"Quo vadis?", fragte der Apostel Petrus nach biblischer Erzählung Jesus Christus, als er gerade dabei war, aus Rom zu fliehen.
Und obwohl der FC Red Bull Salzburg die ewige Stadt am heutigen Freitag nicht wie Petrus über die Via Appia, sondern per Privatflugzeug verlassen wird, wird sich der ein oder andere Mozartstädter Verantwortliche eine ähnliche Frage stellen: "Quo vadis, FC Salzburg? Wohin des Weges, mit dem Verein?"
Die Mozartstädter mussten soeben zum vierten Mal in Folge bereits in der ersten K.o.-Runde die Segel im Europacup-Frühjahr streichen. Keine Frage, es ist eine tolle Leistung überhaupt europäisch zu überwintern, aber nach dem dritten Ausscheiden im Sechzehntelfinale der Europa League hintereinander - jenem Bewerb, der einst als "Unser Bewerb" vom Salzburger Marketing angepriesen wurde - werden bei den "Bullen" die Köpfe ob der momentanen Vereinsphilosophie möglicherweise zu Rattern beginnen.
Zum einen ist man sportlich und finanziell auf einem so hohen Niveau wie noch nie zuvor in der Klubgeschichte, zum anderen scheint die Magie früherer Europacupnächte aktuell etwas flöten gegangen zu sein und der einstige Red-Bull-Powerfußball musste zuletzt dem pragmatischen Jaissle-Kick weichen.
Dieser glänzt durch seine defensive Stabilität und Effizienz und sorgte dafür, dass die Mozartstädter in der vergangenen Saison als erste österreichische Mannschaft überhaupt ein Champions-League-Achtelfinale erreichten.
Tritt Misserfolg ein, wie es am Donnerstag in Rom der Fall war, müssen Jaissle und seine im Vergleich zum (teils naiven) Hurra-Fußball seiner Vorgänger objektiv unattraktivere Spielanlage allerdings oftmals als Sündenbock herhalten.
Jaissle: "Haben eine gute Visitenkarte abgegeben"
Jaissle besitzt trotz seines jungen Alters genügend Abgeklärtheit, sich von solchen Unkenrufen nicht aus der Fassung bringen zu lassen.
"Mutlos" - so kommentiert Jaissle den Auftritt in Rom >>>
"Wir haben durchaus eine gute Visitenkarte auf europäischer Ebene abgegeben. Sowohl in der Champions League als auch in der Europa League gegen die Roma. Deshalb gilt es jetzt, schnellstmöglich die Köpfe zu heben und die Krone zu richten, weil wir nach wie vor große Ziele in der Liga haben", so der 34-Jährige.
Allerdings muss man sich in Salzburg auch die Frage gefallen lassen, warum vor der erstmaligen Champions-League-Teilnahme Sensationsläufe in der Europa League wie jener 2018 unter Marco Rose möglich waren und seit "Königsklassen"-Fußball in die Mozartstadt eingekehrt ist, kaum mehr was im europäischen Frühjahr geht.
2020 scheiterten die "Bullen" im Europa-League-Sechzehntelfinale an Eintracht Frankfurt, 2021 am FC Villarreal und nun eben gegen die Roma; dazu kommt das Achtelfinal-Aus in der Champions League gegen die Bayern im Vorjahr - wichtig anzumerken ist aber auch, dass all diese vier Mannschaften absolute europäische Kaliber sind und ein Scheitern alles andere als eine Blamage ist.
Auch Jaissle sieht das so: "Ich kann kein Resümee für die letzten Jahren ziehen, weil ich da nicht Trainer war. Seit ich Cheftrainer bin, bin ich sehr zufrieden mit den internationalen Auftritten. In der letzten Saison haben wir mit dem Achtelfinaleinzug Historisches geschaffen und jetzt ist uns mit der Roma ein Gegner entgegengestanden, gegen den man mal ausscheiden kann."
Leise Jaissle-Kritik an Vereinsphilosophie
"Wir setzen uns hier in Salzburg extrem hohe Ziele mit einem sehr, sehr mutigen Weg, wie ich es nenne. Der Sportdirektor hat ihn riskant genannt, er hat von einem gewissen Risiko gesprochen, das man in dieser Saison geht"
Ob er nun, nachdem neben dem ÖFB-Cup auch in der Europa League bereits Schluss ist, einen Knacks in der Mannschaft befürchtet?
"Einen Knacks befürchte ich nicht. Wir setzen uns hier in Salzburg extrem hohe Ziele mit einem sehr, sehr mutigen Weg, wie ich es nenne. Der Sportdirektor hat ihn riskant genannt, er hat von einem gewissen Risiko gesprochen, das man in dieser Saison geht", lässt Jaissle zwischen den Zeilen mit Kritik an der Altersstruktur im aktuellen Kader aufhorchen.
Diese nötigte den Deutschen in dieser Saison dazu, ein ums andere Mal die jüngste Startelf der Vereinsgeschichte aufs Feld zu schicken. Intern soll Jaissle schon länger damit ein Problem haben, nun spricht er auch öffentlich - wenn auch sehr zurückhaltend - darüber.
"Das ist der Weg, den wir hier seit Jahren gehen, dieses Jahr vielleicht ein bisschen extremer. Nichtsdestotrotz hauen wir jetzt alles raus in der Liga", fährt Jaissle fort.
Freund: "Es ist eigentlich unsere Stärke, dagegenzuhalten..."
Sportdirektor Christoph Freund, der Rädelsführer des extrem jungen Salzburger Wegs, verteidigte die Entscheidung, mit einer quasi-U21 gegen die weltbesten Mannschaften anzutreten, in den letzten Monaten und Jahren gebetsmühlenartig.
Am Donnerstag, nach dem Aus gegen die Roma, wirkte aber auch er etwas ernüchtert: "Wir haben schon so gespielt, als hätte uns irgendetwas beeindruckt. Vielleicht war es die Kulisse, vielleicht deren aggressives Spiel. Wir haben nicht so dagegengehalten, wie wir uns das vorgestellt haben. Es ist eigentlich unsere Stärke, dagegenzuhalten...", so der 45-Jährige.
Über kurz oder lang wird sich Salzburgs Vereinsphilosophie natürlich nicht radikal ändern. Zu hoch sind die Transfereinnahmen, die Transferfenster für Transferfenster erzielt werden, zu groß sind die internationalen Erfolge - und diese sind für österreichische Verhältnis wahrlich riesig - in den letzten Jahren gewesen.
Die Frage, ob immer jünger mit immer besser gleichzusetzen ist, stellt sich momentan allerdings schon...
Jaissle: "Mir war das bewusst, als ich hier unterschrieben habe"
Jaissle dürfte sich jedenfalls weiterhin mit dem Salzburger Weg identifizieren können. Gegenüber "Sky" erklärt er: "Wir sind so eine junge Mannschaft, aber wir gehen diesen Weg extrem konsequent und extrem mutig. Mir war bewusst, dass ich den Weg voller Überzeugung mitgehe, als ich hier unterschrieben habe."
Unterschrieben hat der Deutsche einst bis 2024, im Vorsommer wurde vorzeitig bis 2025 verlängert. Sollte Jaissle über den Sommer hinaus in der Mozartstadt bleiben, wäre er der erste Salzburger Coach seit der Red-Bull-Übernahme überhaupt, der mehr als zwei Jahre sein Amt ausübt.
Folgt er allerdings dem Rhythmus seiner Vorgänger und tritt mit Saisonende den Abgang aus der Mozartstadt an, stehen Christoph Freund und Co. einmal mehr am Scheideweg, in welche Richtung sie den Klub spielphilosophisch und kaderstrukturell führen möchten.
Im letzten Jahrzehnt trafen die Mozartstädter Verantwortlichen diesbezüglich nur selten eine falsche Entscheidung...