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Dragovic: "Tom Brady zeigt, was alles möglich ist"

"Kühler Kopf" bei Angebot von Roter Stern. Hilfe für Austria Wien? LAOLA1-Interview:

Dragovic: Foto: © GEPA

Am Samstag endet für Aleksandar Dragovic mit dem Gastspiel bei Borussia Dortmund das Kapitel Bayer Leverkusen.

2016 heuerte der ÖFB-Innenverteidiger beim deutschen Bundesligisten an und durchlebte seither - unterbrochen von einer einjährigen Leihe zu Leicester City - wechselhafte Jahre.

Inzwischen hat der Wiener seinen 30. Geburtstag hinter sich und steht vor der wichtigen Entscheidung, wo er seine nächste Karriere-Phase verbringen möchte.

Als Favorit gilt mit Roter Stern einer seiner Herzensklubs.

Im LAOLA1-Interview verdeutlicht Dragovic, warum er angesichts des Angebots aus Belgrad kühlen Kopf bewahren muss.

Zudem verrät er, wie er die Arbeit mit einem Mentaltrainer für sich entdeckt hat, nachdem er am Boden war und sich nicht mehr selbst zu helfen wusste, und dass er daran tüftelt, mit der Austria vielleicht seinen zweiten Herzensverein zu unterstützen.

Außerdem erklärt er an den Beispielen der NFL-Superstars Tom Brady und Aaron Rodgers, was gute Spieler von Legenden unterscheidet.

LAOLA1: Zuerst zur Gesundheit: Wie geht es dir nach deinem Nasenbeinbruch?

Aleksandar Dragovic: Zum Glück war es ein gerader Bruch, ich musste also nicht operiert werden. Ich hatte Glück im Unglück.

LAOLA1: Am Wochenende steht bei Borussia Dortmund dein letztes Spiel für Bayer Leverkusen an. Ist nach der langen Zeit am Ende doch ein wenig Wehmut mit dabei, oder bist du einfach froh, dass es vorbei ist?

Dragovic: Nachdem am vergangenen Wochenende das letzte Heimspiel gegen Union Berlin zu Ende war, muss ich ehrlich zugeben, dass ich am Abend ein bisschen traurig war. Ich habe immerhin vier Jahre hier verbracht, auch wenn sie nicht immer positiv für mich waren, viele Aufs und Abs dabei waren. So wie jetzt gerade: Auf einmal habe ich in den letzten drei Spielen wieder gespielt, und dabei auch meine Leistung gebracht. So kurz vor der EM ist es natürlich ein Vorteil, dass ich wieder spielen durfte. Das Leben geht weiter, man muss immer nach vorne gucken, und auch wenn es vier gemischte Jahre waren: Die Mannschaft war immer cool und wird daher auch in meinem Herzen bleiben. Die Charaktere im Team waren einfach überragend, teilweise waren wir sogar gemeinsam im Urlaub oder haben uns dort getroffen. Am Samstag geht die Zeit vorbei. Dann wird man sehen, was Neues kommt.

"Jetzt, wo die Chance besteht, dorthin zu wechseln, gilt es, kühlen Kopf zu bewahren und nicht einfach nur aus der Emotion heraus zu entscheiden."

Aleksandar Dragovic

LAOLA1: Wie wichtig ist bei dieser Entscheidung, dass der Spaß am Fußball nicht nur ab und zu da ist, sondern konstant?

Dragovic: Das ist im Vorhinein immer schwierig zu sagen, denn eine Stammplatzgarantie wird dir am Ende des Tages keiner geben. Man muss stets die Leistung am Platz bringen. Wenn ich vor zwei, drei Jahren immer so gespielt hätte wie in den letzten drei Spielen, wäre ich wahrscheinlich jeden Spieltag Stammspieler gewesen. Aber gut, so war es nun mal nicht, und ich hatte in der Vergangenheit auch nicht immer eine faire Chance, obwohl ich in den letzten beiden Jahren regelmäßig gute Leistungen gebracht habe. Aber das ist vorbei, ich will auch nicht jammern, sondern nach vorne schauen.

LAOLA1: Welche Kriterien entscheiden bei der Vereins-Wahl?

Dragovic: Ich bin inzwischen 30, also kein Talent mehr und möchte viele Aspekte berücksichtigen. Wo fühlt man sich wohl? Wo ist die Chance zu spielen sehr hoch? Wo bekommt man eine faire Chance? Und natürlich muss man auch ein wenig auf das Wirtschaftliche schauen, da braucht man nicht drumherum zu reden, sonst könnte man auch gratis spielen. Ich versuche, in der schwierigen Corona-Zeit einen Verein zu finden, der alle Kriterien bestmöglich erfüllt.

LAOLA1: Wie ist der Stand der Dinge?

Dragovic: Stand der Dinge ist, dass ich am Samstag noch für Leverkusen spiele. Wenn es etwas zu vermelden gibt, werde ich es öffentlich machen.

LAOLA1: Würdest du Einspruch einlegen, wenn man Roter Stern Belgrad als Favoriten bezeichnet?

Dragovic: Würde ich, ja. Dass Roter Stern mein Favorit ist, wurde in den Medien ein wenig hochgeschaukelt. Aber es ist gemeinsam mit Austria Wien mein Herzensverein, und natürlich ist es auch eine Option.

Dragovic debütierte 2009 in Belgrad für Österreich
Foto: © GEPA

LAOLA1: Ist es auch eine Art Lebenstraum - also ein Verein, für den man unbedingt einmal gespielt haben möchte?

Dragovic: Wie im Leben setzt man sich auch im Fußball immer Ziele. Als ich klein war, habe ich mir immer gedacht, irgendwann spiele ich vielleicht einmal für Roter Stern. Als ich klein war, wollte ich auch immer für das Nationalteam spielen und hätte nie gedacht, dass ich einmal auf 89 Länderspiele komme. Vieles entwickelt sich von alleine so, wie es kommen soll. Jetzt, wo die Chance besteht, dorthin zu wechseln, gilt es, kühlen Kopf zu bewahren und nicht einfach nur aus der Emotion heraus zu entscheiden. Vorher weiß man ohnehin nie, was die beste Entscheidung ist. Wenn die Entscheidung gefallen ist, muss ich dahinter stehen und das Beste daraus machen.

LAOLA1: Wie emotional du nach deinem Länderspiel-Debüt für Österreich ausgerechnet in Belgrad warst, ist unvergessen. Wie schwer ist es da, kühlen Kopf zu bewahren?

Dragovic: Inzwischen bin ich ein paar Tage älter geworden und kann damit umgehen. Aber natürlich ist es nicht immer leicht. Deshalb habe ich in der jüngeren Vergangenheit auch abseits des Platzes intensiv mit einem Mentaltrainer an mir gearbeitet. Das meine ich allerdings gar nicht auf den anstehenden Transfer, sondern generell auf den Fußball bezogen. Denn die letzten zwei Jahre waren nicht einfach für mich. Ich habe mich sicher weiterentwickelt – da gehört es auch dazu, kühlen Kopf zu bewahren. Viele Menschen treffen Entscheidungen aus der Emotion heraus. Vielleicht war es auch in meiner Vergangenheit ein Fehler, dass ich öfters aus der ersten Emotion heraus etwas gesagt habe. Das ist einfach das serbische Blut, da gehen manchmal die Emotionen mit dir durch (grinst). Immer gelingt es nicht, kühlen Kopf zu bewahren, aber mein Mentaltrainer sagt immer, ich soll versuchen, "im Raum zu bleiben".

"Ich habe in der Vergangenheit nie an einen Mentaltrainer geglaubt. Als ich am Boden war und nicht mehr gewusst habe, wie ich mir weiterhelfen kann, habe ich es als meine allerletzte Chance empfunden, mich mit einem Mentaltrainer zusammenzusetzen."

Aleksandar Dragovic

LAOLA1: Wie sehr hilft es in Frust-Phasen – du musstest ja etwa auch im Frühjahr als Ersatzspieler Geduld beweisen – mit einem Mentaltrainer einen unabhängigen Gesprächspartner zu haben?

Dragovic: Zuerst einmal muss man grundsätzlich daran glauben. Ich habe in der Vergangenheit nie an einen Mentaltrainer geglaubt. Als ich am Boden war und nicht mehr gewusst habe, wie ich mir weiterhelfen kann, habe ich es als meine allerletzte Chance empfunden, mich mit einem Mentaltrainer zusammenzusetzen. Aber dafür muss man den Richtigen finden! Möglicherweise habe ich davor mit den Falschen geredet, weil es mir eigentlich nie geholfen hat. Die jetzige Zusammenarbeit tut mir sehr gut und hilft mir auch weiter – natürlich in erster Linie auf den Fußball bezogen, aber es gibt ja auch ein Leben nach dem Fußball. Wir versuchen daher auf allen mentalen Ebenen zu arbeiten.

LAOLA1: Du hast in deiner Karriere bereits sechs Meistertitel gefeiert. Inwiefern hast du Entzugserscheinungen, weil du in den vergangenen Jahren keinen Titel feiern konntest?

Dragovic: Auf Leverkusen bezogen wäre in dieser Saison die Chance sehr hoch gewesen, einen Titel zu holen. Dann scheiden wir im Pokal gegen Rot-Weiß Essen aus. Kurz vor Weihnachten waren wir noch Tabellenführer, jetzt sind wir Sechster. Das hört sich jetzt vielleicht hart an, aber für mich war das keine erfolgreiche Saison, weil wir unser Ziel Champions League verpasst haben. Wir haben noch das Minimal-Ziel Europa League erreicht, was sehr wichtig ist, denn mit diesem Kader muss Leverkusen international spielen. Aber ich persönlich sehe das nicht als mannschaftlichen Erfolg an, weil wir sicherlich mehr draufgehabt hätten. Und ja, selbstverständlich schmerzt es, dass wir keinen Titel geholt haben. Vielleicht resultiert dies daraus, dass ich in der Vergangenheit bezüglich Titel ein bisschen verwöhnt war. Fairerweise muss man natürlich betonen, dass es einfacher ist, mit dem FC Basel in der Schweiz Meister zu werden als mit Leverkusen in Deutschland. Das liegt ohnehin auf der Hand.

Tom Brady gewann - schon wieder - die Super Bowl
Foto: © getty

LAOLA1: Wie dringend willst du in der Karrierephase über 30 weitere Titel mitnehmen?

Dragovic: Man trainiert tagtäglich dafür, um sich Ziele setzen zu können und diese Ziele dann auch zu erreichen. Ein Ziel ist, dass man Titel holt. Ohne Titel wirst du nie eine Legende – man denke an Michael Jordan, Kobe Bryant oder zuletzt Tom Brady. Am Ende des Tages hängt alles davon ab, ob du gewinnst oder verlierst. Gute Spieler gibt es viele. Ich will niemandem zu nahe treten, aber bleiben wir beim Beispiel Brady. In der NFL gibt es auch einen Aaron Rodgers. Aber am Ende des Tages gewinnt nicht er die Super Bowl, sondern wieder Tom Brady. Das ist für mich ein Gewinner. Unterm Strich wird man an Titeln beziehungsweise an Siegen oder Niederlagen gemessen.

LAOLA1: Tom Brady ist siebenfacher Champion, im Vergleich fehlt dir einer…

Dragovic (grinst): Ja, er hat jetzt sieben. Ich habe zuletzt viel zu Brady recherchiert. Chapeau! Vor dem, was er geleistet hat, ziehe vermutlich nicht nur ich den Hut. Einfach riesiger Respekt! An Nummer 199 gedraftet zu werden und dann so eine Karriere hinzulegen, ist Weltklasse. Daran sieht man jedoch auch, was alles möglich ist, wenn man seine Ziele verfolgt und hart dafür arbeitet.

"Die Austria wird wieder auferstehen. Im Leben gibt es immer Aufs du Abs, bei der Austria ist es gerade ein Ab. Da möchte man natürlich in irgendeiner Art und Weise helfen."

Aleksandar Dragovic

LAOLA1: Der Austria geht es aktuell nicht so gut. David Alaba hat sich Anteile gesichert. Überlegst du ebenfalls?

Dragovic: Ich bin am Reden, ich bin am Tüfteln. Ich habe die Austria im Verlauf des Gesprächs nicht umsonst als einen meiner Herzensvereine bezeichnet. Eigentlich habe ich Austria Wien alles zu verdanken. Ich bin dort aufgewachsen, von der U6 bis zur Kampfmannschaft habe ich alle Mannschaften durchlaufen. Die Austria wird immer in meinem Herzen bleiben, weil sie mir alles geschenkt, alles gegeben hat. Dass ich schon auch meine Leistung bringen musste, steht außer Frage. Dennoch: Ich bin der Austria sehr dankbar. Auch wenn vielleicht schwierigere Zeiten bevorstehen: Die Austria wird wieder auferstehen. Im Leben gibt es immer Aufs du Abs, bei der Austria ist es gerade ein Ab. Da möchte man natürlich in irgendeiner Art und Weise helfen. Aber so lange es nichts zu vermelden gibt, halte ich die Füße lieber still.

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