Das war zu wenig!
Die Chancen von RB Salzburg auf das Achtelfinale der Europa League sind rapide gesunken. Das 1:4 im Sechzehntelfinal-Hinspiel gegen Eintracht Frankfurt schmerzt und brachte ungewohnte Schwächen ans Tageslicht.
Es war eine Lehrstunde, die das Team von Ex-Trainer Adi Hütter den Bullen erteilte. Eine Lehrstunde, die den Mozartstädtern extrem schmerzt, schließlich verlor man das zweite Pflichtspiel in Folge - zuletzt passierte dies im April 2018 nach Pleiten gegen Lazio und LASK -, noch dazu zwei richtungsweisende gegen den nunmehrigen Tabellenführer LASK und in Frankfurt.
Die Führungsriege ist "not amused". Allen voran übt Sportdirektor Christoph Freund nach dem Spiel deutliche Kritik und spricht seinen Jungs sogar die Europa-League-Tauglichkeit ab: "Wie wir derzeit als Mannschaft auftreten oder heute gespielt haben, sind wir nicht unbedingt tauglich, dass wir in dem Bewerb weiterkommen."
"Enttäuschend, mutlos, ohne Überzeugung"
Salzburg war nicht präsent, ließ sich von Frankfurt überrumpeln und agierte alles andere als clever - etwa als man sich zwei Gegentore direkt nach Einwürfen einschenken ließ.
Dabei wurde davor extra auf die Handlungsschnelligkeit der Hausherren hingewiesen. "Wir haben es ja gewusst, dann ist es schon ärgerlich und bedenklich, wenn wir es vorher ansprechen, warum wir es dann nicht umsetzen am Platz."
Freund spricht klar an, was fehlte: "Unser Auftritt war sehr enttäuschend. Mutlos, ohne Überzeugung, nicht typisch wie Salzburg eigentlich auftritt – vor allem international. Wir haben hochverdient verloren, auch in dieser Höhe."
Die 2:3-Niederlage gegen den LASK und der Verlust der Tabellenführung hat schon Spuren hinterlassen und RBS scheinbar zum Nachdenken gebracht. Trainer Jesse Marsch meint darauf angesprochen, ob es ein Problem im Kopf sei: "Ich glaube schon."
Andere bemängeln Qualität, Einsatz und Willen, den man gegen die Eintracht fast über 90 Minuten vermissen ließ. Dementsprechend sauer war Freund nach dem Schlusspfiff, der Saalfeldner nahm seine Spieler auch in die Pflicht.
"Kein richtiges Aufbäumen, enttäuschende Leistung"
Was ist also in den vergangenen Wochen passiert? Der sportliche Leiter schwärmt von der perfekten Vorbereitung, dem Trainingslager und der guten Stimmung in der Mannschaft. Von alledem war in den ersten zwei Spielen aber keine Spur mehr.
"Es war heute irgendwie schon von Beginn weg nicht diese Überzeugung auf dem Platz. Und so wie wir Fußball spielen wollen, haben wir keine Zweikämpfe gewonnen, waren nicht aggressiv. Da hat die Überzeugung gefehlt und dann hat sich das durchgezogen, auch mit dem Ball. Wir haben unser Spiel nicht auf den Platz gebracht und dann bekommst du leicht Tore, dann nimmt so ein Spiel seinen Lauf. Es war kein richtiges Aufbäumen zu erkennen. Enttäuschende Leistung!", ließ Freund kein gutes Haar an jener Elf, die Marsch aufbot.
Die Abwehr enttäuschte völlig, wirkte überfordert, vor allem Jerome Onguene und Patrick Farkas erwischten einen rabenschwarzen Tag. Auch sonst schlichen sich viele Fehler ein, man fand nie zu seinem Spiel und spielte noch dazu Frankfurt in die Karten.
Nach vorne hin gab es Ansätze, aber nicht mehr. Riesenchancen fand man nicht vor. Dadurch keimte sofort wieder die Frage auf, ob man die Abgänge von Erling Haaland und Takumi Minamino nicht kompensieren könne.
Abwehr-Probleme, Sturm-Flaute - Freund nimmt ganze Mannschaft in die Pflicht
Eine Frage, die man bei Salzburg nicht gerne hört. Schließlich hat man mit den Abgängen gutes Geld gemacht und diese auf eigenen Wunsch und Ausstiegsklauseln ziehen lassen. Vor allem in diesem Spiel ließ Freund diese Ausrede nicht gelten.
"Wenn ich sehe, wie viele Chancen sich Frankfurt rausgespielt hat, dann ist es vielleicht gar nicht nur an der Offensive gelegen. Ich glaube, die ganze Mannschaft hat einfach keine gute Leistung gebracht. Dann erspielt man sich auch wenige Tore, lässt zu viele Chancen zu. Ich glaube, dass das ein mannschaftliches Thema ist, das wir derzeit haben und nicht das auf einzelnen Positionen festgemacht wird", so der Salzburger.
Wobei die Abwehr nicht zum ersten Mal anfällig war, schon in der Champions League kosteten die vielen Gegentore RBS schlussendlich den Aufstieg. Schnellschüsse will man nicht machen, trotzdem muss sich etwas ändern.
Davon sind alle überzeugt. Vor allem gilt es herauszufinden, warum einige Spieler nicht an ihren Leistungszenit gehen konnten oder wollten. Denn Freund hält sehr wohl fest, dass die Qualität in der Mannschaft mit Sicherheit vorhanden sei.
Spieler sollen sich hinterfragen: "War nicht unser wahres Gesicht"
Denn der katastrophale Auftritt gegen einen noch dazu sehr starken und abgebrühten Gegner sei überhaupt nicht mit den bisherigen Glanzleistungen - vor allem international - zu vergleichen.
"Aber das war ja auch nicht das wahre Gesicht unserer Mannschaft. Wir haben richtig viele coole Abende erlebt und viele Sachen zu feiern gehabt. Und jetzt haben wir einen schwierigeren Abend zu verarbeiten. Aber das gehört auch dazu im Sport und im Fußball – das werden wir besprechen. Ich bin trotzdem überzeugt, dass wir viel Qualität in der Mannschaft haben. Wir müssen es halt als Mannschaft wieder auf den Platz bringen", hofft Freund auf einen Einzelfall.
Auf einen Einzelfall, der die Spieler aufweckt und zum Nachdenken animiert: "Aber das gehört auch dazu in einem Entwicklungsprozess. Davon wird man erwachsen, daran werden wir wachsen und dann werden wir wieder gestärkt zurückkommen – davon bin ich überzeugt. Aber wir müssen gewisse Dinge ändern und zu unserem Fußball zurückkommen. Da muss sich jeder Spieler auch selbst hinterfragen, ob es das Maximum ist, das er auf den Platz gebracht hat. Das war heute sicher nicht der Fall."
Plötzlich sind die erfolgsverwöhnten Bullen nämlich nicht nur auf der Siegerstraße, sondern müssen auch einmal Rückschläge einstecken. Eine neue Situation, die für Freund jedoch irgendwie auch abzusehen war.
Freund hat mit schwieriger Phase gerechnet
Am liebsten hätte der Sportdirektor weiterhin Woche für Woche Siege eingefahren und die ganz Großen des internationalen Geschäfts geärgert. Doch er war realistisch genug, auch mal eine Schwächephase vorauszusehen.
"Jetzt gibt es so eine Phase. Und es war mir schon auch klar, dass so eine Phase irgendwann einmal kommen wird. Aber jetzt werden wir zusammenstehen. Wir haben uns ein sehr stabiles Gerüst bei uns im Verein aufgebaut und ich bin überzeugt, dass uns das nicht umhaut", denkt er wohl schon an die nächsten Schritt, wie man wieder auf die Erfolgsspur zurückkehren kann.
Am Sonntag geht es bei der Austria um ein Erfolgserlebnis in der Bundesliga, in der Europa League steht schon kommenden Donnerstag das Rückspiel in der ausverkauften Bullen-Arena auf dem Programm.
Ob sich Salzburg da noch Chancen ausrechnet? Der späte Elfmeter zum 1:4 lässt zumindest noch eine Mini-Chance auf ein Wunder erahnen. "Wenn wir so auftreten, ist es nicht zu drehen. Aber im Fußball ist auch schon Vieles passiert", gibt Freund die Hoffnung nicht auf. Seine Kritik werden die Spieler aber mit Sicherheit auch noch persönlich zu hören bekommen.