Erst in einem Elfmeter-Krimi ist der Traum Russlands, bei der eigenen Fußball-Weltmeisterschaft 2018 das Halbfinale zu erreichen, geplatzt. Trotz der 3:4-Niederlage im Elferschießen gegen Kroatien im Viertelfinale von Sotschi kann die "Sbornaja" erhobenen Hauptes von der großen WM-Bühne abdanken.
Lediglich als Nummer 70 der Weltrangliste und als am schlechtesten gereihtes Team sind die Russen in das Heim-Turnier gegangen. Nur wenige trauten der Elf von Stanislaw Tschertschessow vor Beginn der Endrunde überhaupt das Überstehen der Gruppenphase zu.
"Haben unseren Wert gezeigt"
"Wir haben unseren Wert gezeigt", sagt der Trainer nach dem Viertelfinal-Out. Dass es weit gehen würde, habe er aber von Anfang an gewusst. "Von der ersten Sekunde an, als ich dieses Team zusammengestellt habe, war mir klar, in welche Richtung es geht.
Im ersten Moment überwiegt aber die Enttäuschung. "Wir fühlen uns ein bisschen wie Wehrpflichtige, die früh abgezogen wurden. Es wäre besser gewesen, wenn wir noch bis zum 15. Juli hätten bleiben können."
Ihren Zenit habe die Mannschaft noch nicht erreicht. "Ich denke, wir waren erfolgreich, aber es ist Zeit, noch einen Schritt weiter zu gehen", blickt der Ex-Tormann des FC Tirol unmittelbar nach der bitteren Niederlage schon in die Zukunft.
Ignashevich hört auf
Dann wird die russische Elf ohne den Rekord-Internationalen Sergey Ignashevich auskommen müssen. Der 38-Jährige, der 127 Länderspiele im Dress seines Nationalteams bestritten hat, kündigt am Tag nach dem WM-Aus sein Karriereende an. Insgesamt erzielte der Verteidiger neun Treffer für die russische Elf.
Als Kapitän führte er ZSKA Moskau 2005 zum UEFA-Cup-Titel. "Das war meine letzte WM, mein letztes Turnier und mein letztes Spiel in meiner Fußballkarriere", verlautbart Ignashevich via Social Media.
Neben Ignashevich muss die russische Nationalmannschaft künftig auch auf Mittelfeldmann Alexandr Samedov verzichten. Der 33-Jährige gab seinen Team-Rücktritt bekannt. "Ich habe schon für mich entschieden, es ist Zeit zu gehen", sagte der Spartak-Moskau-Spieler. Gegen Kroatien hatte er bis zur 54. Minute gespielt.
Gratulation von Putin
Tschertschessow wird für seine Arbeit als Teamchef von höchster Stelle gelobt. "Wladimir Putin hat mich angerufen und mir zu einem sehr guten Spiel gratuliert. Er sagte, wir sollen unsere Augen offen halten und die nächsten Schritte angehen", erzählt Russlands bekanntester Schnauzbartträger von seinem Telefonat mit dem Präsidenten.
Mit der Niederlage gegen Uruguay im finalen Gruppenspiel musste Russland nur eine Niederlage nach 90 oder 120 Minuten hinnehmen. Überhaupt durfte man über den ersten Einzug in die K.o.-Phase seit dem Ende der Sowjetunion jubeln.
Das absolute Turnier-Highlight aus Sicht der Gastgeber war wohl der Sieg im Elfer-Thriller gegen Spanien im Achtelfinale. Das zweite Shoot-Out musste dann ohne russisches Happy End auskommen.
An die Zukunft verschwendet Tschertschessow keine Gedanken. Auf die Frage eines chinesischen Reporters auf die Frage, ob die Russen auch bei der nächsten WM das Viertelfinale erreichen könnten, meint er: "Ich glaube, dass Sie in China noch Fünfjahrespläne haben, wie wir sie in der Sowjetunion hatten. Sie können gerne schon vier Jahre in die Zukunft schauen, aber ich schaue noch nicht einmal vier Tage in die Zukunft."
Große Worte aus dem Kreml
"Sie sind Helden. Sie sind auf dem Feld gestorben."
Der Kreml hat die Spieler der Sbornaja trotz des Ausscheidens als Nationalhelden bezeichnet. "Unsere Mannschaft hat in einem ehrlichen und schönen Spiel verloren", sagt Kremlsprecher Dmitri Peskov am Samstagabend in Moskau. Man könne stolz auf die Fußballer sein, sie seien toll gewesen. "Sie sind Helden. Sie sind auf dem Feld gestorben", sagt der Vertraute Putins der Agentur Interfax zufolge.
Ministerpräsident Dimitri Medvedev, der beim Spiel gegen Kroatien im Stadion in Sotschi anwesend war, sei von der Leistung der Mannschaft enorm beeindruckt gewesen. "Ich hatte noch nie solche Emotionen bei einem Fußballspiel", sagt Medvedev.
In der russischen Hauptstadt feierten Zehntausende Menschen in der Fanzone in der Nähe der renommierten Lomonossov-Universität beim Public Viewing. Autokorsos und euphorische Gesänge blieben diesmal aber aus.