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Hans-Peter Bergers "coole Challenge" in China

Ex-Goalie spricht über Gänsehaut-Momente und anfängliche Nervosität.

Hans-Peter Bergers Foto: © Privat

Während in Europa viele Ligen aus dem Winterschlaf erwachen oder mitten in den Vorbereitungen auf die Frühjahrs-Saison stecken, ist für Hans-Peter Berger die Spielzeit beendet.

Der langjährige Profi-Goalie schaffte Anfang Jänner in der Rolle des Tormann-Trainers mit dem chinesischen Klub Chengdu Rongcheng den erstmaligen Aufstieg in die Super League. Ein Ereignis, das in der 20-Millionen-Stadt und im Klub für Furore gesorgt hat.

"Was sich beim Empfang am Flughafen abgespielt hat, habe ich zum ersten Mal in meinem Leben erlebt", erzählt Hans-Peter Berger im Gespräch mit LAOLA1. Und das möchte etwas heißen, schließlich hat der 40-Jährige in seiner Laufbahn so ziemlich alles erlebt - inklusive dem sensationellen ÖFB-Cup-Titelgewinn mit Regionalliga-Mitte-Klub FC Pasching im Jahr 2013.

"Da hat es dir die Ganslhaut aufgezogen"

Die Mannschaft und das Trainerteam sind am Flughafen der sechstgrößten Stadt Chinas jedenfalls wie Helden von der begeisterungsfähigen Masse empfangen worden.

"Wie viele Leute dagewesen sind und die Mannschaft gefeiert haben, das war eine Wahnsinnsstimmung, da hat es dir die Ganslhaut aufgezogen", berichtet Berger.

(Text wird unter dem Tweet fortgesetzt)

Im Anschluss an die Rückkehr des Teams aus der Fußball-Blase in Suzhou nach Chengdu, fand eine große Gala statt, wo sich sämtliche Granden des Vereins die Klinke in die Hand gedrückt haben.

"Es war alles da, was Rang und Namen in Chengdu hat. Die Board-Members, der Präsident war da, die zwei Sportdirektoren waren da", sagt Berger, der dies als Indiz für den hohen Stellenwert des Klubs und des erstmaligen Aufstiegs in das Oberhaus des chinesischen Fußballs deutet.

Im Relegations-Duell stand dem Team, das noch keine Spuren in der obersten chinesischen Liga hinterlassen hat, Dalian Pro entgegen. Als im Fußball im "Reich der Mitte" der Geldhahn noch weit aufgedreht war, gingen Spieler wie Marek Hamsik, Yannick Carrasco oder Nicolas Gaitan ihrem Handwerk im Nordosten Chinas nach.

Der bei Everton mittlerweile geschasste Starcoach Rafa Benitez fungierte bis Ende Jänner 2021 als Trainer von Dalian Pro. Das sind jedoch inzwischen verblasste Erinnerungen an eine bessere Zeit, das Hinspiel zwischen Dalian Pro und Chengdu Rongcheng war von Angst geprägt, erinnert sich Berger.

"Es war ein richtiger Krimi"

"Die erste Partie war ein ausgeglichenes Spiel. Dalian hat eine Standardsituation verwertet. Wir haben drei Torchancen gehabt, haben aus einem Elfmeter das 1:1 gemacht. Das war verdient, aber es war eine Nervenschlacht", sagt der ehemalige Profi-Goalie, der eine sehr von Taktik geprägte Partie gesehen hat.

"Im zweiten Spiel waren wir ganz klar die bessere Mannschaft, haben verdient gewonnen. Der 1:0-Sieg im zweiten Match geht in Ordnung, deswegen sind wir verdient aufgestiegen", hält Berger fest.

Als Trainer finde ich es vielleicht noch ein wenig emotionaler und nervenaufreibender. Du sitzt auf der Bank, kannst nicht mehr darauf einwirken, was am Spielfeld passiert. Du kannst nur versuchen, Tipps zu geben oder reinzuschreien.

Hans-Peter Berger

Der ehemalige Tormann hat als Spieler selbst zwei Aufstiege miterlebt. 2005 ging es mit der SV Ried in die Bundesliga, was Berger rückblickend als "Top-Ereignis" bezeichnet. Sechs Jahre später feierte der heute 40-Jährige mit der Admira den Aufstieg in die Bundesliga.

Einen großen Unterschied auf der emotionalen Ebene, ob der Aufstieg als Spieler oder Trainer gelingt, will Berger erst nicht erkennen, stellt aber dann doch fest: "Als Trainer finde ich es vielleicht noch ein wenig emotionaler und nervenaufreibender. Du sitzt auf der Bank, kannst nicht mehr darauf einwirken, was am Spielfeld passiert. Du kannst nur versuchen, Tipps zu geben oder reinzuschreien. Am Ende des Tages spielen die Spieler und du sitzt auf der Bank draußen."

Im Rückspiel ging Chengdu in der 72. Minute in Führung, was für eine spannende Schlussphase sorgte.

"Beim Stand von 1:0, als nur mehr die hohen Bälle reinfliegen, wo jeder alles probiert, war das an Spannung nicht zu überbieten. Es war ein richtiger Krimi. Der Druck war enorm hoch, jeder hat gewusst, um wie viel es wirklich geht. Die ganze Stadt, jeder der 16 Millionen, hat sich erwartet, dass wir unbedingt aufsteigen."

Jung-woo Seo: Der Trainer ist ein alter Bekannter

Den Meilenstein seiner Karriere hat Berger als Teil eines Teams geschafft, das der Salzburger als "richtig coole Einheit" bezeichnet. Maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Mannschaft hat dabei Chef-Trainer Jung-woo Seo.

Jung-woo Seo jubelt im Jahr 2005 für die SV Ried.
Foto: © GEPA

"Seo hat im letzten Jahr sehr viel bewegt", weiß Berger über seinen ehemaligen Mitspieler zu berichten. Bundesliga-Fans der Auftakt-Jahre des aktuellen Jahrtausends ist der Name natürlich ein Begriff. Der langjährige Nationalspieler Südkoreas wechselte 2005 zu Austria Salzburg, hinterließ aber den größten Eindruck bei der SV Ried, der sich der Flügelspieler im Sommer 2005 anschloss.

Seo absolvierte 64 Spiele für die Innviertler, in denen er 12 Tore erzielen konnte. Bei 59 der 64 Partien stand der Südkoreaner mit einem gewissen Hans-Peter Berger im Rieder Tor auf dem Platz.

"Wir sind über die Jahre immer in Kontakt geblieben", sagt Berger, der seinem ehemaligen Mitspieler nach China gefolgt ist. Als Seo in Europa beim VfL Wolfsburg hospitieren wollte, legte Berger den Kontakt zu den ehemaligen Teamkollegen Oliver Glasner und Michael Angerschmid, die seinerzeit noch in der Autostadt angestellt waren.

"Vor meinem Engagement sind drei Torhüter-Trainer entlassen worden. Da wollte er dann einen Europäer holen und hat mich direkt angerufen, ob ich mir das vorstellen kann", erzählt Berger, der rückblickend sehr glücklich darüber ist, den Schritt nach China gewagt zu haben.

"Weiß nicht, ob ich es hardcore nennen kann..."

Sonderlich einfach hat es der Tormann-Trainer aber nicht. Berger wechselte alleine nach China, die Familie blieb in Österreich. "Ich habe - ich weiß nicht, ob ich es hardcore nennen kann - nicht das leichteste Los gezogen. Ich bin der einzige Europäer im Klub, bin in einem koreanisch-chinesischen Trainerteam dabei", so der Salzburger, der sich dank seiner zwei Jahre bei Leixoes SC in Portugal mit den brasilianischen Spielern auf portugiesisch unterhalten kann. Auch ein Dolmetscher steht Berger zur Seite.

Seine in Österreich gesammelten Erfahrung, sei es auf dem Platz oder in der Trainerausbildung, und seinen Arbeitsstil auf China umzulegen, sei eine "coole Challenge", auf die Berger sehr stolz ist. "Es bringt dich im Leben nicht nur einen Schritt nach vorne, sondern fast zwei, weil ich aus diesen Erfahrungen sehr viel mitnehmen kann."

Obwohl der 40-Jährige mit allen Wassern gewaschen ist und schon vor seinem China-Abenteuer reichlich Erfahrung als Tormann-Trainer unter anderem beim ÖFB vorweisen konnte, war Berger zu Beginn seiner Tätigkeit in Chengdu nervös. "Ich muss sagen, am Anfang war ich schon ein bisschen angespannt, weil du nach Asien kommst und gleich wieder gefeuert werden kannst, das ist einfach so", erzählt der HP Berger, der die Leistungen seiner Goalie-Schützlinge aber letztendlich verbessern konnte.

"Am Ende des Tages sind wir sehr glücklich, dass wir die Torwart-Situation hervorragend stabilisiert haben. Der Tormann hat uns gegen Wuhan einen entscheidenden Elfmeter gehalten und die Mannschaft ins Playoff gebracht hat. Ich hoffe natürlich, dass es erfolgreich weitergeht".

Corona als Risikofaktor

Was auf Berger nun wartet, steht zwar schon fest, kann sich aber schlagartig wieder ändern. Das Engagement des Salzburgers in Chengdu soll noch für zwei weitere Jahre laufen, doch die Corona-Pandemie könnte die Pläne über den Haufen werfen.

Du musst von Österreich direkt nach China reisen. Es gibt fast keine Flugtickets. Sprich, über die AUA kannst du keine Flugtickets ergattern. Ich habe schon sämtliche Varianten probiert, aber dass du ein Ticket Wien-Shanghai bekommst, ist fast unmöglich.

Hans-Peter Berger

"Die Geschichte ist ganz einfach erklärt: Es ist Corona. Das heißt Einreise und Ausreise sind ein Wahnsinn. Das bekommt man mit Olympia mit", meint Berger, der damit selbst schon leidige Erfahrungen machen musste.

"Du musst von Österreich direkt nach China reisen. Es gibt fast keine Flugtickets. Sprich, über die AUA kannst du keine Flugtickets ergattern. Ich habe schon sämtliche Varianten probiert, aber dass du ein Ticket Wien-Shanghai bekommst, ist fast unmöglich", so der 40-Jährige, der sechs Wochen Urlaub mit der Familie in Österreich verbringen will.

Die Rückkehr nach China sei aber nicht gewiss, so der Salzburger, auch wenn sich der Verein bemühe.

"Du sitzt eigentlich immer auf Nadeln. Mit Corona kann sich alles jeden Tag drehen. Es ist immer ein großes Restrisiko dabei, weil du nie weißt, was macht der Staat China? Sperren sie komplett zu? Am Visum scheitert es nicht, das habe ich noch bis Ende nächsten Jahres".

Ehefrau soll nach China folgen

Ein solches soll auch Bergers Ehefrau erhalten, denn diese möchte sich dem Salzburger in China anschließen. "Wir werden versuchen, für meine Frau um ein Visum anzusuchen. Mein Sohn möchte nicht, weil der möchte genauso Fußballer werden, der ist bei Red Bull Salzburg in der Jugend", so der Ex-Profi, der so gut wie möglich zwischen Österreich und China pendeln möchte, sollten beispielsweise Ferien anstehen.

Die räumliche Trennung von der Familie machte nicht zuletzt Österreichs anderem Aushängeschlid in China zu schaffen. Marko Arnautovic war während seiner Zeit bei Shanghai Port lange von seiner Familie getrennt. Das hat den Wiener so sehr mitgenommen, dass Arnautovic bei einer Pressekonferenz im Vorfeld der Europameisterschaft im vergangenen Jahr in Tränen ausgebrochen ist, als Erinnerungen an die damalige Zeit hochkamen.

Emotionen, die Berger nachvollziehen kann. "Natürlich ist es für das Privatleben moment eine schwierige Zeit, aber es schweißt meine Frau und mich nur noch mehr zusammen. Da kommt man sich nochmal eine Spur näher", sagt der Salzburger, der spürbar dankbar für die Unterstützung seiner Gattin ist.

"Meine Frau kennt mich ja schon seit ich 18 bin und weiß, welchen Stellenwert der Fußball in meinem Leben hat. Sie kennt mich in- und auswendig und unterstützt mich. Sie ist mehr oder weniger die heimliche Managerin im Hintergrund."

Klubs zwar angeschlagen, neue Infrastruktur spielt aber alle Stückeln

Im April 2022 soll die Meisterschaft in China wieder losgehen. Wie viele Teams an dieser teilnehmen können, ist aktuell unklar. Finanzielle Probleme haben den chinesischen Fußball schwer erschüttert. Die Corona-Pandemie hat ihr übriges dazu beigetragen. Viele gut bezahlte Ausländer haben dem chinesischen Fußball mittlerweile wieder den Rücken gekehrt. Selbst eingebürgerte Brasilianer wie Angreifer Ricardo Goulart, der beim FC Santos untergekommen ist, suchen nach Alternativen.

"Die Klubs in China sind durch Corona genauso angeschlagen wie die Klubs in Europa", so Berger, der in der Krise aber auch eine Chance für die chinesischen Klubs sieht.

"Die Zeiten wie es vor fünf oder sechs Jahren war, wo irrsinnige Summen bezahlt worden sind, davon haben sie sich abgewandt. Sie haben einen Salary Cap eingeführt, was sehr positiv ist, weil sie mehr auf chinesische Spieler setzen müssen. Sie haben eine Jugendregelung eingebaut, genauso wie eine Torhüterregelung, dass nur ein chinesischer Torhüter eingesetzt werden kann. Diese Maßnahmen finde ich sehr gut, weil sie für den chinesischen Fußball eine Entwicklung in die richtige Richtung geben können."

Das neue Stadion von Chengu Rongcheng.
Foto: © Privat

Das Geld sitzt in China aber dennoch vergleichsweise locker. Chengdu Rongcheng wurde ein neues Stadion mit 60.000 Plätzen hingestellt. Die Arena fungiert beim Asien-Cup 2023 als Spielstätte. Der Verein leistet sich außerdem ein neues Trainingszentum mitten in der Stadt und eine nigelnagelneue Akadmie.

"Was die auf die Füße stellen, davor muss ich meinen Hut ziehen. Sie sind sehr bemüht und probieren, sehr professionell zu arbeiten", bilanziert Berger, der eine solche Dimension während seiner langen Karriere im Fußball noch nicht erlebt hat.

"Das ist ganz etwas anderes. Wie sie versuchen, im Fußball Gas zu geben, habe ich persönlich auf der ganzen Welt nirgends gesehen", so Berger, der aber auch daran erinnert, dass die Infrastruktur bestmöglich genutzt werden muss.

"Es ist so überdimensional, dass man das nach der Saison erst ein bisschen verarbeiten muss, sich Gedanken machen muss, wie kann man das am besten umsetzen? Es gibt sehr viele Talente. Sie sind sehr bemüht, die Jungs und natürlich auch Mädels auszubilden. Mal schauen, wo der Weg von China im Fußball in den nächsten Jahren hinführt."

Hans-Peter Berger kann diese Entwicklungen aus der ersten Reihe mitverfolgen, sofern Corona ihm und dem chinesischen Fußball nicht einen Strich durch die Rechnung machen.

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