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Kult! Otto Konrads Filmriss als Salzburg-Held

Kult-Keeper Otto Konrad über Salzburgs Wunder, Grimm-Märchen und Elfer-Wahnsinn.

Kult! Otto Konrads Filmriss als Salzburg-Held Foto: © GEPA

Alles fiebert dem großen Showdown zwischen Eintracht Frankfurt und RB Salzburg entgegen. Ein Duell, das Großes verspricht. Ein Duell, das es in ähnlicher Form aber schon mal gegeben hat. 26 Jahre ist es bereits her, genauer gesagt fanden die Spiele im März 1994 im UEFA-Cup-Viertelfinale statt!

Damals hielt SV Austria Salzburg die rot-weiß-roten Fahnen hoch und schaltete den deutschen Bundesligisten in einem wahren Krimi aus. Mittendrin der heutige Frankfurt-Coach Adi Hütter und jener Mann, der zwischen den Pfosten zum großen Helden und zur späteren Kult-Figur avancierte: Otto Konrad.

Hütter war es, der vor 47.000 Zuschauern im ausverkauften Ernst-Happel-Stadion den 1:0-Siegtreffer im Hinspiel erzielte. Konrad, möglicherweise einer der ersten "Popstars" im heimischen Fußball hielt im Rückspiel im Elfmeterschießen zwei Strafstöße - und verwandelte den entscheidenden selbst. Es folgte der Finaleinzug gegen Karlsruhe und zwei knappe 0:1-Niederlagen im Finale - wurde noch mit Hin- und Rückspiel bestritten - gegen Inter, sowohl in Mailand als auch im Happel-Stadion in Wien.

Im LAOLA1-Interview schwärmt der mittlerweile 55-jährige Otto Konrad, der der Politik wieder abgeschworen hat und nun im Projekt- und Prozess-Management in Salzburg arbeitet, noch immer von der goldenen Zeit von Austria Salzburg und vor allem dem Duell mit Frankfurt: "Das ist einfach passiert! Das war eine herausragende Mannschaftsleistung, mit einer Ausprägung, die ein Drehbuchautor in einer Geschichte nicht schmalziger hätte schreiben können. Wenn er das irgendwo vorgelegt hätte, hätte man ihm wohl gesagt, dass die Gebrüder Grimm die richtige Anlaufstelle gewesen wären."

Darüber hinaus spricht er über seinen Filmriss nach dem Aufstieg, Legenden zu Lebzeiten, den Aufstieg zur Kult-Figur, Adi Hütters Persönlichkeit und Red Bull.

Ein Salzburg-Hype, der in Wien auf Österreich überschwappte

Konrad in seinem damals gold-gelben Torwart-Trikot wurde zum Aushängeschild des Salzburger Wunders, das weit über die Mozartstadt hinaus seine Anhänger fand. Dass das Hinspiel damals in Wien stattfinden sollte, stieß anfangs auf Empörung, war aber in vielerlei Hinsicht ein Riesen-Erfolg.

47.000 füllten das Oval im Prater. Der Keeper selbst war damals erst einer der Kritiker, welche die Entscheidung von Präsident Rudi Quehenberger nicht ganz nachvollziehen konnten. "Aber es war eigentlich die Öffnung von Austria Salzburg für ganz Österreich. Ich hätte auch nie damit gerechnet, dass es so einen Hype gibt", gibt Konrad zu. Und Quehenberger teilte damals mit, dass sich der Verein durch die Einnahmen im UEFA-Cup und den Stadionbesuchen saniert hätte.

Konrad: Hütter? "Eine Persönlichkeit, aber noch nicht in der Einserkategorie"

Schon der Weg ins Viertelfinale war ruhmreich. Dunajska Streda, Antwerpen und Sporting Lissabon standen bereits auf der Abschussliste. Dann sorgte Adi Hütter mit dem Siegtor für den 1:0-Erfolg in Wien und die Fortsetzung des Traums. Dass ausgerechnet Hütter nun mit seinem Neo-Klub auf Salzburg - wenn auch RB Salzburg trifft - scheint ein Wink des Schicksals.

So sieht es auch Konrad: "Der Fußball schreibt seine eigenen Geschichten, das muss man schon sagen. Den Weg, den Adi als Trainer bestritten hat, hat er wirklich von der Pike auf gelernt. Er muss schon etwas haben, was ihn so erfolgreich macht. Das wird er selbst als Teammanager sein, der alle Charaktere unter einen Hut bringt, eine Ahnung vom ganzen Sport hat, mit seinem Staff, seinem Netzwerk. Sonst wäre er nicht in Frankfurt gelandet."

Als Spieler stieß der Vorarlberger erst später zum Salzburger Team dazu. "Er war schon damals eine Persönlichkeit, aber nicht in der Einserkategorie, weil da haben wir noch Heribert Weber, Heimo Pfeifenberger oder Christian Fürstaller gehabt." Erst sukzessive hat dieser auch sein Standing im Klub gesteigert, wie er es nun als Trainer vorzeigt.

Auch Konrad schlug die Trainer-Laufbahn ein, war Keeper-Coach bei Grödig, im U21-Nationalteam und ÖFB-Team - doch er überließ das Feld anderen, als er in die Politik wechselte. Eine Rückkehr in den Sport schließt er aber (noch) nicht ganz aus.

Helden-Geburt: "Habe Winklhofer weggeschickt und selbst geschossen"

Schließlich ist er noch immer ein großer Name, der Österreich verzückte. Große Berühmtheit in der breiten Öffentlichkeit erfuhr er durch seine Glanztaten im Rückspiel in Frankfurt, als es darum ging, ein 1:0 zu verteidigen, um ins Semifinale einzuziehen.

"Von der Dramaturgie her habe ich den sechsten Elfer gehalten und wusste, wenn wir den jetzt reinhauen, dann sind wir wirklich weiter. In dem Moment habe ich mir gedacht: Was heißt wir, das mache ich jetzt. Ich habe dann Thomas Winklhofer weggeschickt, geplant war das nicht. Ich glaube auch, dass man solche Dinge nicht planen kann."

Otto Konrad über den entscheidenden Elfer

Maurizio Gaudino war anfangs der Spielverderber, der die Eintracht durch das 1:0 in die Verlängerung rettete, nach 120 Minuten stand das Elfmeterschießen bevor. Konrad erinnert sich noch zu gut an seine Worte, bevor es ans Eingemachte ging:

"Wie die Verlängerung zu Ende war, habe ich zu Heimo (Pfeifenberger) gesagt: Ganz wurscht, wie das Elfmeterschießen ausgeht, das war sensationell, was wir da geleistet haben. Und das Elfmeterschießen ist schon eine Glückssache. Dass sich die Dramaturgie dann auch so entwickelt hat – das ist wieder wie bei den Gebrüder Grimm. Wenn du eine Geschichte mit so einem Ausgang schreibst, dann ist es was fürs Märchenbuch, aber nicht für irgendeinen Bestseller als Film. So etwas bleibt dann für die Ewigkeit."

1:0 Bein, 1:1 Leo Lainer, 2:1 Reis, 2:2 Nikola Jurcevic, Konrad hält gegen Gaudino, Feiersinger schießt drüber, 3:2 Furtok, 3:3 Hütter, 4:3 Stein, 4:4 Pfeifenberger, Konrad hält gegen Binz - die Erinnerungen an damals erzeugen noch heute Gänsehaut. Und plötzlich schnappte sich Konrad nach zwei gehaltenen Elfern auch noch selbst den Ball.

"Von der Dramaturgie her habe ich den sechsten Elfer gehalten und wusste, wenn wir den jetzt reinhauen, dann sind wir wirklich weiter. In dem Moment habe ich mir gedacht: Was heißt wir, das mache ich jetzt. Ich habe dann Thomas Winklhofer weggeschickt, geplant war das nicht. Ich glaube auch, dass man solche Dinge nicht planen kann. Diese Aktion war die bildliche Darstellung meines Charakterzuges. Wenn ich mir was in den Schädl setze, dann zieh ich das durch und übernehme auch Verantwortung. Von dem Moment, wo ich das gesagt habe, bis der Ball hinten das Netz berührt hat, habe ich kein einziges Mal daran gedacht, was das bedeutet für mich – ich wollte nur, dass die Mannschaft weiterkommt. Dass wir 26 Jahre später darüber reden, daran hat keiner gedacht", lässt uns Konrad an seinen Erinnerungen an den historischen Moment teilhaben.

Feier nach Aufstieg? "Ich hatte einen Filmriss"

Der Grazer war einer, der seine Mannschaft lautstark nach vorne peitschte, der als Keeper das gewisse Extra mitbrachte. Doch der mannschaftliche Erfolg stand für ihn immer im Vordergrund, auch wenn er an diesem denkwürdigen Abend zum großen Nutznießer wurde.

"Das ist vielleicht ein bisschen das Unfaire im Sport. Wenn noch wer das Sahnehäubchen draufgibt, ist er der große Held", gibt Konrad selbst zu. Was dann abging, braucht keinen Vergleich zu scheuen, auf den Schultern wurde er durchs Stadion getragen. Doch der Ex-Torhüter kann darüber nicht viel berichten, denn er war nach dem Spiel "mental abwesend".

"Ich hatte eigentlich einen Filmriss - von dem Moment, wo ich in der Kabine drin gesessen bin irgendwo in der Ecke mit nassen Augen und alle rundherum haben getanzt, bis zu dem Zeitpunkt, wo wir am Flughafen gelandet sind. Ich kann mich wirklich nicht mehr daran erinnern, außer, dass ich nervlich komplett erledigt war."

Otto Konrad bekam Aufstiegs-Feier nicht mit

"Ich hatte eigentlich einen Filmriss - von dem Moment, wo ich in der Kabine drin gesessen bin irgendwo in der Ecke mit nassen Augen und alle rundherum haben getanzt, bis zu dem Zeitpunkt, wo wir am Flughafen gelandet sind. Ich kann mich wirklich nicht mehr daran erinnern, außer, dass ich nervlich komplett erledigt war. Da war ich sowas von ausgelaugt. Wenn mich da wer angeschrien hätte, hätte ich sofort zum Weinen angefangen. Das war einfach der ganzen Anspannung über das ganze Spiel zuzuschreiben", offenbart die Salzburg-Ikone vergangener Tage.

Dem Alkohol-Konsum im Siegesrausch sei dies jedoch nicht zu verdanken gewesen, doch auch in dieser Hinsicht hat Konrad eine Anekdote parat. Denn niemand hatte auch nur irgendwie damit geplant, dass man möglicherweise etwas zu feiern hätte.

"Wir haben nicht einmal was reserviert gehabt. Ein Brüderpaar hat dann den Pitter Keller extra aufgesperrt, das ganze Personal geholt und dann war es ein Abend der vielen und ausgiebigen Besprechungen (lacht). Die Spieler-Frauen waren auch dabei. Das war schon extrem spannend und eine nette Geschichte."

Baric hätte noch heute seine Berechtigung: "Das war damals schon modernes Pressing"

Es war eine andere Zeit. TV-Teams filmten noch auf dem Spielfeld, Journalisten fuhren im Mannschaftsbus mit, Spieler durften noch ihre Meinung sagen - dieser Zeit trauert Konrad hinterher. Im Nachhinein überraschend war für ihn, dass die Mannschaft damals auch nach dem Finaleinzug zusammenblieb.

"Ich glaube im Jahr 1994 war ich der Einzige, der ein Angebot von Galatasaray hatte. Sonst hat keiner eines bekommen, weil die Leute gesehen haben, dass die Einzelspieler zwar gut waren, wir aber als Mannschaft funktioniert haben. Was viele übersehen haben, war, dass wir zusammengeblieben sind. Das lag weniger daran, dass Quehenberger niemanden verkaufen wollte, sondern dass keine Angebote da waren", schmunzelt der Salzburg-Rückhalt von damals.

Die Salzburger Mannschaft von damals sah er jedoch durchaus als Vorreiter: "Wir haben von den Fehlern der anderen profitiert, aber die auch erzwungen. Heute kann ich sagen: Das war damals schon das moderne Pressing mit einer perfekten Abwehr, davon haben wir damals gelebt. Otto Baric als Trainer war auch einer, der gewusst hat, was zu tun ist. Er war ein Taktiker, ein Stratege, das war ein Wahnsinn. Der hätte heute auch noch seine Berechtigung."

Otto Maximale auf der Bank und Otto Konrad im Tor - ein erfolgsversprechendes Tandem von Siegertypen, die auch danach noch in der Champions League für Furore sorgten. Konrad selbst wurde spätestens nach dem Frankfurt-Hit zur Kult-Figur.

Kult-Figur Otto Konrad: Elfer-Held, Kopfballungeheuer, Flaschenwurf und "Popstar"

Eine Rolle, die er erst im Nachhinein so richtig wahrnahm und nicht selbst provozierte. Aber mit der Elfer-Story in Frankfurt war der erste Schritt getan. Im September wurde er in der Königsklasse gegen den AC Milan zum Opfer eines Flaschenwurfs, spielte angeschlagen weiter, es gab ein Nachspiel am grünen Tisch.

Und im Oktober beim 1:0-Sieg gegen den FC Linz entscheidet er mit einem Kopfball-Treffer als Torhüter (!) die Partie für Salzburg. Unglaubliche Ereignisse, die in die österreichische Fußball-Geschichte eingingen. Die Kult-Figur Otto Konrad, der zwölf Mal für das ÖFB-Team auflief und mit Real Saragossa in den Fußballtempeln von Barcelona und Real auflief, war geboren.

"Das kriegt man erst im Nachhinein mit. Daran denkt man nicht. Es war ein gewaltiger Hype und ein Theater. Jeder kann sich noch an den Elfmeter erinnern, viele an das Kopfballtor und ein paar auch noch an den Flaschenwurf. Das ist der Stoff, der Legenden zu Lebzeiten macht. Es war etwas Außergewöhnliches. Und ich habe die Möglichkeit bekommen und sie genützt", so Konrads Rückblick.

Ebenfalls in Erinnerung blieb seine Gesangskarriere. Auf eigenen Anstoß nahm er mit Superchamp "Wir sind die Sieger auf" - es wurde zur Hymne in Salzburgs glorreichen 90ern. Sogar eine Goldene Schallplatte heimste er dafür ein. Es war eine Zeit, in der alles, was er anfasste zu Gold wurde - und er wusste sich auch zu vermarkten.

Herz bei Austria Salzburg, aber: "Das, was RB Salzburg macht, ist hervorragend"

So wie es RB Salzburg derzeit höchst erfolgreich macht. Die Maschinerie läuft, auch bei den Bullen wurden in den vergangenen Jahren vor allem international Legenden geboren. Gegen Eintracht Frankfurt könnte das nächste Kapitel in dieser Erfolgs-Story geschrieben werden.

Otto Konrads Herz hängt noch immer an Austria Salzburg, das in der Regionalliga Salzburg wieder auf bessere Zeiten hofft. Der Ex-Keeper griff dem Verein sogar vor ein paar Jahren unter die Arme, unterstützte seinen Herzensklub in finanziell äußert tristen Zeiten und spricht nun davon, dass der Klub aus Fehlern gelernt hätte und wieder besser dasteht.

Trotzdem hat er keine Ressentiments RB Salzburg gegenüber. "Wirklich neutral", steht er dem Salzburger Nachfolgerverein in der Bundesliga gegenüber. "Das, was RB Salzburg macht, ist hervorragend. Man sieht es ja nicht nur an den sportlichen Erfolgen, sondern auch, wo sich mittlerweile die Ex-Spieler tummeln. Hut ab! Da gibt es auch nichts negativ zu bewerten. Kommerzialisiert wird der Fußball überall, aber in Salzburg ist das halt eine besondere Ausprägung. Das was man sich vorgenommen hat, ein Verein zu werden, der Spieler in die große Welt hinaus entwickelt, das funktioniert hervorragend."

Mit Herbert Ilsanker, Vater vom Neo-Frankfurter Stefan Ilsanker, ist jener Mann noch Tormann-Trainer bei RB Salzburg, der damals zweiter Goalie hinter Otto Konrad bei Austria Salzburg war. Am Donnerstag werden beide im Sinne Österreichs auf einen rot-weiß-roten Triumph hoffen. Damit neue Helden geboren werden.

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