Nur jede elfte Spielerin der Admiral Frauen-Bundesliga kann ohne Nebentätigkeit leben. Das zeigt eine Studie der Spielergewerkschaft younion auf (Alle Infos >>>). Die heimische Liga steckt noch in den Kinderschuhen.
Von einem Profibereich zu reden, davon ist man hierzulande weit weg. "Die Problematik ist, dass Frauen nicht mitgedacht werden, schlichtweg nicht berücksichtigt werden", zieht die ehemalige ÖFB-Kapitänin Viktoria Schnaderbeck im Rahmen der younion-Pressekonferenz im Gespräch mit LAOLA1 eine vernichtende Bilanz.
Sie verrät, welche Punkte in Österreich angegangen werden müssen, wie für Mädchen Träume geschaffen werden, und spricht über die wirtschaftliche Chance einer Weiterentwicklung der Liga.
Spielerinnen mit Selbstbehalt
Die ehemalige Bayern- und Arsenal-Legionärin ärgert sich besonders darüber, dass viele Kickerinnen hierzulande sogar ihr eigenes Geld in die Hand nehmen müssen, um in der Bundesliga spielen zu können. Die erste Liga kann ein Verlustgeschäft für die Sportlerinnen sein. Die meisten Kickerinnen (59 Prozent) zahlen laut der younion-Studie 250 bis 750 Euro pro Jahr aus der Privatkassa für den Fußball.
"Wenn man von 20 Spielerinnen in einer Mannschaft ausgeht bei durchschnittlich 500 Euro pro Jahr Kosten, sind das 10.000 Euro Ausgaben. Das muss das Ziel sein, dass ein Verein, der das Budget hat, das Commitment aufbringt, um das selbstverständlich zu übernehmen", stellt Schnaderbeck eine einfache Rechnung auf.
"In anderen Ländern wird gelaufen, bei uns wird gemütlich gegangen."
Um in Richtung Profigeschäft zu denken, braucht es einiges. Nur etwa jede vierte Spielerin besitzt laut eigener Definition einen Profivertrag.
In Österreich habe sich die Lage zwar in den letzten Jahren etwas verbessert, aber "in anderen Ländern wird gelaufen, bei uns wird gemütlich gegangen".
Von der Bezahlung abgesehen, ist die heimische Liga vor allem infrastrukturell meilenweit von den internationalen Topligen entfernt. Die Frauen-Abteilung wird oft stiefmütterlich behandelt.
Training "am Acker"
"Es kann nicht sein, dass die Frauen am Nebenplatz, gefühlt am Acker, trainieren müssen, und sie damit einem deutlich höheren Verletzungsrisiko ausgesetzt sind. Es ist unmöglich, dass diskutiert werden muss, ob Frauen den Fitnessraum der Männer mitnutzen dürfen", zeigt sich Schnaderbeck über die Trainingsbedingungen entsetzt.
Um die Zustände zu verbessern, sind laut Schnaderbeck unter anderem die Kickerinnen gefragt. "Die Führungsspielerinnen stehen aus meiner Sicht auch in der Verantwortung, die Vereine auf die Chancen und Missstände aufmerksam zu machen. Einerseits muss man die Kosten ansprechen, andererseits die Infrastruktur", so Schnaderbeck, die anmerkt: "Veränderung ist nicht immer einfach und nicht immer gemütlich."
In europäischen Topligen ist es im Gegensatz zu Österreich Usus, dass die Frauen im Trainingsgelände der Männer integriert sind, oder sie sogar über ein eigenes verfügen.
"Wir haben ein wahnsinniges Trainingszentrum. (...) Das Trainingszentrum ist für uns und die Herren. Es enthält wahnsinnige Möglichkeiten. Wir haben alles vor Ort, sowohl Kryo (Kältetherapie) als auch einen eigenen Zahnarzt, einen Hautarzt und sogar einen Friseur. Neben einem SPA-Bereich gibt es auch die Möglichkeit, direkt vor Ort MRT-Untersuchungen durchzuführen", schwärmte Fiorentina-Legionärin Marina Georgieva bei LAOLA1 (Hier nachlesen >>>) im September über die Bedingungen, die sie in Italien vorfindet.
Frauen wollen wertgeschätzt werden
"Den Frauen geht es oft sehr stark um Wertschätzung. Das würde man ihnen damit schon entgegenbringen. Auch wenn wir dann noch nicht von gleichbezahlt, aber zumindest von gleichberechtigt und gleichbehandelt sprechen können", sieht Schnaderbeck eine bessere Infrastruktur als nächsten Schritt.
Um dies gewährleisten zu können, braucht es Profivereine aus dem Herren-Bereich, die eine gewisse Infrastruktur mitbringen. Mit Sturm Graz, Blau-Weiß Linz, SCR Altach und Austria Wien spielen vier Bundesliga-Vereine auch im Oberhaus der Frauen. Der LASK ist zudem aktueller Tabellenführer der 2. Frauen-Bundesliga.
Auch beim FC Red Bull Salzburg und dem SK Rapid sind Frauen-Projekte im Anlaufen. "Das ist auch eine Entwicklung, die wir in England, Italien, Spanien oder Deutschland sehen. Dass die Vereine, die man aus der Herren-Bundesliga kennt, auch Frauen haben", weiß Schnaderbeck.
Aber: Ist es nicht problematisch, wenn die großen Klubs kleinere Vereine, die sich jahrelang für den Frauenfußball engagiert haben, überholen?
Tubrine Potsdam holte etwa 2010 noch die Women’s Champions League, mittlerweile ist der Klub in der Zweitklassigkeit daheim.
"Das ist natürlich schade. Aber wenn man aufs große Ganze schaut, ist es wichtig, wie nachhaltig man was entwickeln kann", so die ehemalige ÖFB-Kapitänin.
Die Vorteile dieses Trends überwiegen, "was aber nicht heißt, dass so ein Verein wie St. Pölten nicht funktionieren kann und wird. Soweit sind wir noch nicht", so Schnaderbeck.
Sie hält solche Klubs für essentiell, "es ist aber wichtig, dass von den Bundesligamannschaften mehr Druck kommt".
Schnaderbeck erhofft sich echtes Commitment
Die 33-Jährige fordert echtes Commitment. "Wenn du gut sein willst, musst du die besten Leute reinholen. Dann musst du es aus dem richtigen Grund machen. Mach es nicht deshalb, dass du sagen kannst, du hast eine Frauen-Mannschaft", meint Schnaderbeck.
Es gibt aber auch eine Kehrseite der Medaille. Wird das Thema Frauenfußball aus Sicht der Klubs betrachtet, sind aktuell damit kaum wirtschaftliche Erfolge zu erzielen. Während das ÖFB-Frauennationalteam boomt, bleiben die Fans den Spielen der heimischen Liga fern.
Nur 300 Zuschauer im Schnitt verfolgten im Herbst die Spiele der Frauen-Bundesliga. Zum Vergleich: In der Herren-Bundesliga sind pro Partie durchschnittlich 7.964 vor Ort. Marketingtechnisch stecken Dimensionen zwischen den Ligen.
So mancher Fan stellt sich die Frage: Warum sollten heimische Profiklubs viele Ressourcen in ein Projekt stecken, dass wirtschaftlich kaum etwas abwirft?
"Weil du daran glaubst, weil du Potential siehst, und auch wirtschaftlich siehst. Da kann ich andere Zielgruppen erreichen, Mädchen und Frauen erreichen, Kinder anders engagieren, und so weiter", sieht Schnaderbeck durchaus Möglichkeiten.
England als Vorbild?
Als Beispiel nennt sie England - im Mutterland des Fußballs strömen die Fans in die Stadien. 50-60.000 Zuseher sind teilweise bei den Spielen der englischen Frauen-Liga. Das ist das Ergebnis von jahrelangem Investment.
"Die Zeiten sind vorbei, wo man nur ein männlich besetztes Publikum will."
Von Frauen-Teams kann das Image des Klubs profitieren, eine größere Zielgruppe kann erreicht werden. "Die Zeiten sind vorbei, wo man nur ein männlich besetztes Publikum will", meint die 33-Jährige. Die 83-fache Teamspielerin denkt daran, den Frauenfußball besser zu vermarkten. Stichwort: Fannähe. Sie gibt als Beispiel gemeinsame Trainings der Spielerinnen mit jungen Mädels und Burschen oder Autogrammstunden.
"Das ist dann ein Mehrwert für jeden Verein, mehr Jugend, mehr Breite. Das macht die Klubs für Sponsoren attraktiver", sieht Schnaderbeck ungenützte Potentiale.
Kein Gewinn durch Ausbildung
Ein weiterer Punkt, der ein Engagement im Frauenfußball unattraktiv macht, sind die fehlenden Gewinne bei einer erfolgreichen Ausbildungsarbeit.
Bei den Burschen fallen teils sehr hohe Ablösesummen an, eine Ausbildungsentschädigung ist bereits im Nachwuchs im teils vierstelligen Bereich fällig.
Im Vergleich: Frauen verfügen meist nur über Ein-Jahres-Verträge, oft erfolgen Wechsel ins Ausland ohne, dass die Klubs dafür einen Cent kassieren. Die erfolgreiche Ausbildung junger Talente ist also ein Minus-Geschäft.
"Das betrifft nicht nur die Vereine, den Landesverband oder den Bundesverband. Ich denke in Richtung UEFA, wo es Regularien gibt, wo es ganz klare Vorschreibungen gibt. Dort sollten Ausbildungsentschädigungen integriert werden, die an Vereine bezahlt werden, wenn eine Spielerin ins Ausland geht. Da muss systematisch und strukturell was kommen, dass es für Vereine wirtschaftlich interessanter und attraktiver wird", sagt Schnaderbeck.
Soll die Liga beim ÖFB bleiben?
Im Bereich Attraktivität ist auch der ÖFB gefragt. Der Nationalverband betreibt die Admiral Frauen-Bundesliga. "Eine Frage, die ich laut in den Raum stelle: Wo gliedert man die Liga generell ein? Bleibt sie beim ÖFB? Wird sie ausgegliedert?", gedenkt Schnaderbeck eine mögliche Abtrennung vom ÖFB. Bei den Herren werden die Profiligen in etwa von der Bundesliga eigens organisiert.
Der ÖFB arbeitet daran, die Organisation zu verbessern. Mit Carina Wenninger wurde in diesem Sommer eine Ex-ÖFB-Teamspielerin als Ligamanagerin eingestellt. (Ligareform und Lizenz: Wenningers Pläne mit der Frauen-BL >>>)
"Es ist ein wichtiger Schritt, dass man mit Isabel Hochstöger, Jasmin Eder, Karin Gruber und Carina Wenninger schon wen hat dafür. Aber ich nehme den ÖFB in die Verpflichtung, noch weitere Ressourcen zu schaffen", sieht Schnaderbeck noch Verbesserungsbedarf.
Ist ein früher Wechsel ins Ausland sinnvoll?
Ein weiteres entscheidendes Manko ist die fehlende Qualität der Liga, der Sprung in die Topligen ist riesig. Junge heimische Top-Talente wagen zwecks Entwicklung früh den Wechsel ins Ausland. Ist es also sinnvoll, als ambitionierte junge Spielerin Österreich schnellstmöglich zu verlassen?
"Weder ja noch nein. Das ist der springende Punkt: Nicht jede Spielerin ist sportlich und persönlich schon so weit, früh ins Ausland zu gehen. Da ist die heimische Liga extrem wertvoll", hofft Schnaderbeck auf eine Verbesserung der Frauen-Bundesliga.
Im Herren-Bereich ist das heimische Oberhaus als Sprungbrett in die große internationale Karriere bekannt. Schnaderbeck hofft auf ähnliches bei den Frauen. Sie nennt dabei Erling Haaland als Extrembeispiel, wie es funktionieren kann. Der norwegische Superstar reifte in Salzburg zu einem Kicker von Weltformat.
"Diese Erfolgsbeispiele sind extrem wichtig, dass die Mädels diese Geschichten kennen, und nicht nur die, dass du mit 16 Jahren im Ausland bist, und dort deinen Weg machst. Der Weg ist möglich. Ich glaube, dass es für viele der richtige Weg ist", erklärt die Ex-Teamkapitänin.
Vielen Mädchen fehlt die Perspektive
Vielen durchaus talentierten Kickerinnen fehlt die Perspektive, mit dem Fußball Geld zu verdienen. Oft wird die Leidenschaft dem Berufsleben hinten angestellt. Schnaderbeck wünscht sich eine bessere Vereinbarkeit mit dem Beruf, und das Aufzeigen von Karrieremöglichkeiten im Fußball.
"Es ist einfach wichtig, dass man als Eltern, Tante, Onkel, Opa, Oma und alles dazwischen den Mädels vermitteln kann, dass es Möglichkeiten, Vereine und diese Karrieremöglichkeit gibt. Dass man den Mädels Vorbilder gibt, den Fernseher anmacht, sie zu Spielen mitnimmt", plädiert Schnaderbeck.
Vom Frauenfußball in Österreich leben, können also nur die allerwenigsten und allerbesten Spielerinnen, "aber vielleicht wird es sogar irgendwann mehr als nur die Spitze", merkt Schnaderbeck an.
Erleben wir also eines Tages eine reine Profiliga für Frauen in Österreich? Fakt ist: Der Weg ist ein weiter, und hat noch viele Etappenziele, die es zu erreichen gilt.