei Tore bekomen haben, war es von unseren bisherigen vier Europa-League-Halbzeiten mit Abstand jene, die mir am besten gefallen hat. Da haben wir so gespielt, wie wir in der Liga spielen, mit viel Emotion und Leidenschaft. Wir haben dann, was uns in der ersten Halbzeit gar nicht gelungen ist, die Hintermannschaft von PSV Eindhoven wirklich in Bedrängnis bringen können und uns Torchancen erspielt", lobt Ilzer.
Besonders in den 20 Minuten nach dem Anschlusstreffer zum 1:2 war Sturm sehr präsent. "Wir waren nahe dran am Ausgleich, das hätte dem Spiel noch einmal eine Wende geben können", so der Sturm-Coach.
Sturms "zwei Gesichter"
Letztlich muss man im schwarz-weißen Lager auch diesmal wieder im Konjunktiv bleiben. Sicherlich auch, weil PSV in den Schlüsselmomenten die vorhandene Klasse eiskalt ausgespielt hat.
Vor der Pause hat es Sturm den Niederländern jedoch auch nicht sonderlich schwer gemacht. Deshalb ist es nachvollziehbar, dass Ilzer von einer Partie spricht, in der seine Mannschaft "zwei Gesichter" gezeigt habe.
"Erste Halbzeit war eine klar dominante Mannschaft aus Holland zu sehen, da hat man wieder unseren großen Respekt auf diesem Niveau gesehen. Wir waren bedacht, die Balance zu halten, nicht zu überdrehen, haben relativ wenig zugelassen. Umso ärgerlicher, dass wir aus einer Standard-Situation in Rückstand geraten", moniert der 43-Jährige.
In den ersten 45 Minuten sei man "zu kopflastig" unterwegs gewesen im Versuch, die Räume für die schnellen PSV-Akteure eng und kompakt zu halten.
Als Sturm den Kopf ausgeschaltet hat
"Wir haben uns jedoch lieber gesagt, bevor wir das tun, gehen wir zweite Halbzeit All-in. Da haben wir den Kopf ausgeschaltet, mit Herz und Leidenschaft gespielt."
In der Kabine einigte man sich schließlich, nach dem Wiederanpfiff die Zügel locker zu lassen:
"Wir haben angesprochen, dass wir morgen wieder in der Analyse sitzen und uns sagen können, dass wir zu wenig nach vorne investiert haben. Wir haben uns jedoch lieber gesagt, bevor wir das tun, gehen wir zweite Halbzeit All-in. Da haben wir den Kopf ausgeschaltet, mit Herz und Leidenschaft gespielt."
Ilzer streicht hervor, dass man sich auch die tolle Atmosphäre in Liebenau besser zu Nutzen machen wollte: "Uns war klar, es muss uns gelingen, über die Emotion etwas zu entfachen, im Stadion einen richtigen Hexenkessel zu erzeugen. Das ist die Mischung, wie man so eine Klassemannschaft richtig in Bedrängnis bringen kann."
Das ist phasenweise auch gelungen, allerdings erstickte spätestens das Traumtor von Geburtstagskind Philipp Max zum 3:1 die Hoffnungen der Steirer.
Ilzer ärgert nicht gegebener Elfmeter
"Von zehn Schüssen gehen wahrscheinlich neun daneben", meint Stefan Hierländer zum Kunstschuss des Deutschen, "so war der Spielverlauf nicht auf unserer Seite, dann wird es schwierig."
"Was uns in der Liga oft gelingt, dass wir in den richtigen Momenten die Tore machen, hat man diesmal in der Qualität von PSV Eindhoven gesehen."
"Was uns in der Liga oft gelingt, dass wir in den richtigen Momenten die Tore machen, hat man diesmal in der Qualität von PSV Eindhoven gesehen. Uns ist es heute nicht gelungen, auch wenn mehrere Situationen da waren", resümiert Ilzer.
Eine Situation ärgert den Chefcoach dabei besonders. Unmittelbar vor dem 0:2 von Eran Zahavi hat er ein Foul an David Affengruber im PSV-Strafraum gesehen:
"Statt dem 0:2 kann es Elfmeter für uns geben. Wenn ich sehe, welche Elfmeter in der Champions League gegeben worden sind, war das ja glasklar, dass es glasklarer nicht mehr geht, wenn man etwa nach Wolfsburg schaut."
Was eine wichtige Erfahrung war
"Das Ergebnis ist zu hoch. Im Gegensatz zu Monaco haben wir uns einiges zugetraut", kann sich Jon Gorenc-Stankovic vor allem mit der Deutlichkeit des Ergebnisses nicht anfreunden.
Die Aufgabe, die sich Sturm für die vier weiteren Gruppenspiele stellen muss und möchte, ist, das Auftreten wie nach der Pause schon viel früher ins eigene Spiel zu bringen.
"Leider ist es in der Europa League so, dass wir über längere Strecken im Spiel Topleistungen brauchen. Wir brauchen über 90 Minuten eine Phase, wie wir sie dann 20 Minuten gehabt haben", unterstreicht Hierländer.
Zumindest hat man diesmal, im Gegensatz zu Monaco, gesehen, dass man auch das eigene Spiel entfalten kann, wie Ilzer betont:
"Es war eine wichtige Erfahrung zu sehen, dass unsere Art und Weise, extrem aktiv zu sein, viel Personal nach vorne zu entwickeln und das Spiel im Angriffsdrittel zu halten, auch auf diesem Level funktioniert und auch diese Mannschaft in Schwierigkeiten bringt."
Geht die Lernkurve deutlich nach oben, sollte den Lehrstunden vielleicht noch in diesem Europa-League-Herbst die eine oder andere Sternstunde folgen.