Es sei auch Bauchgefühl gewesen, die Unterschrift unter einen Vertrag beim 1. FC Köln zu setzen, obwohl der Klassenerhalt des Traditionsklubs alles andere als gesichert war.
Diese Entscheidung brachte im April 2021 jede Menge Kritik mit sich. Im Rückblick sollte Dejan Ljubicic Recht behalten haben.
Über ein Jahr später hat der Ex-Rapid-Kapitän eine starke Debüt-Saison hinter sich und setzt sich für seine zweite Spielzeit trotz des Ausscheidens im DFB-Pokal entsprechende Ziele.
In dieser Transferzeit war es sein Bruder Robert, der mancherorts für Kopfschütteln gesorgt hat, indem er von Rapid zu Dinamo Zagreb gewechselt ist.
Dejan Ljubicic erklärt im LAOLA1-Interview, warum Robert schlüssig gehandelt hat. Zudem verdeutlicht der 24-Jährige, dass die Dimensionen beim 1. FC Köln noch viel riesiger als erwartet sind, warum Steffen Baumgart ein Trainer ist, wie er ihn noch nicht erlebt hat, und warum es keinen Grund für einen Wechsel gibt.
LAOLA1: Von außen betrachtet hast du eine gelungene Debüt-Saison in der deutschen Bundesliga hinter dir. Bist du selbst auch zufrieden oder gibt es doch etwas zu meckern?
Dejan Ljubicic: Nein, ich bin schon auch zufrieden mit meiner ersten Saison. Ich bin glücklich, dass ich mich nicht verletzt und eine gute Saison gespielt habe, auch als Verein waren wir erfolgreich. Es hat einfach alles gepasst. Das Wichtigste wird sein: Das muss ich diese Saison jetzt bestätigen.
LAOLA1: Was ist der größte Unterschied zwischen Dejan Ljubicic im Sommer 2021 und Dejan Ljubicic im Sommer 2022?
Ljubicic: Persönlich bin ich reifer und ein zweites Mal Papa geworden. Gott sei Dank hatte ich von Beginn an meine Frau und meine Tochter mit dabei. Es macht vieles einfacher, wenn man nach dem Training zu Hause kommt und die wichtigsten Ansprechpartner da sind. Es ist schade, dass ich meine Eltern und meine Geschwister nicht mehr so oft sehe, aber ansonsten genieße ich die Ruhe mit meiner Familie. Sportlich war ich mit einem neuen Tempo konfrontiert. Da habe ich mich in einigen Dingen weiterentwickelt, die der Trainer von mir verlangt hat.
LAOLA1: Du bist inzwischen auf noch mehr Positionen einsetzbar. Ist das auch eine sportliche Erkenntnis des ersten Jahres beim FC?
Ljubicic: Definitiv. Die meisten Spiele habe ich auf der Acht in der Raute bestritten, aber ich bin auch auf der Sechs, auf der rechten Verteidiger-Position oder auf der Zehn eingesetzt worden. In meinen Augen galt schon immer: Ich bin für die Mannschaft da. Wenn wir guten Fußball zeigen, ist es egal, wo ich spiele.
"Ganz ehrlich: Das hätte ich mir nicht gedacht, als ich unterschrieben habe. Natürlich wusste ich, dass es ein riesiger Klub ist, aber die Dimensionen kannst du erst realisieren, wenn du da bist."
LAOLA1: Wie flexibel muss man dennoch im Kopf sein, wenn einen der Trainer von einer Woche auf die nächste von einer Position auf die andere schiebt?
Ljubicic: Das ist auch etwas, wo du dazulernst. Zugegeben, es gab Phasen, in denen ich mir schwerer getan habe. Aber inzwischen fällt es mir vom Kopf her viel leichter. Ich weiß jetzt, wie man auf den verschiedenen Positionen spielt, und dann wird es für einen Spieler auch relativ leicht, sich einzugewöhnen.
LAOLA1: Wie hilfreich war es im ersten Jahr, mit Florian Kainz und Louis Schaub zwei Landsleute im Verein zu haben?
Ljubicic: Das war sehr wichtig. Louis kannte ich schon von früher. Ich habe ab und zu mittrainiert, als Kainzi noch bei Rapid war, bevor er zu Werder Bremen gewechselt ist. Beide sind super Typen, die es mir sehr einfach gemacht haben. Gerade am Anfang konnte ich mich immer melden, wenn ich etwas gebraucht habe. Das ist für einen neuen Spieler sehr wichtig, denn gerade zu Beginn ist nicht alles so leicht. Da hast du viele Dinge im Kopf. Sie waren für mich da, und ich bin glücklich, dass ich zumindest mit Kainzi weiterhin zusammenspiele.
LAOLA1: Du hast gemeint, du musst dich in der zweiten Saison bestätigen. Was ist deiner Meinung nach in persönlicher Hinsicht dein nächster Entwicklungsschritt?
Ljubicic: Bei aller Zufriedenheit darf ich mich nicht zurücklehnen und mir denken: "Okay, ich habe die erste Bundesliga-Saison gut bestritten, jetzt läuft es von selbst so weiter." Ich muss auf jeden Fall weiter das Maximum geben. Ich will nach jedem Training sagen können, dass ich gut trainiert habe und möchte mich bei der Fahrt nach Hause nicht fragen müssen: "Warum habe ich nicht ein paar Prozent mehr gegeben?"
LAOLA1: Der 1. FC Köln steht für Emotionen. Wie lebt es sich in so einem Kult-Klub?
Ljubicic: Es ist wirklich ein riesiger Klub. Die Fans sind richtig emotional, die Stimmung im Stadion ist überragend. Ganz ehrlich: Das hätte ich mir nicht gedacht, als ich unterschrieben habe. Natürlich wusste ich, dass es ein riesiger Klub ist, aber die Dimensionen kannst du erst realisieren, wenn du da bist.
"Bei einem Angebot einer Champions-League-Mannschaft müsste ich nachdenken. Aber sonst habe ich keinen Grund, den Verein zu wechseln."
LAOLA1: Dass der FC ein "großer Traditionsklub" ist, hast du im April 2021 auch als einen Grund für den Wechsel angeführt. Denkst du dir im Rückblick dennoch ab und zu, dass du ein ziemliches Risiko eingegangen bist? Denn als du dich entschieden hast, konntest du noch nicht wissen, in welcher Liga Köln sein würde. Die Rettung erfolgte auch erst denkbar knapp via Relegation.
Ljubicic: Das stimmt natürlich. Trotzdem habe ich mich damals ganz bewusst entschieden, dass ich auch in der 2. Bundesliga spielen würde, wenn der Verein absteigt. Für mich war es einfach so ein Bauchgefühl. Ich habe zu meinem Berater gesagt, ich will das machen. Ich hatte auch andere Angebote, aber im Rückblick hat sich gezeigt, dass es der richtige Schritt war.
LAOLA1: Im Nachhinein lässt es sich natürlich leichter reden, aber hat dir diese sehr bewusste Entscheidung für den Verein noch mal extra geholfen – etwa bei den Fans?
Ljubicic: Das kann sein, ja. Ich glaube schon, dass ich die Fans so eine klare Entscheidung für einen Club schätzen. Ich hatte schon das Gefühl, dass sich in Österreich ein paar gefragt haben: "Was macht er da? Die spielen bald in der zweiten Liga."
LAOLA1: Vor allem Hans Krankl hat dich kritisiert und von einem "schlechten Transfer" gesprochen.
Ljubicic: Naja, diese Stimmen gab es ja auch bei Rapid. Aber ich bin niemandem böse. Ganz einfach, weil ich es für meine Familie und mich entschieden habe – und das, wie gesagt, richtig.
LAOLA1: Bei deiner Unterschrift wusstest du auch noch nicht, dass ein gewisser Steffen Baumgart in dein Leben treten würde. Was war das verrückteste Erlebnis mit eurem Trainer?
Ljubicic: Es gibt viele Sachen, über die wir mit ihm gelacht haben, aber das bleibt besser unter uns (lacht). Er ist ein sehr emotionaler Trainer, und – das kann man nicht oft genug betonen – menschlich einfach top. Er geht auf die Spieler zu, redet mit ihnen. Auch wenn man Probleme hat, kann man immer zu ihm kommen. Ich muss ehrlich zugeben, so einen Trainer hatte ich noch nie. Denn wie er uns coacht und im Training pusht, ist einzigartig.
LAOLA1: Du hast unlängst gemeint, dass du mit dem 1. FC Köln noch viel vor hast. Wo willst du mit dem Verein hin?
Ljubicic: Der Verein ist riesig, also hat er auch noch sehr viel Potenzial nach oben. Wenn man sich die Anzahl der Mitglieder anschaut (118.000, Anm.d.Red.), kommt der FC bereits auf Platz vier hinter Bayern, Schalke und Dortmund. Mit diesem Klub kann man sehr viel erreichen. Natürlich muss erst mal alles so funktionieren wie in der vergangenen Saison.Aber mein Ziel ist es schon, wieder so eine gute Saison zu spielen. In der Europa Conference League wollen wir die Playoffs gut bestreiten und in die Gruppenphase.
LAOLA1: Was müsste passieren, damit du irgendwann in Zukunft die Mission in Köln doch beendest?
Ljubicic: Mein Traum war es immer, in der Champions League zu spielen. Das möchte ich unbedingt erreichen. Bei einem Angebot einer Champions-League-Mannschaft müsste ich nachdenken (schmunzelt). Aber sonst habe ich keinen Grund, den Verein zu wechseln. Meine Familie und ich fühlen uns hier richtig wohl. Die Menschen sind super, das Trainer-Team ist wunderbar.
LAOLA1: Apropos Champions League. Wie sehr zitterst du in der Qualifikation gerade mit deinem Bruder Robert und Dinamo Zagreb mit?
Ljubicic: Ich schaue mir die Spiele natürlich an und manchmal muss man auch zittern (lacht).
LAOLA1: Wie viel Bauchgefühl war bei Roberts Wechsel von Rapid zu Dinamo dabei? Das war ja auch ein Transfer, den nicht jeder verstanden hat.
Ljubicic: Das liegt vielleicht daran, dass sich nicht viele im Detail mit dem Verein beschäftigt haben. Wenn man Spieler nennt, die dort gespielt haben, könnte man fast die ganze kroatische Nationalmannschaft aufzählen. Ob Modric, Mandzukic, Olic, Brozovic oder Kovacic – alles Weltklassespieler und alle haben dort begonnen. Mein Bruder hat mir erzählt, dass der Verein super geführt wird und alles sehr professionell ist. Sie werden in der kroatischen Liga fast jedes Jahr Meister, spielen regelmäßig europäisch. Deshalb war es in meinen Augen eine richtig gute Entscheidung.
LAOLA1: Wird bei Transfers oft zu schnell Kritik geübt?
Ljubicic: Die Leute haben das Recht zu diskutieren und Sachen zu sagen, auch wenn es sich am Ende vielleicht als falsch herausstellt. Aber wenn ich mir Robbys Situation ansehe: Er hat bei Rapid eine richtig gute Saison gespielt und hat sich im Vergleich zu St. Pölten noch mal richtig weiterentwickelt. Es war einfach sein Wunsch, zu Dinamo zu wechseln, weil es ein riesiger Klub ist und er die Chance hat, sich zu präsentieren und dann den nächsten Schritt in eine Top-Mannschaft zu machen.
LAOLA1: Nach deinem Abschied von Rapid ist es recht schnell gegangen mit der erstmaligen Einberufung ins Nationalteam. Muss man also Legionär sein oder bei Salzburg kicken, um dazuzugehören?
Ljubicic: Anscheinend schon (grinst). Dass ich für mein Land spielen wollte, war jedenfalls ein Mitgrund, warum ich ins Ausland wechseln wollte – und dann war ich im Oktober erstmals dabei. Also mir war schon bewusst: Wenn ich wechsle, habe ich gute Chancen reinzukommen.
LAOLA1: Wie schätzt du dein aktuelles Standing im ÖFB-Team ein? Der Konkurrenzkampf ist enorm, andererseits könnte die Variabilität aus dem Verein helfen, oder?
Ljubicic: Das Wichtigste ist, dass ich in Köln gute Spiele absolviere. Natürlich habe ich auf meiner Position richtig starke Spieler, die das auch richtig gut machen. Dass ich auf verschiedenen Positionen spielen kann, ist sicher eine Stärke von mir. Damit mache ich es dem Trainer einfacher, mich zu bringen.
LAOLA1: Wie war das Feedback von Ralf Rangnick beim ersten Lehrgang?
Ljubicic: Wir haben nicht so viel gesprochen. Für ihn war es ja auch erst der Anfang, er musste sich erstmal alles anschauen. Ich finde ihn richtig gut. Er hat ein System gefunden, das ideal zu uns passt. Ganz Österreich wird sehr viel Freude mit ihm haben.