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Schößwendter: Transfer-Grund und Rapid-Bilanz

Christoph Schößwendter über Union-Transfer, Rapids Fehler und Damir Canadi:

Schößwendter: Transfer-Grund und Rapid-Bilanz

Vor rund zwei Wochen wechselte Christoph Schößwendter vom SK Rapid Wien zu 1. FC Union Berlin in die 2. deutsche Liga.

"Es war überraschend, weil ich nicht mit einem Wechsel geliebäugelt hatte. Bis vor kurzem war ich überzeugt, dass meine Zukunft bei Rapid sein würde", erinnert sich der 28-jährige Innenverteidiger gegenüber LAOLA1 zurück.

Warum er den Schritt wagte, ob man ihn bei Rapid loswerden wollte, welchen Fehler sein Ex-Klub begangen hat, was es mit Damir Canadis angeblicher Beleidigung ("Du kannst nicht kicken") auf sich hat und wie er heute über Canadis Verhalten denkt, verrät Schößwendter im LAOLA1-Interview:

LAOLA1: Berlin statt Wien – war der Kulturschock groß und wie konntest du dich einleben?

(c) Matthias Koch

Christoph Schößwendter: Ich bin jetzt gut zwei Wochen da, so groß ist er gar nicht. In Österreich war ich zuletzt ja in Wien, von daher bin ich die Großstadt gewohnt. Das Flair, es ist immer etwas los – hier ist es genauso, wenn auch noch einmal in einer anderen Dimension. Rein von der Stadt her ist es im Zentrum ähnlich, die saubere Innenstadt mit den Einkaufsmöglichkeiten und den Sehenswürdigkeiten. Die Sprache ist dafür schon etwas anders (lacht). Mit meinem Salzburger Dialekt komme ich nicht mehr so gut durch, da muss ich schon ins Hochdeutsche wechseln. Sportlich gesehen ist es vergleichbar mit Rapid Wien. Die letzte Woche der Vorbereitung habe ich noch mitgemacht, da war es von der Intensität her ähnlich. Es ist schon eine etwas andere Art, Fußball zu spielen, das konnte ich auch beim Liga-Auftakt sehen. Physischer, härter – auch im Training. Die typischen „Zangler“ gibt es eigentlich nicht wirklich, eher die „Maschierer“. So gesehen ist die Spielweise körperbetonter, vom Tempo her ist es aber ähnlich. Die Qualität im Kader ist jedenfalls richtig hoch. Union wollte den Kader breit aufstellen, der Konkurrenzkampf ist auf allen Positionen groß. Das merkt man auch im Training.

LAOLA1: Der Saison-Auftakt ist mit dem 1:0-Sieg in Ingolstadt gut gelungen. Du bist in der letzten Minute eingewechselt worden, um das Ergebnis abzusichern. Wie hast du das Spiel erlebt?

Schößwendter: Es war richtig geil, etwas ganz Neues zu sehen. Das war auch einer der Beweggründe, warum ich die Chance wahrnehmen wollte. Vom Spielerischen her war es kein Leckerbissen, zwei Klubs mit Aufstiegsambitionen sind aufeinandergetroffen, das hat man gemerkt. Nicht falsch verstehen, es ging schon richtig zur Sache, die Taktik stand aber im Vordergrund.

VIDEO - In seinem letzten Spiel für Rapid gelang Schößwendter noch ein Tor:
(Artikel wird unterhalb fortgesetzt)

LAOLA1: Wie war das Gefühl bei der Einwechslung?

Schößwendter: Es war schon genial, im Kader zu stehen, weil wir so viele gute Spieler haben. Spieler, die in der Vorbereitung einen guten Eindruck hinterlassen haben, waren nicht dabei. Ich war zum Zeitpunkt des Spiels erst zehn Tage dabei, deswegen habe ich mich brutal gefreut. Dann noch eingewechselt zu werden, war überragend. Viel besser hätte der Start nicht laufen können.

LAOLA1: Wie siehst du im weiteren Verlauf die Chancen auf einen Platz in der ersten Elf, der sicher das Ziel ist?

Schößwendter: Das ist das langfristige Ziel. Ich sehe es aber schon realistisch. Ich habe große Teile der Vorbereitung verpasst, da wurde viel im taktischen Bereich gearbeitet. Das muss ich aufholen und das auf den Platz bringen, was man von mir sehen will. Ich mache mir keinen Stress, es ist doch eine Umstellung. Die drei anderen Innenverteidiger haben Qualität – ich bin nicht so vermessen, herzugehen und zu sagen, dass ich bald Stammspieler sein muss. Gleichzeitig sage ich aber auch, dass ich mich nicht verstecken muss. Ich bin nicht chancenlos, wenn ich mich gut eingelebt habe, kann ich sicher eine gute Rolle spielen.

LAOLA1: Das von dir angesprochene physischere Spiel kommt dir aber sicher entgegen, oder?

Schößwendter: Ich denke schon. Körperbetontes Spiel, sei es in Luftduellen oder Zweikämpfen am Boden, gehört zu meinen Stärken. Ich spiele auch lieber gegen körperlich robuste Spieler als gegen „Dribblanskis“. (lacht) Wir gehen in viele Spiele als Favorit und machen früh Druck. Dann wird der Gegner oft keinen anderen Weg finden und hohe Bälle spielen. Da habe ich meine Qualitäten.

LAOLA1: Mit Christopher Trimmel, Michael Gspurning, Philipp Hosiner und dir stehen vier Österreicher bei Union unter Vertrag. Wie kann man sich das in der Kabine vorstellen?

Schößwendter: Es wird schon oft gelacht, wenn wir irgendwelche Meldungen schieben und die meisten nicht wissen, was das heißen soll. Es sind ein paar Süddeutsche dabei, die haben überhaupt keine Probleme. Christopher ist doch schon einige Zeit hier, das macht sich bemerkbar. Ich werde sicher nicht dazu genötigt werden, nur noch Hochdeutsch zu sprechen. (lacht).

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LAOLA1: Warst du überrascht, dass dich mit Union Berlin ein ambitionierter deutscher Zweitligist trotz einer nicht ganz so reibungslosen Saison verpflichten wollte?

Schößwendter: Es war überraschend, weil ich nicht mit einem Wechsel geliebäugelt hatte. Bis vor kurzem war ich überzeugt, dass meine Zukunft bei Rapid sein würde. Ich wollte meine Chance nutzen, plötzlich lag das Angebot auf dem Tisch. Es hat mir ein richtig gutes Gefühl gegeben, dass Union nach dem ersten Kontakt Nägel mit Köpfen machen und den Transfer schnell durchziehen wollte. Da war mir klar, dass ich keine Notlösung oder Backup bin, sondern dass ich die nötige Wertschätzung erhalte. Dann musste ich nicht mehr lange überlegen, auch aufgrund der Situation bei Rapid. Es wurde stets kommuniziert, dass die fünf Innenverteidiger eine Baustelle sind und sich etwas tun müsse. Für mich ist Union aber keine Notlösung, sondern ein sportlicher Aufstieg. Im Endeffekt ist es richtig genial gelaufen.

LAOLA1: Ich höre heraus, dass dir Rapid also nahegelegt hat, den Verein zu verlassen…

Schößwendter: Der Verein, allen voran Goran Djuricin, hat von Beginn an mit offenen Karten gespielt. Wir wurden in Kenntnis gesetzt, dass auf unserer Position ein Überangebot herrscht. Aufgrund der fehlenden Doppelbelastung hat man keine Not, zu rotieren. Jede Woche hätten zwei Innenverteidiger auf der Tribüne sitzen müssen. Zwei spielen, einer sitzt auf der Bank – das ist es. Das wurde uns offen und ehrlich gesagt. Es wurde aber nicht gesagt, dass der oder der weg muss. Alle fünf hätten Chancen gehabt, zu spielen. Ich habe mir Gedanken gemacht. Max Wöber hat ein starkes Frühjahr gespielt, ist jung und hat den Vorteil, Linksfuß zu sein. Dibon spielt seit Jahren konstant gut, er darf sich nur nicht verletzen. Es war abzusehen, dass ich nicht die erste Geige sein würde. Das hat die Entscheidung etwas einfacher gemacht, obwohl mir der Abgang von Rapid trotz allem nicht leicht gefallen ist.

LAOLA1: Traustason und du wurdet erst vor einem Jahr geholt, jetzt seid ihr schon wieder weg. Hast du Verständnis für die Transferpolitik von Rapid?

Schößwendter: Das resultiert noch aus der Vergangenheit. Der Verein hat gewisse Fehler gemacht, auch auf meiner Position. Man hat es verabsäumt, einen Spieler abzugeben, so stand man mit vier bis fünf starken Innenverteidigern da. Vor meiner Unterschrift war ständig davon die Rede, dass ich absoluter Wunschspieler bin und noch ein Spieler auf meiner Position den Klub verlassen würde. Das wurde nicht durchgezogen, die heutigen Verantwortlichen haben damit aber nichts zu tun. Es ist ja auch schwer, wenn keiner bereit ist, zu wechseln. Bei mir hat es sich gut ergeben. Ein Angebot aus Österreich oder auch aus der zweiten deutschen Liga bei einem nicht so attraktiven Verein hätte ich mit ziemlich großer Sicherheit nicht angenommen. Union war einfach eine überragende Chance und geile Möglichkeit.

LAOLA1: Wie lautet deine Bilanz der vergangenen Saison?

Schößwendter: Vor meiner Unterschrift im letzten Sommer war ich drei Monate verletzt und habe fast das ganze Frühjahr verpasst. So gesehen war der Start überragend. Wir haben uns souverän für die Europa-League-Gruppenphase qualifiziert, auch in der Liga sind wir als Mannschaft und ich persönlich mit meinem Tor im ersten Spiel, gut gestartet. Im Nachhinein gesehen fast zu gut. Ich habe eine wichtige Rolle gespielt und bis Mitte September fast alle Spiele bestritten. Der Herbst war richtig cool, eine tolle Erfahrung. Es war auch nicht so schlecht, wie viele gesagt haben. Bei der Entlassung von Mike Büskens und Andreas Müller waren wir fünf Punkte hinter RB Salzburg, in der Europa League noch dabei. Es war überraschend, wie schnell es dann gegangen ist. Ab dem Trainer-Wechsel ist es nicht mehr gelaufen. Ich habe absolut keine Rolle mehr gespielt und das auch zu spüren bekommen. Das Hauptproblem war, dass ich keine faire Chance erhalten habe. Jeder der mich kennt weiß, dass ich kein überheblicher Spieler bin. Ich würde nie sagen, dass ich spielen muss, wenn andere besser oder gut in Form sind. Ich kann das akzeptieren und stelle mich in den Dienst der Mannschaft. Die Ergebnisse haben aber nicht gerade dafür gesprochen, das so stur durchzuziehen. Das hat mich schon etwas gestört.

"Der Verein hat gewisse Fehler gemacht, auch auf meiner Position. Man hat es verabsäumt, einen Spieler abzugeben, so stand man mit vier bis fünf starken Innenverteidigern da. Vor meiner Unterschrift war ständig davon die Rede, dass ich absoluter Wunschspieler bin und noch ein Spieler auf meiner Position den Klub verlassen würde. Das wurde nicht durchgezogen, die heutigen Verantwortlichen haben damit aber nichts zu tun."

LAOLA1: Was waren die Gründe dafür? Hat das Verhältnis zwischen Damir Canadi und dir von Anfang an einfach nicht gepasst?

Schößwendter: Ich habe mir viele Gedanken über die möglichen Gründe gemacht, weiß es bis heute aber nicht. Von den ersten Tagen an habe ich gemerkt, dass nicht mit mir geplant wird. Ich habe es zu Beginn akzeptiert und weiter Gas gegeben. Als ich im Winter und zu Beginn des Frühjahrs gemerkt habe, dass sich an der Situation nichts ändert, habe ich schon erkannt, dass es nicht nur an der sportlichen Leistung liegen konnte. Es hat sicherlich andere Gründe gegeben, die kenne ich aber bis heute nicht.

LAOLA1: Einige Vorfälle drangen im Nachhinein an die Öffentlichkeit. So soll der Satz „Schössi, du kannst nicht kicken“ gefallen sein, bei einem Auswärtsspiel in Ried wurdest du noch vor der Pause ausgewechselt. Hattest du das Gefühl, dass man dich bloßstellen wollte?

Schößwendter: Nein, das nicht. Eines muss ich klarstellen: Diese Aussage wurde so nicht getätigt. Es gab aber schon ein paar Situationen, wo ich gemerkt habe, dass er nicht viel von mir hält. Die Auswechslung in Ried war die Krönung. Ich finde, so geht man mit keinem Spieler um. Es stand 0:0, obwohl es kein gutes Spiel war, war es nicht katastrophal. Man hätte nicht so handeln müssen. Ehrlich gesagt habe ich mit dem Thema aber schon abgeschlossen. Ich ziehe auch meine Lehren daraus, es verlief aufgrund mehrerer Faktoren unglücklich. Es ist abgehakt und belastet mich nicht mehr. Die ganze Saison hat mich ja trotzdem voran gebracht. Ich habe viel gelernt, nicht nur sportlich sondern auch menschlich. Auch wenn es nach einem Klischee klingt: Aus jeder Erfahrung und Situation kann man für sich etwas mitnehmen. Das Interesse von Union hat mir gezeigt, dass nicht alles so schlecht war, was ich in den vergangenen Jahren geleistet habe.

LAOLA1: Rapid ist Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist Union Berlin. Worauf freust du dich in den kommenden Wochen und Monaten am meisten?

Schößwendter: Mir wurde bereits berichtet, wie genial die Stadien in der Liga sind. Bei jedem Auswärtsspiel sind Union-Fans dabei und zuhause sind die Ränge sowieso voll, das will jeder Fußballprofi erleben. Ich freue mich auf das erste Heimspiel gegen Kiel am Freitag. Unser Stadion hat seinen ganz eigenen Charme, das wird eine brutal geile Atmosphäre. Ich freue mich darauf, diese Erfahrungen zu sammeln und eine neue Fußballwelt kennenzulernen.

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