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„Du bist eine Frau, Marta!“– die Geschichte einer Besessenen

Marta hat im Welt-Fußball fast alles erreicht, ihr letzter Traum: der WM-Titel. LAOLA1 wirft einen Blick auf ihren steinigen Weg zur Weltkarriere.

„Du bist eine Frau, Marta!“– die Geschichte einer Besessenen Foto: © getty

Wer sich mit der Karriere von Marta auseinandersetzt, kommt nicht daran vorbei, einen Vergleich mit Lionel Messi zu ziehen. Was bei den Herren in den vergangenen zwanzig Jahren Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi waren, ist bei den Frauen die Brasilianerin.

Marta schnappte sich in der Vergangenheit Rekord um Rekord und konkurrierte dabei auch mit den beiden Superstars des Herrenfußballs. Mit sechs Titeln als Weltfußballerin ist sie ihren Konkurrentinnen weit voraus. Dabei erwies sich der Weg als steinig. Ihr großer Traum wurde ihr ausgeredet. „Du bist eine Frau, Marta“, wurde ihr klargemacht.

Doch die Brasilianerin hörte nicht, entgegen dem Willen ihrer Eltern setzte sie alles auf eine Karte, verließ frühzeitig ihre Heimat und wechselte im Teenager-Alter nach Europa.

Die anstehende Frauen-WM in Australien und Neuseeland hat für Marta eine ähnliche Bedeutung wie die Herren-WM im Vorjahr für Ronaldo und Messi. Sie kann es Lionel Messi nachmachen und bei der letzten Gelegenheit den WM-Titel einfahren. Außerdem jagt sie einen Rekord von Cristiano Ronaldo.

LAOLA1 wirft einen Blick auf den beeindruckenden Werdegang der wohl größten Spielerin aller Zeiten.


Marta Vieira da Silva misst gerade einmal 1,62 Meter, das ist für eine Frau, die im Profibereich tätig ist, alles andere als groß. Dennoch beeindruckt sie. Die Brasilianerin zieht seit mittlerweile über 15 Jahren alle Augen auf sich.

Keine Fußballerin der Welt steht so im Fokus der Öffentlichkeit wie der brasilianische Superstar. Ihre atemberaubende Technik lässt Menschen aus der ganzen Welt staunen. Für viele kleine Mädchen ist sie ein Idol.

Umzug im frühen Teenageralter

Der Weg dorthin? Er wirkte steinig, Marta musste mit vielen Widerständen zurechtkommen. In ihrem Heimatland gilt Fußball als Männerdomäne. Noch bis Anfang der 80er-Jahre durften in Brasilien Frauen nicht einmal die Sportart betreiben. „Du bist eine Frau, Marta“, wurde ihr der Berufswunsch immer wieder ausgeredet.

In Martas Heimat Brasilien ist der Fußball eine Männerdomäne. Von einer Fußball-Karriere wurde ihr abgeraten.
Foto: © getty

Marta kickte dennoch im frühen Kindesalter mit den Jungs. "Sie blieb häufig von der Schule weg, um Fußball zu spielen. Ich wollte sie immer davon abhalten, aber mir ist es nicht gelungen. Zum Glück, muss ich aus heutiger Sicht sagen", erklärt ihre Mutter.

So richtig los ging es mit 14 Jahren. Die kleine Marta setzt sich den Traum Profifußball fest in den Kopf. Gegen den Willen ihrer Eltern verlässt sie ihren Heimatort per Bus nach Rio de Janeiro und will sich dort als Fußballerin versuchen. Im Gepäck? Einige Kleidungsstücke und der große Traum eines kleinen Mädchens.

Marta heuert bei Vasco da Gama an und kann die Coaches überzeugen. "Sie brachte eine enorme innere Willenskraft mit. Es gab nur wenige, die derart lernwillig waren wie sie", meint ihre damalige Trainerin Helena Pacheco.

"Sie waren schockiert"

Marta beeindruckte damals nicht unbedingt mit ihrem Körperbau. Die Brasilianerin hatte andere Fähigkeiten. "Ich war sehr dünn, aber schnell. Ich glaube, sie waren schockiert, dass ein Mädchen wie ich auf dem Rasen für derartiges Aufsehen sorgen konnte", weiß sie rückblickend.

"Dort wollte ich eine bessere Spielerin werden. Nur deshalb habe ich Brasilien verlassen."

Marta zu ihrem frühen Wechsel nach Europa

Ihre weitere Karriere verläuft steil. Mit 17 Jahren feiert Marta ihr Debüt in der Nationalmannschaft. Bei ihrer ersten WM 2003 erzielt sie im selben Alter gleich drei Tore.

Die Strukturen im brasilianischen Frauenfußball zwingen Marta zum Abschied aus ihrem Heimatland. 2004 geht sie mit 18 Jahren quer über den Atlantik nach Schweden zu Umeå IK. "Dort wollte ich eine bessere Spielerin werden. Nur deshalb habe ich Brasilien verlassen", meint Marta.

Acht Millionen für eine schwedische Stadt

In Schweden wird sie zum Weltstar, Umeå zieht dank der Brasilianerin immer mehr Fans an. Experten schätzen ihren Wert für die schwedische Stadt auf acht Millionen Euro.

2009 setzt die USA neue Maßstäbe im Frauenfußball. Mit der NWSL wird eine hochprofessionelle Frauenliga gegründet. „Ich wollte unbedingt dort hin, denn ich möchte in der besten Liga der Welt spielen“, meint der Superstar im Nachhinein. Marta wechselt zu Los Angeles Sol.

"Etwas ganz Besonderes" für die USA

In den Staaten bleibt sie bis 2011 und spielt mit dem FC Gold Pride und Western New York Flash für zwei weitere Vereine. "Sogar Fans, die nichts über Fußball wissen, spüren, dass es etwas ganz Besonderes ist, wenn Marta auf dem Feld steht. Sie ist mehr als nur eine Spielerin, sie ist ein absoluter Publikumsmagnet", erklärt Anne-Marie Eileraas, Geschäftsführerin der amerikanischen Liga, Martas Stellenwert.

2009 zieht es Marta in die USA, dort wird der Frauen-Fußball proffessionalisiert.
Foto: © getty

In der Sommerpause 2009 packt sie der Ehrgeiz, sodass sie sich für drei Monate nach Santos in ihre Heimat verleihen lässt, um in Form zu bleiben.

2012 geht es zurück nach Schweden. Bis 2017 schnürt sie ihre Schuhe für Tyresö und Rosengård, erhält in ihrem letzten Jahr sogar die Staatsbürgerschaft des skandinavischen Landes.

Nach dem zweiten Schweden-Engagement kehrt sie in die USA zurück. Seit 2017 begeistert Marta die Fans von Orlando Pride.

Martas Statistiken im Klub-Fußball:

Zeitraum Verein Tore Spiele
2002-2004 Sao Martins (Brasilien) keine genauen Angaben keine genauen Angaben
2004-2008 Umea IK (Schweden) 111 103
2009 Los Angelos Sol (USA) 10 19
2009 Leihe zum FC Santos (Brasilien) 26 14
2010 FC Gold Pride (USA) 19 24
2011 Western New York Flash (USA) 10 14
2012-2014 Tyresö FF (Schweden) 21 32
2014-2017 FC Rosengard (Schweden) 23 43
2017-jetzt Orlando Pride (USA) 23 55

Marketingtechnisch stieg sie während ihrer Karriere immer mehr zum Superstar auf, verdiente immer mehr Geld und kaufte ihren Eltern und jedem ihrer vier Brüder ein eigenes Haus.

Eine Autogrammstunde kostet angeblich nicht weniger als 3500 Euro. In Orlando dürfte sie über 350.000 Euro pro Jahr verdienen, Sponsorenverträge sichern ihr weitere hohe Einnahmen.

Medaillengewinn bei Olympia

Noch mehr rückt Marta mit der Nationalmannschaft in den Fokus der Öffentlichkeit. Dort wird sie mit der männlichen Fußball-Legende des Landes, Pele, verglichen. „Marta ist Pele“, trieb dieser selbst einst den Vergleich an die Spitze. Im Jahr 2002, im zarten Alter von nur 16 Jahren, erzielt sie bei der U19-WM in Kanada sechs beeindruckende Treffer.

Bei den Olympischen Spielen reicht es für Marta bisher zu zwei Mal Silber.
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Zwar gewinnt sie die Copa America zwei Mal (2003 und 2018), doch der südamerikanische Wettbewerb im Frauenfußball hat nicht allzu große Bedeutung, weshalb der Superstar nicht immer daran teilnimmt.

Größere Bedeutung haben die Olympischen Spiele. In Athen 2004 und Peking 2008 kann Marta mit dem Nationalteam die Silbermedaille erringen. Jedoch kehrt das Team bei den Spielen 2012 in London ohne Medaille nach Hause zurück, und beim Heimturnier in Rio 2016 reicht es ebensowenig zu Edelmetall.

In Tokio 2020 bleiben die Brasilianerinnen beim letzten Großevent ebenso ohne Medaille.

Tragische Heldin im WM-Finale

Die mit Abstand wichtigste Veranstaltung im Frauenfußball ist die Weltmeisterschaft, und dieser Traum blieb bis zur diesjährigen WM unerfüllt. Marta hat bereits an insgesamt fünf Endrunden teilgenommen. Bei ihrer ersten WM im Jahr 2003 konnte sie im Alter von 17 Jahren mit drei Treffern brillieren, doch im Viertelfinale scheiterte das brasilianische Team an ihrer späteren Wahlheimat Schweden.

So nah am Titel: Marta vergibt im WM-Finale einen Elfmeter
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Am nähesten an den Titel kam Marta im Jahr 2007. Im Finale in Shanghai stand die "Selecao" Deutschland gegenüber, und Marta wurde zur tragischen Heldin. Beim Stand von 0:1 verschoss sie einen Elfmeter, und am Ende jubelten die Deutschen mit einem 2:0-Sieg über den WM-Titel.

"Die Elfmeterszene hätte die Geschichte ändern können. Brasiliens Schicksal war es, das Endspiel zu verlieren", gibt sie sich im Interview danach geknickt. Am Ende scheitert die brasilianische Elf laut ihr an kleinen Details, wie diesen.

Rekordjagd bei Weltmeisterschaften

2011 ist das Achtelfinale gegen die USA Endstation für Brasilien. Marta stellte dabei einen neuen Rekord auf, indem sie mit 14 Treffern mit der Rekordtorschützin der Frauen bei Weltmeisterschaften, Birgit Prinz, gleichzog.

Bei der WM 2015 sicherte sie sich mit einem weiteren Treffer den alleinigen Rekord. Allerdings scheiterte Brasilien im Achtelfinale an Australien.

"Mein Gott, wie konntet ihr das vergessen? Ich habe jetzt auch 16 Tore geschossen, genau wie euer Klose. Das hättet ihr auch mal fragen können."

Marta gegenüber dem "Zdf" zu ihrem neuen Rekord

Beim Turnier 2019 in Deutschland stellt sie eine weitere Bestmarke auf. Mit ihren Toren Nummer 16 und 17 bei Weltmeisterschaften überholt sie Miroslav Klose und wird damit Rekordhalterin bei Frauen und Männern.

Im Interview nach ihrem 16. Treffer beim "ZDF" zeigt sie sich wütend über die Fragen, welche nicht ihre neue Bestmarke beinhalteten. "Mein Gott, wie konntet ihr das vergessen? Ich habe jetzt auch 16 Tore geschossen, genau wie euer Klose. Das hättet ihr auch mal fragen können."

 Im Achtelfinale musste sich das brasilianische Team später den Französinnen geschlagen geben.

Nach dem Ausscheiden sorgt sie mit einer Brandrede in einem Post-Match-Interview erneut für Aufsehen. Sie wünscht sich mehr Aufmerksamkeit für den Frauenfußball in Brasilien.

 "Das Überleben des Frauenfußballs hängt von euch ab. Denkt darüber nach, schätzt es mehr“, gibt sie zu verstehen. Zum WM-Out gibt sie "weint jetzt, damit ihr am Ende lachen könnt", zu Protokoll.

Im Heimatland Martas gibt es nach wie vor keine professionellen Strukturen im Frauenfußball. Für viele Mädchen bleibt der Berufswunsch nur ein Traum.

Martas WM-Bilanz:

Wetmeisterschaft Fortkommen Letzter Gegner (Ergebnis) Marta Tore
USA 2003 Viertelfinale Schweden (1:2) 3 Tore in 4 Spiele
China 2007 Finale Deutschland (0:2) 7 Tore in 6 Spiele
Deutschland 2011 Viertelfinale USA (2:2 n.V., 3:5 i. E.) 4 Tore in 4 Spiele
Kanada 2015 Achtelfinale Australien (0:1) 1 Tor in 3 Spielen
Frankreich 2019 Achtelfinale Frankreich (1:2 n.V.) 2 Tore in 3 Spielen

Die letzte Chance, wie bei Messi

Bei der diesjährigen WM möchte Marta endlich ihren Traum vom Weltmeistertitel erfüllen. Ein verlorenes WM-Finale, zahlreiche Auszeichnungen als Weltfußballerin und eine spektakuläre Karriere ohne WM-Titel erinnern stark an Lionel Messi vor der WM 2022 in Katar. Das Unterfangen dürfte für Marta allerdings noch schwieriger sein.

Marta wird oft mit Messi aus dem Herren-Fußball verglichen. Wie er könnte sie im letzten Anlauf den WM-Titel holen.
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Die brasilianische Mannschaft gilt dort nur als Außenseiter. Die USA, England und Spanien gelten als heißeste Anwärter auf den Titel.

Ein weiterer Rekord ist deutlich realistischer. Im Jahr 2019 wurde Marta zur ersten Person, die bei fünf verschiedenen Weltmeisterschaften, unabhängig vom Geschlecht, ein Tor erzielte. Dieser Rekord wurde während desselben Turniers von Christine Sinclair aus Kanada eingestellt.

2022 zog Cristiano Ronaldo bei den Herren nach. In Australien und Neuseeland bieten sich Marta und der Kanadierin die Möglichkeit, sich von Ronaldo abzusetzen.

Dass Marta bei dem Turnier mit an Bord ist, ist alles andere als selbstverständlich. Nach einer einjähriger Pause aufgrund eines Kreuzbandrisses feierte sie erst im März ihr Comeback. Trainerin Pia Sundhage will bei dieser Endrunde dennoch nicht auf die WM-Rekordtorschützin verzichten.

Auszeichnungen und Titel

Von 2004 bis 2014 steht Marta elf Mal in Folge immer in den Top drei bei der Wahl für die Weltfußballerin.

Stammgast: Zwischen 2004 und 2014 steht Marta immer unter den besten drei bei der Wahl zur Weltfußballerin
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Von 2006 bis 2010 gewinnt sie den Titel fünf Mal in Folge. 2014 und 2016 wird die Brasilianerin erneut in den Top drei gerankt. 2018 räumt Marta dann zum sechsten Mal den Titel als Weltfußballerin ab, keine Frau der Welt konnte öfter den Titel holen, auch bei den Männern ist es nur Lionel Messi (sieben Mal), welcher die Brasilianer noch einmal überragt.

Eine ganz besondere Ehre bekommt Marta 2007, sie darf ihren Fußabdruck in der Hall of Fame am Maracana in Rio de Janeiro als erste und bisher einzige Frau verewigen. Ihr Fußabdruck findet sich neben Größen wie Pele wieder.

2016 durfte sie gemeinsam mit sechs anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer die brasilianische Flagge bei der Eröffnungszeremonie der olympischen Spiele in Rio de Janeiro tragen.

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