Der SKN St. Pölten Rush kann am Donnerstag ein weiteres Stück Frauen-Fußballgeschichte schreiben. Im Finale gegen FK Austria Wien können die Niederösterreicherinnen den zehnten Titel in Folge feiern. Das Finale ab 14:00 Uhr im LIVE-Ticker >>>
Den ersten Triumph holte der Verein 2013 unter dem Namen Spratzern. Nach drei Titeln mit dem FSK St. Pölten wurde die Serie unter dem Namen SKN fortgeführt. Sieben Titel folgten (2019/20 und 2020/21 keine Wertung, Covid-bedingter Abbruch). Im Cup sind die Niederösterreicherinnen damit am Finaltag unglaubliche 4.444 Tage ungeschlagen.
Die Reise für den Klub war eine weite. Mit an Bord war Julia Tabotta (29). Die Abwehr-Spielerin erzählt bei LAOLA1 von ihren schönsten Cup-Erlebnissen und dem Weg von schwierigsten Bedingungen ("Ein fixes zu Hause und eine eigene Kabine haben wir erst seit wenigen Jahren") bis in die Champions League.
LAOLA1: Du hast den Cup seit 2013 durchgehend gewonnen, das sind neun Titel in Folge. Zuerst mit Spratzern, dann mit dem Nachfolgeverein St. Pölten. Jetzt wartet das zehnte Endspiel. Im ersten Finale konntest du gleich treffen. Was sind deine Erinnerungen daran?
Julia Tabotta: Das war das verrückteste Spiel meines Lebens. Wir waren gegen Neulengbach das erste Mal dominant. Wir führen die Partie in der 86. Minute 3:0, und auf einmal steht es 3:3 und wir müssen in die Verlängerung, am Ende sogar ins Elfmeterschießen. Da waren große Emotionen dabei: Von Freude bis zutiefst betrübt. Wir hatten die Angst, es doch noch zu verlieren. Im Elfmeterschießen kann alles passieren. Am Ende überwiegen die positiven Erinnerungen. Es war der erste Titel. Das ist eine richtige Fußball-Story.
LAOLA1: 51 Cup-Spiele in Folge hast du mittlerweile gewonnen.
Tabotta: Ich freue mich über jeden Titel. Natürlich wird die Freude anders. Im Cup brauchst du solche Siegesserien. Es gibt nur fünf Spiele. Es ist nicht einfach, aber der schnellstmögliche Weg zu einem Titel. Jedes Spiel ist ein Endspiel. Es hat einen speziellen Flair. Ich bin noch nicht fertig. Am Donnerstag will ich gewinnen.
LAOLA1: Dort gehst du in dein zehntes Cup-Finale in Folge. Was erwartest du dir von dieser Partie gegen Austria Wien?
Tabotta: Ein Cup-Finale ist immer schwer, weil alles passieren kann. Die Austria hat einen sehr guten Weg eingeschlagen. Sie spielen ein starkes Frühjahr. Sie haben eine sehr zweikampfstarke Truppe. Die Mannschaft bringt viel Mentalität mit. Es wird sicher ein hartes Stück Arbeit.
"Es ist nervenaufreibend, wenn man 90 Minuten spielt und hoffen muss, nicht kurz vor Schluss ein Tor zu kassieren. Mental ist es schwierig, aber auch körperlich. Es ist aber eine spannende Erfahrung. Wenn du gewinnst, ist es noch cooler als nach 90 Minuten."
LAOLA1: Bereits der Weg ins Finale war für euch alles andere als einfach. Ihr musstet zwei Mal in die Verlängerung. Werden eure Gegner immer stärker?
Tabotta: Ich denke schon. Die Qualität in den meisten Mannschaften wird besser. In den letzten ein, zwei Jahren ist es zu einem Aufschwung gekommen. Das ist gut so. Wir bekommen eine ausgeglichenere und spannendere Liga. Das hilft uns weiter. Wir wollen gefordert werden.
LAOLA1: Zwei Verlängerungen stelle ich mir auch mental herausfordernd vor.
Tabotta: Im Cup ist generell jedes Spiel ein Finale. Es ist ein Alles-oder-Nichts-Spiel. Es ist nervenaufreibend, wenn man 90 Minuten spielt und hoffen muss, nicht kurz vor Schluss ein Tor zu kassieren. Mental ist es schwierig, aber auch körperlich. Es ist aber eine spannende Erfahrung. Wenn du gewinnst, ist es noch cooler als nach 90 Minuten. Natürlich steigst du aber lieber regulär auf.
LAOLA1: Über 2.000 Karten wurden für das heurige Cup-Finale verkauft. Was bedeutet das hohe Interesse der Fans?
Tabotta: Es ist supercool, dass wir mehr Aufmerksamkeit bekommen. Diese Präsenz ist wichtig. Dass ÖFB-TV die Spiele live überträgt und einige Partien auf ORF Sport + zu sehen sind, hilft natürlich. Es schauen Leute rein, die nicht aktiv Frauenfußball verfolgen, aber womöglich durchzappen und hängen bleiben. Das zeigt sich in den Kartenverkäufen. Ein Finale ist für Fans immer spannend. Die Ansetzung am Feiertag lockt zusätzlich.
LAOLA1: Die Zuschauerzahlen beim SKN hingegen waren auch in der Champions League heuer eher enttäuschend. Die neue Präsidentin möchte dieses Thema angehen. Wie nimmst du das Ganze wahr?
Tabotta: Ich bin schon relativ lange in der Bundesliga. Ich bin es gewohnt, dass nur wenige Zuschauer vor Ort sind. Natürlich wünschst du dir mehr. Du musst schauen, welche Maßnahmen man setzen kann. Die Leute sollen ins Stadion gelockt werden. Es ist schwierig. Nach den EUROs kommen mehr Leute zuschauen, das flacht aber nach einiger Zeit ab. Vor einigen Jahren war es noch so, dass manche Leute gesagt haben: "Wie? Frauen dürfen Fußball spielen?" Da hat sich in den letzten Jahren einiges bewegt und die Sichtbarkeit des Sports hat sich verbessert. Jedoch ist es ein Prozess, der seine Zeit benötigt. Das geht nicht von heute auf morgen.
"Ein fixes zu Hause und eine eigene Kabine haben wir erst seit wenigen Jahren. Es war sehr einfach. Das war gut. Ich schätze dadurch mehr, was wir jetzt haben."
LAOLA1: 2011 bist du zu Spratzern gewechselt. Mittlerweile bist du beim Nachfolgeverein SKN St. Pölten Rush. Der Weg hat dich bis in die Champions League geführt. Hast du dir das bei deinem Wechsel erträumt?
Tabotta: Ja. Eine ehemalige Trainerin, die zu Spratzern ist, meinte zu mir: "Dort entsteht was Großes." Im ersten Gespräch hat Herr Schmaus (damals Präsident, Anm.) seine Vision dargelegt. Von Bundesliga, oben mitspielen, Meister werden, Cup-Titel und Champions-League-Teilnahmen war die Rede. Am Anfang war das vielleicht ein bisschen viel träumen. Er hat mich mit der Vision aber sehr gefangen. Deshalb bin ich dorthin gewechselt. Es macht diesen Verein besonders, dass er von klein auf begonnen hat. Wir sind mit den Erfolgen gewachsen.
LAOLA1: Unter welchen Bedingungen seid ihr gestartet?
Tabotta: Spratzern war der Platz, von dem alles gestartet hat/ist. Die Jahre darauf sind wir oft herum gewechselt. Ein fixes zu Hause und eine eigene Kabine haben wir erst seit wenigen Jahren. Es war sehr einfach. Das war gut. Ich schätze dadurch mehr, was wir jetzt haben. Ich kenne den Weg dorthin. Dass wir dann einmal im Champions-League-Achtelfinale und zwei Mal in Folge in der Gruppenphase stehen, ist unglaublich. Das ist nur möglich, weil der Verein langsam mit den Erfolgen gewachsen ist."
"Es steckt unglaublich viel Arbeit dahinter. Du musst vieles auf dich nehmen, auf vieles verzichten, um als Verein Meister werden zu können. Es ist eine Bestätigung deiner Arbeit."
LAOLA1: Ist mit der Kooperation mit dem US-Unternehmen Rush der nächste Schritt gesetzt worden?
Tabotta: So wie es uns vorgestellt worden ist, hilft uns das als Verein weiter. Wir können wachsen. Es wird immer professioneller. Es ist der nächste Schritt. Ich stehe dem positiv entgegen.
LAOLA1: Ex-Präsident Schmaus hat von einem schwierigen Umgang mit dem Männer-Team in der Vergangenheit gesprochen. Das würde beispielsweise die Verfügbarkeit von Plätzen betreffen. Bekommst du davon etwas mit?
Tabotta: Von uns Spielerinnen wird viel ferngehalten, aber wenn Herr Schmaus das sagt, dann ist es auch so. Hier und da bekommt man die Schwierigkeiten schon mit. Der Umgang mit den Spielern ist aber freundlich.
LAOLA1: Die neue Präsidentin Andrea Pichler hat von einem möglichen Standort-Wechsel in der Liga gesprochen. Sie hat auf laufende Gespräche verwiesen. Wie nimmst du das wahr?
Tabotta: Das ist Vorstandssache. Ich habe vollstes Vertrauen in sie. Sie werden für uns die besten Bedingungen herstellen. Viele Dinge bleiben für Außenstehende verborgen, deshalb verstehe ich, dass diese Möglichkeit irritierend wirken kann. Hier sollte fairerweise bedacht werden, dass es seine Gründe hat und mehr mit hineinspielt, als möglicherweise offensichtlich ist.
LAOLA1: In der Meisterschaft habt ihr eine gute Position um den nächsten Titel zu gewinnen. Was bedeutet euch das?
Tabotta: Die Meisterschaft ist mitunter das Schwerste, was du gewinnen kannst. Du musst über eine komplette Saison konstant Fußball spielen. Es steckt unglaublich viel Arbeit dahinter. Du musst vieles auf dich nehmen, auf vieles verzichten, um als Verein Meister werden zu können. Es ist eine Bestätigung deiner Arbeit.